In den letzten zwölf Spielen testete Joachim Löw sechs Pärchen. Auch HSV-Verteidiger Jérome Boateng hat sich für höhere Aufgaben empfohlen.

Köln. Bis das Zeichen schließlich kommt, vergehen 15 Minuten. Nur selten sind es ein paar mehr. Dann fordern die Sicherheitskräfte beim Training der deutschen Nationalmannschaft die anwesenden Medienvertreter auf, das Übungsgelände doch bitte zu verlassen. Wenn die Spieler ihre Körper aufgewärmt haben und bereit sind zu trainieren, möchte Bundestrainer Joachim Löw nämlich allein sein. So auch gestern wieder, zwei Tage vor dem Testspiel morgen gegen Südafrika (20.45 Uhr/ZDF live).

Weder von Journalisten noch von den Anhängern, für die es jährlich nur zweimal ein öffentliches Training gibt, will sich Löw dabei beobachten lassen, mit welchen Übungen er das geeignete Personal für die Stammelf rekrutiert. Wie schwer sich diese Auswahl gestaltet, zeigen die vergangenen Monate. Seit der Europameisterschaft 2008 hat der Bundestrainer zum Beispiel bei der Besetzung der Innenverteidigung große Mühe, die richtige Lösung zu finden. Er sagt zwar, dass er auf dieser Position "keine großen Probleme" sieht. Dennoch hat er in den letzten zwölf Länderspielen sechs verschiedene Pärchen auf dieser Position probiert. Mit seiner Experimentierfreude sorgt er mitnichten für die nötige Stabilität.

Denn unabhängig davon, in welcher Konstellation die Kandidaten Per Mertesacker (24), Arne Friedrich (30), Serdar Tasci (22), Heiko Westermann (26) und Robert Huth (25) zusammengespielt haben - richtig überzeugen konnte dabei niemand. Die Anzahl der Gegentore, die die deutsche Elf in den letzten zwölf Partien kassiert hat, ist mit zehn zwar verhältnismäßig gering. Allerdings offenbarten die Innenverteidiger immer wieder Schwächen, wenn der Gegner im Ballbesitz war und es am Ende eines Angriffs zum direkten Zweikampf kam. So waren Stellungsfehler selbst beim 2:0 im August in Aserbaidschan nicht zu übersehen. Dort bildeten Mertesacker und Tasci das Verteidiger-Duo.

"Wir haben auf dieser Position derzeit keine festen Größen, bei denen man sich keine Sorgen machen muss. Dabei ist Stabilität gerade dort sehr wichtig", sagt Jürgen Kohler, früherer Innenverteidiger und Weltmeister von 1990. Denn im Zentrum, ergänzt TV-Experte Günter Netzer, würde sich alles abspielen und vieles zusammenlaufen. Kohler findet die Situation in der deutschen Abwehr zwar noch nicht "besorgniserregend". Aber ein rückläufiger Trend sei unverkennbar: "Wir haben uns seit der Weltmeisterschaft 2006 nicht genügend weiterentwickelt. Es wäre aber ungerecht, dies nur auf die Innenverteidiger zu beziehen."

Sowohl bei der WM 2006 als auch bei der EM 2008 bildeten Mertesacker und Christoph Metzelder das Duo in der Abwehr. Die Trainer vertrauten ihnen und gingen vor allem bei Metzelder damit ein hohes Risiko ein. Denn vor beiden Turnieren war der Spieler von Real Madrid, der 2006 noch in Dortmund unter Vertrag stand, lange Zeit verletzt und nicht immer erste Wahl. Bei der WM spielten beide hervorragend, bei der EM dagegen waren sie längst nicht mehr so sicher. Metzelders fehlende Spielpraxis war offensichtlich.

Seit nun schon mehr als einem Jahr ist der Wahlspanier keine Alternative mehr für Joachim Löw. Der Kontakt ist lose und wird erst wieder intensiviert, wenn Metzelder kontinuierlich bei Real zum Einsatz kommt. Sollte das auf kurz oder lang der Fall sein, hält Karl-Heinz Förster den 28-Jährigen nach wie vor für einen der besten Verteidiger Deutschlands. "Wenn er Spielpraxis hat, kannst du als Trainer nicht am Christoph vorbei", sagt der Europameister von 1980.

Auch ihm ist die fehlende Stabilität in der deutschen Innenverteidigung aufgefallen. Jedoch bricht Förster eine Lanze für Löws Kandidaten. "Die Abwehrarbeit beginnt schon im Mittelfeld. Und wenn da Fehler gemacht werden, siehst du hinten immer blöd aus. Die ganze deutsche Mannschaft muss sich steigern", sagt Förster, der allerdings auch zu bedenken gibt, dass die Position des Innenverteidigers in vielen Bundesligavereinen von Ausländern bekleidet wird. "Da hat der Bundestrainer keine große Auswahl." In der Bundesliga und der U 21 hat sich vor allem HSV-Verteidiger Jérome Boateng für höhere Aufgaben empfohlen.

Per Mertesacker, der in Bremen übrigens mit dem Brasilianer Naldo zusammenspielt, gibt sich vor dem Spiel gegen Südafrika dennoch zuversichtlich. Er kann die öffentliche Diskussion über eine "schwache und lasche deutsche Abwehr" nicht ganz nachvollziehen. "Es gibt natürlich immer etwas zu verbessern. Aber einen Grund zur Sorge sehe ich nicht." Bislang habe sich bei großen Turnieren immer ein gutes Innenverteidiger-Duo herauskristallisiert: "Und das wird auch diesmal klappen."

Erfahren Sie alle wichtigen Neuerungen und News rund um das Thema DFB und Nationalmannschaft im DFB SMS-Dienst des Hamburger Abendblatts.