Begrenzte Freude über den 1:0-Erfolg gegen Hertha BSC. Trainer Labbadia setzte auf überraschende Anfangself - Jansen besorgte Siegtor.

Hamburg. Es ist kein Geheimnis, dass Bruno Labbadia sich nur äußerst ungern in die Karten schauen lässt - weder vor noch nach den Spielen. So war es auch wenig überraschend, dass der HSV-Trainer 19 Stunden nach dem schmeichelhaften 1:0-Sieg gegen Hertha BSC nur bedingt an einer schonungslosen Analyse der 90 fußballarmen Minuten vom Vortag interessiert war. "Wir müssen uns für einen Sieg ja nicht entschuldigen", sagte Labbadia und wies noch einmal auf das für den HSV so positive Resultat hin: "Im Fußball zählt nur das Ergebnis."

Das Ergebnis stimmte, ansonsten stimmte allerdings nur wenig bis gar nichts, was sich da am Sonnabend in der Nordbank-Arena im Spiel zwischen dem Tabellenvierten und dem Tabellenletzten aus Berlin abgespielt hatte. "Das große Fußballfest war es nicht", gab Linksverteidiger Dennis Aogo selbstkritisch zu, und Eljero Elia ergänzte: "Mit Fußball hatte das alles nicht viel zu tun." Statt mit attraktivem Offensivfußball, der dem Publikum in der Hinrunde in Serie geboten wurde, mussten sich die 53 905 Zuschauer gegen Hertha mit einem "dreckigen Sieg" (Aogo) und einem plan- und in der zweiten Halbzeit sogar hilflosen Auftritt ihres Teams zufrieden geben. So mischten sich erstmals in dieser Saison nach einem Heimsieg Pfiffe in den Jubel nach dem Schlusspfiff. Denn obwohl das Ergebnis zweifellos stimmte, waren die Fans mit der Art und Weise alles andere als einverstanden.

Überhaupt nicht einverstanden dürfte Piotr Trochowski bereits vor dem Anpfiff am Sonnabend gewesen sein (siehe Text unten links). Denn anders als erwartet und am Freitag im Abschlusstraining einstudiert, musste der Nationalspieler zum wiederholten Mal Eigengewächs Tunay Torun Platz machen, dahinter setzte der HSV-Coach auf den nur einen Tag zuvor aus Venezuela zurückgekehrten Tomas Rincon statt auf Guy Demel. Zwei riskante Entscheidungen, die Pokerface Labbadia bei einer Niederlage wohl reichlich Kritik beschert hätten. Nachdem aber ausgerechnet Torun mit einer sehenswerten Einzelleistung das Tor des Tages durch Marcell Jansen (40.) vorbereitet hatte, wies der HSV-Trainer am Tag danach zu Recht darauf hin, dass seine Maßnahmen - zumindest in den entscheidenden Situationen - gefruchtet hatten: "Wir brauchen genauso wenig darüber zu diskutieren, warum Trochowski nicht gespielt hat und Torun dafür eingesetzt wurde wie über die Gründe, warum Boateng statt Aogo gegen Bayern in der Startelf war. Die Maßnahmen haben gegriffen."

Tatsächlich darf sich Labbadia beim Blick auf das Tableau bestätigt fühlen. "Es ist schön, auf die Tabelle zu schauen", sagte der Trainer, der mit Wohlwollen registriert hatte, dass alle potenziellen Verfolger (Werder Bremen, Eintracht Frankfurt, VfB Stuttgart) im Kampf um die Qualifikation zur Europa League Punkte liegen lassen mussten. Und nachdem auch Labbadias Exklub Bayer Leverkusen vor dem direkten Duell am kommenden Sonntag in Nürnberg verlor, scheint trotz des fußballerischen Offenbarungseides im Spiel gegen Berlin sogar die Qualifikation zur Champions League wieder realistisch. Im Gegensatz zu den Konkurrenten hat Labbadia mit Ruud van Nistelrooy auch noch ein wertvolles Ass im Ärmel. Der Niederländer durfte nach seiner Verletzungspause zwar nur eine halbe Stunde spielen, deutete aber an, dass er der Mannschaft im Saisonendspurt weiterhelfen kann.

Um aber wirklich noch mal oben anzugreifen, braucht Labbadia in den kommenden Wochen mehr als nur einen Joker. "Dieser Sieg wird uns einen Schub für die nächsten Spiele geben", sagte Kapitän David Jarolim, der auf den Start einer neuen Erfolgsserie hofft. Allerdings weiß selbst jeder amateurhafte Pokerspieler, dass man sich nicht dauerhaft auf sein Kartenglück verlassen darf. Denn anders als Berlin dürften sich die kommenden Gegner Leverkusen und Schalke von einem erneuten Bluff nicht abschrecken lassen.