Horst Becker als Vorsitzender des Aufsichtsrats bestätigt - Bernd Hoffmann will externe Investoren für Transfers aktivieren.

Hamburg. Obwohl der Verein zum Jahreswechsel 516 Mitglieder ausschließen musste, weil diese ihre Beiträge trotz mehrmaliger Aufforderung nicht gezahlt hatten, zählen noch immer 65 808 Menschen zur ansonsten wachsenden HSV-Familie. Dass gestern gerade einmal 0,7 Prozent, also 485, den Weg zur Mitgliederversammlung fanden, war enttäuschend, trotz des widrigen Wetters und der Tatsache, dass anders als vor einem Jahr keine Aufsichtsratswahlen anstanden.

So vergaben viele HSV-Anhänger die Chance, in Saal 1 des CCH über die Zukunft ihres Vereins zu debattieren. Diskussionspunkte hätte es genügend gegeben.

Der Bericht des Vorstands, vorgetragen von Bernd Hoffmann, geriet fast zu einer Grundsatzrede. So kündigte der Vorsitzende an, das Projekt "Anstoß{+3}" weiter voranzutreiben: "Wenn wir weiter offensiv auf dem Transfermarkt vorgehen wollen, müssen wir über die Bindung von externem Kapital nachdenken, was allerdings nicht in einen Verkauf von Vereinsanteilen münden soll." Hoffmann, der laut Aufsichtsratschef Horst Becker im vergangenen Geschäftsjahr mit seinen Vorstandskollegen 2,86 Millionen Euro verdiente (davon 1,35 Millionen Prämien), kündigte außerdem an, über eine vorzeitige Verlängerung des bis 2015 laufenden Vermarktervertrages mit Sportfive reden zu wollen. "Es ist ein Grenzgang, unseren sportlichen Ansprüchen gerecht werden zu wollen und gleichzeitig Augenmaß zu bewahren." So wolle er auch in Zukunft keine Werbeverträge beleihen und, wenn es ginge, auch keine Bankkredite für Spielereinkäufe aufnehmen.

Anders als Hoffmann blieb Horst Becker erwartungsgemäß nicht von Kritik von der Basis verschont. So warf Tamara Dwenger Becker angesichts der noch ungelösten Sportchefsuche vor: "Für mich haben Sie 2009 versagt. Wir haben einen kompetenten, aber keinen sportlich kompetenten Vorstand."

Doch als es für Becker immer ungemütlicher wurde, sorgte ausgerechnet Bruno Labbadia für Beruhigung. In seiner Rede unterstrich der HSV-Trainer, dass strategisch an der neuen Mannschaft geplant werde. Energisch widersprach er der allgemeinen Auffassung, dass ein Sportchef die Philosophie vorgeben müsse: "Das muss schon der Trainer sein. Dabei wird von uns Trainern in Deutschland oft ein falsches Bild gezeichnet, sie sind die Bratwürste." Gerade beim HSV hätte sich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass die Trainer, ob Doll, Stevens, Jol und jetzt er selbst, verschiedene Spielstile geprägt hätten. Sein Appell an die Mitglieder: "Haben Sie Vertrauen, lassen Sie uns nicht Hektik reinbringen. Wir wollen in der Zukunft sorgsam mit Entscheidungen umgehen, deshalb kann mal kurzfristiger Erfolg ausbleiben." Labbadia kündigte an, kein Kurzzeittrainer sein zu wollen: "Ich möchte in diesem Verein länger arbeiten, das ist mein ganz großes Ziel. Ich sehe kaum einen Verein mit solch einem Potenzial, der so hungrig nach Erfolg ist." Kritisch wurde es für Hoffmann & Co. danach nur noch einmal, als Jan Bartels mit seinem Antrag, dass der Vorstand für Mitgliederbelange (derzeit Oliver Scheel) automatisch stellvertretender Vorsitzender werden solle. Der Vorstoß scheiterte nach einstündiger Debatte nur knapp. Von den zu diesem Zeitpunkt noch 273 Anwesenden stimmten 184 mit Ja (67 Prozent), eine Dreiviertel-Mehrheit wäre nötig gewesen.

Als die Sitzung um 16.45 Uhr nach fast sechs Stunden beendet war, folgte für die Kontrolleure ein einstündiger Nachschlag. In seiner konstituierenden Sitzung wurde Becker als Vorsitzender bestätigt. Neuer Stellvertreter neben Alexander Otto ist Eckhard Westphalen. Der bisherige Amtsinhaber Otto Rieckhoff hatte seinen Kollegen vorgeschlagen. Er selbst verzichtete auf seine Wiederwahl, vermutlich als Konsequenz aus den für ihn unbefriedigenden Ereignissen rund um die Sportchefsuche.