Der Ex-HSV-Profi sieht Hamburg als Titelkonkurrenten und hofft, seinen Vater noch mal gesund im Stadion dabeizuhaben.

Hamburg. Abendblatt:

Herr van Buyten, zwei Tore in einem Spiel wie jüngst im Pokal beim 5:0 gegen Oberhausen - das gab es für Sie lange nicht mehr...

Daniel van Buyten:

Das stimmt. Zuletzt beim HSV und in der Champions League gegen den AC Mailand.

Abendblatt:

Noch mehr freuen dürfte Sie aber Ihr Standing beim neuen Trainer Louis van Gaal.

Van Buyten:

Klar. Die letzte Saison war schwer, ich hatte so meine Probleme mit dem Trainer und fehlender Spielpraxis. Aber umso mehr freue ich mich, dass es wieder bergauf geht. Mit der Mannschaft wie mit mir.

Abendblatt:

Was hat Jürgen Klinsmann anders gemacht als jetzt van Gaal?

Van Buyten:

Van Gaal setzt auf Leistung. In den Spielen, aber genauso in den Trainingseinheiten. Das war letzte Serie oft nicht zu erkennen. Selbst die Mannschaft hat sich damals hinter mich gestellt. Meine jetzige Form hatte ich auch damals - aber damals fehlte die Belohnung, nämlich Einsätze. Da bin ich trotz Toren und guter Leistungen gerne mal rausrotiert. Heute geht es strikt nach dem, was du auf dem Platz zeigst. Da hat keiner mehr eine Einsatzgarantie, nicht einmal Luca Toni oder Franck Ribéry.

Abendblatt:

Apropos Ribéry, in dem Franzosen haben Sie einen Freund fürs Leben gefunden, oder?

Van Buyten:

Er ist ein Mensch, mit dem ich sehr gern sehr viel Zeit verbringe. Beim Fußball und privat. Unsere Freundinnen verstehen sich super, und wir verbringen sogar Urlaube miteinander.

Abendblatt:

Herr Ribéry hat in einer Ihrer schwersten Stunden eine beeindruckende Geste für Sie gehabt...

Van Buyten:

Sie meinen, als er meine Rückennummer fünf in die Handfläche gemalt und nach seinem Tor gezeigt hat.

Abendblatt:

Ja. Wie wichtig war Ihnen diese Geste?

Van Buyten:

Sie hat mir gezeigt, dass Franck auch an mich denkt, wenn es mir schlecht geht oder ich - wie damals - aus familiären Gründen nicht da sein kann.

Abendblatt:

Ihr Vater hatte damals, im April 2009, einen schweren Schlaganfall erlitten. Wie geht es ihm heute?

Van Buyten:

Es ist ein sehr langer Prozess. Er ist noch nicht wieder gesund. Es geht ihm besser, aber nicht gut.

Abendblatt:

Sie hatten und haben ein sehr inniges Verhältnis zu Ihrem Vater, sehen in ihm Ihr Vorbild. Haben Sie verarbeiten können, was da passiert ist?

Van Buyten:

So lange die Sehnsucht nach einer vollständigen Genesung in mir ist, nicht. Das werde ich wohl auch nie ganz verstehen. Wie konnte mein Vater so ins Abseits gedrängt werden, er, der unentwurzelbar schien? Er, der nie getrunken hatte, nie geraucht hatte. Und das, wo so viele andere, die es gewöhnt sind, die gelbe Linie zu überfahren, ihren Weg unbeschadet fortführen. Wie konnte dieser Muskelberg so niedergeschmettert werden? Ich habe bis heute keine Antwort. Mir war damals nichts mehr wichtig. Jeden verdienten Cent hätte ich für die Gesundheit meines Vaters, meines Vorbildes hergegeben. Und damals, das muss ich ehrlich zugeben, hat mich das richtig kaputt gemacht. Hätte er nicht irgendwann gesagt: 'Daniel, bitte mache weiter. Zieh dein Ding durch', ich hätte alles aufgegeben.

Abendblatt:

Und heute dürfte er ziemlich stolz darauf sein, wie Sie sich beim Rekordmeister durchgebissen haben.

Van Buyten:

Das hoffe ich. Denn ich mache das für ihn. Die Tore sind für ihn, damit er zuhause am TV Kraft ziehen kann. Mein Traum wäre, dass er irgendwann mal wieder live dabei sein kann. Aber das wird schwer.

Abendblatt:

Wie können wir von einem so ernsten Thema wieder zu einem vergleichsweise banalen Thema wie Fußball zurückkommen?

Van Buyten:

Indem wir über das bevorstehende Spiel sprechen.

Abendblatt:

Okay. Da geht es gegen Ihren ehemaligen Klub HSV. Bei Ihrem ersten Auftritt als Münchner in Hamburg wurden Schals mit Ihrem Namen und Fotos von Ihnen verbrannt ...

Van Buyten:

...und ich habe nur gute Erinnerungen an Hamburg. Der Gedanke, Mannschaftskapitän bei einem Klub wie dem HSV gewesen zu sein, macht mich heute noch stolz. Der HSV ist immer gut mit mir umgegangen. Das vergesse ich nie.

Abendblatt:

Haben Sie noch viele Freunde in Hamburg?

Van Buyten:

Klar. Ich telefoniere häufiger mit den alten Kameraden. Ich bin nur traurig, dass Didi (Ex-HSV-Sportchef Dietmar Beiersdorfer, d. Red. ) nicht mehr da ist. Didi ist ein guter Mensch, der sehr wichtig für uns als Spieler war. Er hat diesen HSV dahin gebracht, wo er heute ist.

Abendblatt:

Und das ist?

Van Buyten:

Der HSV ist für mich das stärkste Bundesligateam. Neben uns natürlich. Hamburg hat sich Jahr für Jahr entwickelt, ist heute in allen Mannschaftsteilen stark. Wenn wir am Sonnabend in Hamburg einlaufen, ist das für mich nicht nur eines der wichtigsten Spiele auf dem Weg zur deutschen Meisterschaft, es ist für mich qualitativ auch wie ein Champions-League-Spiel.

Abendblatt:

Weil der FC Bayern endlich da ist, wo er schon zu Saisonbeginn sein wollte? Viele vermuten, der Zug FC Bayern hätte gerade erst Fahrt aufgenommen...

Van Buyten:

Das stimmt wohl auch. Wir haben inzwischen die Trainerphilosophie verstanden, setzen endlich das um, was der Trainer von uns verlangt.

Abendblatt:

Der sehr strenge Trainer Louis van Gaal ...

Van Buyten:

Ich würde eher sagen, der sehr ehrgeizige Trainer. Louis van Gaal ist erfolgsbesessen und ein akribischer Arbeiter. Er will Titel - und das lebt er uns vor, dafür gibt er alles. Inzwischen kommt es aber auch vor, dass im Training der eine oder andere Scherz gemacht wird. Je länger man ihn kennt, desto einfacher wird es. Denn es stimmt eigentlich alles beim FC Bayern: Wir haben den Kader, den wir für Erfolge in allen Wettbewerben brauchen. Diese Konkurrenz ist nötig - und der Trainer setzt sie perfekt um.

Abendblatt:

Sie klingen euphorisch. Was gewinnt der FCB diese Serie?

Van Buyten:

Ich bin gekommen, um die Champions League zu gewinnen. Das bleibt mein Ziel. Aber wirklich euphorisch bin ich nicht.

Abendblatt:

Weil Sie sich jüngst wieder bei Ihren Eltern runterfahren konnten? Sie haben da bei Ihren Heimatbesuchen Ihren Brauch, wird erzählt.

Van Buyten

(lacht): Sie meinen mein Kinderzimmer? Ja, ich wohne, wenn ich bei meinen Eltern zu Besuch bin, immer wieder in meinem alten Zimmer. Das ist heute noch so, wie ich es an meinem 21. Geburtstag hinterlassen habe. Ohne den Staub natürlich. Der wird seitdem natürlich regelmäßig weggeputzt.

Abendblatt:

Ist Ihr Kinderzimmer Ihr Reset-Knopf, um sich aus der Glamour-Welt beim Rekordmeister in München wieder darauf zu besinnen, wo Sie herkommen?

Van Buyten:

Ja. Jedes Mal kommen Erinnerungen hoch. Auch wenn sie momentan oft sehr traurig sind, so erinnere ich mich sehr, sehr gern an meine Jugend. Auch, weil damals alles heil war und ich mir nichts sehnlicher wünsche, als dass mein Vater irgendwann wieder so gesund ist wie damals. Ihn noch mal völlig gesund und bei einem Spiel im Stadion dabei zu haben wäre mir mehr wert als jeder Sieg in der Bundesliga, dem Pokal oder der Titel in der Champions League.