HSV-Vereinschef Bernd Hoffmann bekennt sich zum Trainer, stellt aber “keinen Persilschein“ aus und nimmt die Profis in die Pflicht.

Hamburger Abendblatt: Herr Hoffmann, stehen Sie noch zu Ihrem Trainer Bruno Labbadia?

Bernd Hoffmann: Selbstverständlich. Bruno Labbadia hat unser Vertrauen.

Das haben Sie am Montag nach der großen Aussprache zwischen Trainerteam, Spieler und Vorstand auch gesagt. Allerdings ergänzt mit den Worten "Stand jetzt". Ein klares Bekenntnis hört sich anders an.

Es gibt in diesem Geschäft keine Persilscheine. Deshalb ist eine solche Ergänzung letztlich nur ehrlich. Aber Fakt ist, dass wir unbedingt weiter mit Labbadia zusammenarbeiten wollen, weil wir von seiner Arbeit überzeugt sind.

Sie haben in den vergangenen sieben Jahren ja auch schon sieben Trainer verpflichtet.

Wobei ich Wert darauf lege, dass Huub Stevens und Martin Jol aus freien Stücken gegangen sind. Aber es stimmt, dass Kontinuität wichtig ist. Erfolgsbeispiele wie Thomas Schaaf bei Werder Bremen oder Manchester United ...

... wo Alex Ferguson seit 24 Jahren arbeitet ...

... zeigen das. Neue Trainer bedeuten ja auch immer wieder neue Spielsysteme.

Beim 0:1 in Mönchengladbach konnte man den Eindruck haben, dass die Mannschaft nicht mehr für den Trainer spielt.

Die Vorstellung war schwach, gar keine Frage. Aber ich halte es für ausgeschlossen, dass ein Spieler gegen seinen Trainer spielt.

Wie erklären Sie sich dann den Absturz? In der Rückrunde hat der HSV nur ganze 13 Punkte geholt.

Womöglich müssen wir konstatieren, dass wir mit der Doppelbelastung aus internationalem Geschäft und Bundesliga noch nicht stabil genug sind, zwangsläufig die Champions League zu erreichen. Auch Wolfsburg, Stuttgart, Bremen oder Hertha hatten oder haben in dieser Saison große Durststrecken. Dagegen stehen mit Schalke, Leverkusen und Dortmund drei Teams vor uns, die in dieser Saison international nicht im Einsatz sind.

Aber der Kader des HSV ist doch hochkarätig besetzt.

Das ist er, keine Frage. Aber wir hatten auch extremes Verletzungspech. Schlüsselspieler sind zum Teil über Monate ausgefallen und brauchen Zeit, um ihre Bestform zu bekommen.

Fehlte nicht doch ein Sportchef, auch als Verbindungsglied zwischen Team und Trainer?

In den letzten Jahren haben wir mit Sportchef in der Schlussphase jeweils unsere hoch gesteckten Ziele verpasst. Katja Kraus und ich führen gerade in den letzten Wochen eher mehr Gespräche als weniger. Und bald wird auch Urs Siegenthaler seine Arbeit als Sportchef aufnehmen, dann sind wir exzellent aufgestellt.

Eljero Elia hat sich im Abendblatt dennoch beklagt, dass sich der Verein nach seiner Operation nicht um ihn gekümmert habe.

Das haben wir mit ihm im Gespräch geregelt. Ich denke, er kann jetzt einordnen, wie intensiv er hier in den vergangenen Monaten betreut und gepflegt wurde.

Haben Sie den Spielern zu viele Sonderrechte eingeräumt? Paolo Guerrero etwa kehrte nach seinem Kreuzbandriss wegen angeblicher Flugangst nicht aus Peru zurück. Zé Roberto überzog eigenmächtig seinen Winterurlaub, lässt sich zudem regelmäßig in München behandeln.

Eine Fußballmannschaft ist ein Gebilde mit unterschiedlichen Persönlichkeiten. Jeden individuell zu behandeln und an der richtigen Stelle auch mal etwas zuzugestehen, ist sicher eine wichtige Stellschraube für den Erfolg. Es muss allerdings klar sein, dass der Verein und die Mannschaft wichtiger sind als Einzelinteressen. Dafür müssen und werden wir sorgen.

Was stimmt Sie optimistisch, dass die Saison doch noch versöhnlich endet?

Es gab eine sehr offene und lebendige Aussprache am Montag, das war ein wichtiger Schritt. Ich erwarte allerdings, dass sich dieses lebhafte Auftreten auch gegen Standard Lüttich fortsetzt.

Was meinen Sie damit konkret für die nächsten Spiele?

Seit 23 Jahren, seit unserem Pokalsieg 1987, sind wir immer kurz vorm Ziel eingebrochen. Wir wären fast Meister geworden, hätten fast das Pokalfinale erreicht, uns fast für das Uefa-Cup-Endspiel qualifiziert. Jetzt haben wir die historische Chance, dies zu ändern. In einem Europa-Lea gue-Finale im eigenen Stadion können wir den Erfolg schaffen, auf den die ganze Stadt sehnsüchtig wartet. Dafür muss jeder Einzelne in den kommenden sechs Wochen diesem Ziel alles unterordnen. Wobei ich betonen möchte, dass wir auch die Bundesliga nicht abschenken dürfen.

An den Leistungen der nächsten Wochen wird sich also jeder Spieler messen müssen.

Wir werden jeden Spieler ganz genau beobachten. Das Auftreten in den hoffentlich noch elf Spielen (sechs Bundesliga-Spiele, fünf Europa-League-Spiele einschließlich Finale, die Red.) sind die Basis für Gespräche, die wir am Saisonende mit jedem Spieler über seine persönliche Zukunft beim HSV führen werden.

Welche Rückschlüsse ziehen Sie aus dieser Saison für die kommende Transferperiode?

Wir werden zukünftig noch stärker auf den Charakter der Kandidaten schauen, in enger Absprache mit unserem Trainer Labbadia und unserem neuen sportlichen Leiter Urs Siegenthaler. Wir werden künftig nicht mehr akzeptieren, dass ein Profi nach drei guten Spielen erklärt, dass der HSV für ihn nur ein Sprungbrett zu größeren Vereinen ist. Für jeden Spieler muss es etwas Besonderes sein, für den HSV, mit diesen Anhängern, in dieser wunderbaren Stadt zu spielen.