Herthas Ersatztorwart Sascha Burchert stand im Hinspiel unfreiwillig im Rampenlicht. Im Abendblatt erinnert er sich an zwei kuriose Tore.

Berlin. Sascha Burchert muss lachen. Aufmerksam liest der Berliner die mitgebrachten Artikel, die in einem kleinen Besprechungszimmer der Hertha-Geschäftsstelle vor ihm ausgebreitet auf dem Tisch liegen. "So peinlich!" steht über einem geschrieben, "Die 11 größten Torwart-Pannen" über einem anderen. Am besten findet er die Überschrift "Torwart-Trottel versaut Funkel-Debüt". Sechs Fotos sind um den "Bild"-Bericht herum verteilt, vier davon zeigen ihn: 20 Jahre alt, freundliches Gesicht, kurze, blonde Haare. Burchert, der "Torwart-Trottel".

Humor ist eben, wenn man trotzdem lacht. Dabei war dem 76 Kilo schweren Kraftpaket das Lachen vor fünf Monaten noch gründlich vergangen. "Das waren natürlich keine schönen Momente für mich", sagt der Berliner heute und schiebt die Zeitungen zurück über den Tisch. Die Momente, die Burchert meint, sind die 38. und 40. Minute im Spiel seiner Hertha gegen den HSV am 4. Oktober. Es waren 120 Sekunden, die Burchert vom "Torwart-Talent" zum vermeintlichen "Torwart-Trottel" werden ließen, 120 Sekunden, die Burchert wohl nie vergessen wird: Zweimal hatte der erst sechs Minuten zuvor eingewechselte Ersatztorhüter per Kopf in höchster Not vor den heranstürmenden Hamburgern geklärt. Zweimal hatte er Kopf und Kragen riskiert. Und zweimal hatte er ungewollt Fernschusstore durch David Jarolim und Zé Roberto aus jeweils 35 Metern vorbereitet. Am Ende gewann der HSV 3:1, Hertha blieb Tabellenletzter und Burchert wurde dank der zwei historischen Minuten zum medialen "Depp der Nation".

Das ist die eine Wahrheit. Die andere Wahrheit ist, dass Burchert eigentlich alles richtig gemacht, seine Abwehrkollegen ihn aber kolossal im Stich gelassen hatten. So sah es zumindest HSV-Torhüter Frank Rost, der an jenem Abend Burcherts bester Verteidiger war. "Den Jungen trifft keine Schuld. Für ihn muss man mal eine Lanze brechen", sagte Rost. "Über Franks Worte hatte ich mich damals sehr gefreut." Nur zwei Tage nach dem Spiel bedankte sich Burchert bei Rost.

"Auch unser verletzter Stammtorhüter Jaroslav Drobny hatte mich am nächsten Tag in Schutz genommen." Dabei wäre das eigentlich gar nicht nötig gewesen, ergänzt Burchert, der sich die Szenen noch am gleichen Abend mit Freundin Lina im Fernsehen anschaute. "Ich war mir sicher, dass ich nichts falsch gemacht hatte. Deswegen musste mich auch niemand aufbauen."

Wer soviel Selbstvertrauen hat, der wird ein Großer. Das glaubt zumindest Herthas Torwarttrainer Christian Fiedler, der am Tag nach dem Doppelpack-Drama relativierte: "Sascha ist Profi. Er muss da durch." Lang ist Burchert schon heute, 1,88 Meter. Und ein Großer will der Nachwuchskeeper, dessen Bruder Nico - ebenfalls Torwart - in der Zweiten Liga beim SC Paderborn spielt, auch bald sein. "Es war immer mein Traum, Bundesligatorhüter zu werden", sagt er, "einen Plan B hat es nie gegeben." Bereits mit zwölf Jahren wechselte er vom Berliner Vorortklub Wartenberger SV zur Hertha, bekam mit 17 seinen ersten Profivertrag. "Auch die ganz großen Torhüter mussten schwere Momente überstehen", sagt Burchert, der seit Kindestagen für Manchester Uniteds Edwin van der Saar schwärmt. "In der Spielart sind wir uns ähnlich", sagt der gebürtige Berliner, und grinst: "Wir spielen beide mit, sind gut im herauslaufen."

Seinen Humor hat Burchert also nicht verloren. Und seinen Status auch nicht. Am Sonnabend (15.30 Uhr/live auf Sky) wird der frühere U-20-Nationaltorhüter erneut gegen den HSV auf der Bank Platz nehmen. Zumindest zunächst einmal. Und er würde in der gleichen Situation wieder herauslaufen. "Natürlich. Das ist meine Spielweise", sagt Burchert. "Noch mal wird ein David Jarolim sicher nicht aus 35 Metern das Tor treffen."