Hamburgs Trainer kommt erstmals wieder nach Leverkusen. Acht Monate nach seinem Vereinswechsel holt Bruno Labbadia die Vergangenheit ein, nur zugeben will das der 44-Jährige nicht.

Hamburg. Der Tag nach einem Sieg ist für Bruno Labbadia meistens ein guter Tag. Der HSV-Trainer lächelt, lobt seine Spieler, nimmt sich Zeit für die Medienvertreter. Macht jemand einen Witz, ist Labbadia einer der ersten, der lacht. Der 44-Jährige wirkt zufrieden und ausgeglichen. Im Training mit den Reservisten klatscht der Coach begeistert in die Hände, lobt: "Gut gemacht, Troche. Weiter so."

Am Freitag war wieder so ein Tag. Labbadia schwärmte von einem "toll herausgespielten Sieg" gegen Anderlecht, zeigte sich von Ruud van Nistelrooys "Torriecher" beeindruckt und lächelte höflich, als jemand nach Paolo Guerreros Comebackplänen fragte. Erst als man auf Bayer Leverkusen zu sprechen kam, Hamburgs kommenden Gegner am Sonntag und Labbadias früheren Arbeitgeber (17.30 Uhr/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de), wurde der gebürtige Hesse ernst. Auch acht Monate nach seinem mit aller Macht vorangetriebenen Wechsel von Bayer zum HSV fällt Labbadia der Blick zurück noch immer schwer: "Ich habe noch nie meine Zeit in Leverkusen kommentiert", sagte er, "dabei bleibt es auch."

Natürlich wird die Rückkehr Labbadias nach Leverkusen ein besonderer Tag sein. Bayer-Stürmer Patrick Helmes hat das gesagt, Leverkusens Stefan Kießling hat das gesagt, und auch Bruno Labbadia dürfte das denken. Nur sagen will er das nicht. "Ich hatte ein tolles erstes Halbjahr dort. Die Mannschaft hat sich gut entwickelt", lobt er, will es damit aber auf sich beruhen lassen. Schließlich trainiere er jetzt den HSV und nicht mehr Leverkusen.

Und trotzdem scheint Labbadia die Vergangenheit ausgerechnet in den Tagen vor seiner Rückkehr an die alte Wirkungsstätte einzuholen. So wurde in dieser Woche erstmals von kleineren Dissonanzen zwischen ihm und seiner jetzigen Mannschaft berichtet. Spieler beschwerten sich anonym über das angeblich zu umfangreiche Trainingspensum, fehlende Kommunikation und unbegründete Nicht-Nominierungen. Alles in allem wohl ganz normale Vorgänge während einer langen Saison - wäre da nicht Labbadias Vorgeschichte. Rückblick: Bayer Leverkusen spielte 2008 unter Labbadia ein halbes Jahr lang brillanten Fußball. Viele Chancen, viele Tore, viel Spektakel. Das ist Labbadias Philosophie. Kurzpässe, Pressing, Offensive. Es sah nach dem großen Erfolg aus, dem Bayer viele lange Jahre vergeblich hinterher gelaufen war.

Dann folgte der Absturz. Von Platz eins auf Rang neun. Gute Tage nach Siegen wurden eine Seltenheit. Für die Spieler, für die Medienvertreter und vor allem für Labbadia. Erst geriet die Mannschaft in die Kritik, dann auch er selbst. Alles, was in der Vorrunde noch gut war, war plötzlich schlecht. Schließlich kam es zum Zerwürfnis zwischen Trainer und Team, zu einem folgenschweren Zeitungsinterview am Tag vor dem Pokalfinale und dem anschließend erzwungenen Wechsel aus dem Westen in den Norden.

Das alles ist lange her. Acht Monate. Im Fußball ist das eine halbe Ewigkeit. Und doch scheint es Parallelen zwischen damals und heute zu geben. Auch der HSV hat zu Saisonbeginn begeisterten Fußball geboten. Schnelles Spiel. Schnelle Tore. Schnelle Euphorie. Und schnell war auch alles wieder vorbei. Erst fehlten Labbadia gesunde Stürmer, dann die Siege. Nach sieben sieglosen Spielen in Folge konnte vor Weihnachten gerade noch rechtzeitig der Abwärtstrend gestoppt werden. Doch die Begeisterung war erst mal verflogen.

Allerdings scheint sich Labbadia einige Kritikpunkte aus der Vergangenheit in der Gegenwart zu Herzen genommen zu haben. Den Trainingsumfang hat er leicht reduziert, Aufstellungen immerhin im Nachhinein erklärt und auch immer wieder mit Führungsspielern das Gespräch gesucht. "Labbadia ist ein sehr kommunikativer Trainer", sagt Kapitän David Jarolim, der von der zuletzt aufkommenden Kritik an seinem Chef nichts hören will. Ob der aber tatsächlich aus der Vergangenheit in Leverkusen gelernt hat, wird erst die nahe Zukunft zeigen.

Ironischerweise dürfte bereits nach dem Spiel am Sonntag - in Leverkusen - ein erster Trend erkennbar werden. Gewinnt Labbadias Mannschaft tatsächlich in dessen alter Heimat, wären sämtliche internen und externen Kritiker ruhig gestellt. Es wäre mehr als nur ein guter Tag für Labbadia. Denn noch hat sein HSV aussichtsreiche Chancen in der Europa League und könnte nach einem Sieg bei Bayer sogar die Champions-League-Plätze wieder in den Fokus nehmen. Alles, was vorher schlecht gewesen sein soll, könnte plötzlich wieder gut sein. Und der Blick könnte endlich nur nach vorne gehen.