Schalkes früherer Coach schwärmt von Eljero Elia, lobt die Hamburger und freut sich auf ein Wiedersehen mit Ruud van Nistelrooy.

Eindhoven. Was Fred Rutten von Pressekonferenzen hält, weiß man spätestens seit seiner Zeit bei Schalke 04. Selten hat der Trainer den Journalisten länger als zehn Minuten einen Einblick in seine Gedanken gewährt. Und auch in Eindhoven sitzt Rutten den niederländischen Medienvertretern mit verschränkten Armen gegenüber, lächelt nur selten und spricht leise und kurz. Doch sobald die offizielle Presserunde vorbei ist, kann man einen ganz anderen Rutten kennen lernen. Im Interview mit dem Abendblatt wirkt Rutten offen wie selten zuvor. Der 47-Jährige scheint glücklich, macht Witze und lacht sogar einmal. Nur beim Rückblick auf seine Zeit bei Schalke 04 scheint ihm das Lachen schnell zu vergehen.

Abendblatt: Herr Rutten, was war Ihr erster Gedanke, als die Partie Eindhoven gegen den HSV ausgelost wurde?

Fred Rutten: Ich habe mich zunächst mal für die Fans gefreut. Immerhin ist der HSV ein großer Name im europäischen Fußball.

Abendblatt: Die Frage zielte eher darauf ab, dass Sie vor nicht einmal zwei Jahren als Topfavorit für den Trainerposten beim HSV gehandelt wurden.

Rutten: Ich schaue lieber nach vorne als zurück. Aber es stimmt natürlich, dass wir einige Gespräche geführt hatten.

Abendblatt: Hamburgs früherer Sportchef Dietmar Beiersdorfer wollte Sie unbedingt verpflichten, Klubchef Bernd Hoffmann sprach sich dagegen aus. Hatten Sie jemals ein Gespräch unter vier Augen mit ihm?

Rutten: Ich hatte sehr gute Gespräche mit Dietmar Beiersdorfer, und ich hatte auch Gespräche mit Bernd Hoffmann. Am Ende war Schalke dann einfach schneller, und das war für alle Parteien damals vielleicht das Beste.

Abendblatt: Allerdings wurden Sie in Gelsenkirchen nach knapp einem Jahr entlassen. Was lief schief auf Schalke?

Rutten: Andreas Müller und ich waren uns einig, einen Umbruch einzuleiten, den Schalke dringend notwendig hatte. Wir hatten dann großes Verletzungspech, und am Ende hat uns einfach das Quäntchen Glück gefehlt.

Abendblatt: Es war das erste und bisher einzige Mal, dass Sie entlassen wurden. Wie lange mussten Sie daran knabbern?

Rutten: Ich habe zumindest nicht geweint. Solche Dinge passieren nun mal im Fußball. Und ich bin mir im Klaren darüber, dass auch ich davon nicht verschont bleibe.

Abendblatt: Sind Sie überrascht über den steilen Aufstieg Schalkes unter Felix Magath?

Rutten: Überhaupt nicht. Magath macht genau das, was man machen muss. Schalke ist ein schlafender Riese, der nur geweckt werden muss. Wenn die richtigen Leute Hand anlegen, kann Schalke nicht nur in Deutschland, sondern auch in Europa dauerhaft oben mitspielen.

Abendblatt: Sie haben immer betont, dass Sie Zeit brauchten, um Ihre Spielphilosophie mit Schalke umzusetzen. Ist das im heutigen Fußball überhaupt noch möglich?

Rutten: Die Zeit für Trainer ist im heutigen Profifußball in der Tat begrenzt. Es gibt aber auch positive Beispiele. So hatte Louis van Gaal bei Bayern in der Hinrunde eine schwierige Phase, man hat ihn aber trotzdem in Ruhe weiterarbeiten lassen. Auf Schalke hatte ich leider nicht genügend Zeit, um meine Philosophie von Fußball umzusetzen.

Abendblatt: Was ist Ihre Philosophie?

Rutten: Ich lasse meine Mannschaft lieber agieren als reagieren. So einfach ist das.

Abendblatt: In Eindhoven haben Sie Ihr Glück schnell wiedergefunden. Wie haben Sie es geschafft, mit Ihrer Mannschaft 39 Pflichtspiele in Folge ungeschlagen zu bleiben?

Rutten: Dafür ist in erster Linie die Mannschaft selbst verantwortlich. Das Team hat einen starken Charakter, das merkt man in der Kabine und auf dem Platz. Nur so kann man Leistungen bringen, die sowohl in den Niederlanden als auch in Europa außergewöhnlich sind.

Abendblatt: Kann der PSV an die Jahre zwischen 2002 und 2006 anknüpfen, als Eindhoven mit Ihnen als Co-Trainer dreimal Meister wurde und das Halbfinale der Champions League erreichte?

Rutten: (überlegt lange) Es ist natürlich nicht einfach, an derartige Erfolge anzuknüpfen. Vielleicht weiß man es noch nicht in Deutschland, aber in den Niederlanden ist längst bekannt, dass auch wir von der Finanzkrise nicht verschont bleiben. Man muss mit dem Geld, das man hat, schon sehr klug wirtschaften. Aber natürlich ist es trotzdem unser Ziel, genau da wieder hinzukommen, wo wir 2005 schon mal waren. Damals hat einfach alles gepasst. Wir hatten einen besonderen Spirit.

Abendblatt: Einen besonderen Spirit haben Sie sich auch von Ruud van Nistelrooy erhofft, der sich aber gegen eine Rückkehr nach Eindhoven und für den HSV entschieden hat.

Rutten: Es stimmt, dass ich mit seinem Berater im vergangenen Oktober über eine Rückkehr gesprochen habe. Natürlich hätten wir Ruud gerne nach Hause geholt. Am Ende hat er sich nun für den HSV entschieden, und das kann man ihm nicht verdenken. Seine Entscheidung muss man akzeptieren.

Abendblatt: Was kann man von van Nistelrooy erwarten?

Rutten: Er war ein Topspieler in den Niederlanden, er war ein Topspieler in England und er war ein Topspieler in Spanien. Nun will er eben auch noch die Bundesliga erkunden. Ruud ist ein fantastischer Stürmer, der den Unterschied machen kann. Ich freue mich jedenfalls auf ein Wiedersehen mit ihm.

Abendblatt: Auf ein Wiedersehen dürfen Sie sich auch mit Eljero Elia freuen, den Sie seinerzeit nach Enschede holten. Was trauen Sie Ihrem früheren Zögling zu?

Rutten: Viel. Eljero ist ein Spieler, der viel dafür tut, jeden Tag besser zu werden. Er investiert viel, will immer dazulernen. Es freut mich, dass er auch körperlich in der Bundesliga mithalten kann.

Abendblatt: Stimmt es, dass Schalkes Ex-Manager Andreas Müller bereits im Wohnzimmer der Elias gesessen hatte, um ihn für Sie nach Schalke zu holen?

Rutten: Das stimmt. Aber zum einen war der Kauf Elias für Schalke finanziell nur schwer zu realisieren, und zum anderen wollte er auch gar nicht mehr zu Schalke kommen, als ich schließlich dort entlassen wurde.

Abendblatt: Trauen Sie Elia zu, irgendwann bei einem echten Topklub zu spielen?

Rutten: Elia spielt bei einem echten Topklub. Und mir scheint es so, als ob er sich in Hamburg sehr wohl fühlt. Warum sollte er also wechseln?

Abendblatt: Wer ist am Donnerstag Favorit? Der PSV oder der HSV?

Rutten: Der HSV. Der Verein hat ein unglaubliches Potenzial. Mit diesem Team kann man in der Bundesliga und in Europa bis zum Schluss um den Titel spielen.