Nach dem Traum-Einstand in Stuttgart fiebert Ruud van Nistelrooy dem ersten Auftritt in Hamburg entgegen - ausgerechnet gegen seinen Ex-Klub.

Stuttgart. Und plötzlich befand sich Mario Mosa im Zentrum der Glückseligkeit. Nach seinem zweiten Treffer lief Ruud van Nistelrooy mit Marcus Berg im Arm zur Seitenlinie, um mit den Ersatzleuten zu feiern. Schnell bildete sich eine Jubeltraube von 30 Hamburgern: Spieler, Physiotherapeuten - und Zeugwart Mosa mittendrin. "Das", sinnierte van Nistelrooy später über die kollektiv erlebte Explosion der Gefühle, "sind die schönsten Momente im Fußball, wenn alle, die so viele Stunden für den HSV arbeiten, so zusammen sind."

Mladen Petric und Piotr Trochowski gehörten nicht zum Teilnehmerkreis - die ausgewechselten HSV-Profis saßen gerade in der Kabine, als die Schreie - wahlweise der Freude oder der Enttäuschung - in die Katakomben drangen. "Bestimmt hat Ruud getroffen", tippten sie - und mussten lachen, als kurz darauf ein Betreuer hereinstürmte und von einem der unglaublichsten Auftritte eines Neuzugangs berichtete.

Nach dem Kurzeinsatz in Köln schaffte es der 33-Jährige bei den Schwaben innerhalb von nur 90 Sekunden, das Spiel mit zwei Treffern zugunsten des HSV zu entscheiden. Alle Zweifler wissen jetzt, dass van Nistelrooy selbst im reifen Alter immer noch rechts wie links trifft. "He is the best Box-Player of the world", sagte Marcus Berg, der sich ebenfalls Bestnoten verdiente, anerkennend und meinte jenen Torinstinkt im Strafraum, der "Van the Man" zum Weltstar aufsteigen ließ. "Ruud überlegt, was über den dritten Ball hinaus noch passieren könnte", erklärte Bruno Labbadia mit der Beobachtungsgabe das Geheimnis seines Vollstreckers.

Noch viel mehr freute sich der Trainer über die fehlenden Allüren seines Topmanns: "Wenn Sie den Jubel der Mannschaft sehen, wissen Sie, wie er sich einordnet. Ruud ist ein ganz Normaler, was in dieser Branche leider nicht normal ist. Wenn ein Spieler dann so schnell dafür belohnt wird, geht mir als Trainer das Herz auf." Als hätte es noch eines weiteren Belegs bedurft, dass der Angreifer keine Unterschiede bei seinen Gesprächspartnern macht, saß van Nistelrooy nach dem Spiel in der Kabine mit Talent Henrik Dettmann und Robert Tesche zusammen. "Er ist ein richtiger Gewinn für uns als Persönlichkeit", bestätigte auch Kapitän David Jarolim.

Zu hoffen ist auch, dass van Nistelrooy dem Team eine große Portion seines unbändigen Ehrgeizes einimpfen kann. "Ich habe vor dem Spiel gedacht, ich könnte Minimum 30 Minuten spielen und wurde ungeduldig, als die 60. Minute verstrichen war." Immer wieder ging sein Blick zur Trainerbank. "Ich dachte: Hallo, ich bin hier, wechselt mich ein!"

Dem Niederländer war nicht entgangen, dass dem HSV zum achten Mal in dieser Saison das Missgeschick drohte, eine Führung zu verspielen. Nachdem Labbadias Elf in der ersten Hälfte sehr kompakt und diszipliniert die Partie weitgehend kontrolliert hatte, ging nach dem 16-Meter-Schuss von Christian Träsch zum 1:1-Ausgleich - Demel, Trochowski und in der Zentrale Jarolim passten nicht auf - jegliche Ordnung verloren. "In dieser Phase haben wir keine Dominanz ausgestrahlt", sagte Labbadia. "Daran müssen wir arbeiten: eiskalt zu bleiben." Und auch van Nistelrooy fragte sich mit Blick auf das 3:3 in Köln, als der HSV eine 3:1-Führung verspielte: "Es wird doch nicht noch einmal passieren?" Es passierte nicht, weil der Stürmer die Anweisung seines Trainers befolgte, der ihm auf den Weg gab: "Geh rein und schieß deine Tore, dann gewinnen wir."

Seine Treffer waren der Auftakt für die "Ruud-Festspiele" in den kommenden Wochen. Erster Höhepunkt: Das Sechzehntel-Finalhinspiel in der Europa-League gegen den PSV Eindhoven am Donnerstag (21.05 Uhr). "Das wird ein sehr spezieller Tag sein. Mein erstes Heimspiel für den HSV gegen meinen alten Verein. Das ist schön, darauf freue ich mich", sagte van Nistelrooy lächelnd. Labbadia ließ sich am Wochenende noch alle Optionen offen, mit welchem Personal er das Europacup-Spiel und die Partie gegen Frankfurt am Sonnabend nur 40 Stunden später bestreiten will. Nicht ausgeschlossen jedoch, dass van Nistelrooy gegen Eindhoven in der Startformation stehen wird. Nach dem Rückspiel in seiner Heimat (25. Februar) streben die Ruud-Festspiele ihrem nächsten Höhepunkt entgegen: Am 28. Februar trifft van Nistelrooy in der Allianz-Arena auf seine Landsleute vom FC Bayern, Louis van Gaal, Mark van Bommel und Arjen Robben. Spätestens dann dürfte auch der niederländische Nationaltrainer Bert van Marwijk genau hinschauen. "Ich hoffe, dass er mich noch ein bisschen gebrauchen kann in Südafrika", umschrieb van Nistelrooy seine WM-Ambitionen.

Dass sich van Nistelrooy in dem Trubel Freiraum für Normalität nehmen wird, ist indes sicher. Die Belohung für seine zwei Tore jedenfalls sah so aus: Am Stuttgarter Flughafen gönnte er sich beim Plausch mit seinen Kollegen eine Cola, einen Schokoriegel und ein Vollkornbrötchen - am Abend telefonierte er über das Internet mit seiner Familie in den Niederlanden. Wenig spektakulär. Ihm reicht es eben, wenn es seine Tore sind.