Der Vorstand über die Identifikation mit dem Verein und die Weiterentwicklung des Klubs als Marke.

Abendblatt:

Frau Kraus, Fußball ist heute ein brutal kapitalistischer Ausscheidungskampf, fasziniert aber wie nie. Warum?

Katja Kraus:

Der kapitalistische Aspekt ist bei Anpfiff nicht mehr sichtbar. Ab diesem Moment ist es ein purer Wettkampf elf gegen elf, ein offenes Ergebnis, ein unvorhersehbarer Spielverlauf, das unmittelbare Erleben einer faszinierenden Sportart. All die Randaspekte, die unter der Woche dafür sorgen, dass der Fußball ein Gesprächsthema für die unterschiedlichsten Menschen ist, spielen für 90 Minuten keine Rolle mehr. Und in dieser Zeit gibt es auch ganz klare Grenzen, was die Vermarktbarkeit betrifft.

Abendblatt:

Wie erfolgsabhängig ist das Zugehörigkeitsgefühl zu einem Verein?

Kraus:

Erfolg ist nicht das einzige Kriterium. Die Bindung an einen Verein geht weit darüber hinaus. Betrachten Sie die letzte Saison. Natürlich wollten alle HSVer etwas gewinnen, aber alleine die Tatsache, dass man gemeinsam auf einen Moment, ein großes Spiel hinfiebert, gibt dem Ganzen eine unglaubliche Emotionalität. Dieses Gewinnen und Verlieren, Glück und Enttäuschung, diese Fallhöhe, ist etwas, was extrem verbindet. Wenn ein Verein dazu ein klares Profil hat und für andere Dinge steht, ist man auch ein Stück abgepuffert vom Ergebnis.

Abendblatt:

Seit einigen Jahren kümmern Sie sich ganz gezielt um die Weiterentwicklung des Klubs. Wofür steht H-S-V für Sie?

Kraus:

Der HSV ist eine Marke mit einer unglaublichen Kraft. Die Basis ist natürlich grandios mit der Tradition, den Erfolgen der Vergangenheit, den Protagonisten der HSV-Geschichte. Diese Vorlagen galt es zu nutzen und eine moderne Marke daraus zu gestalten. Wir wollen mehr sein als ein Fußballverein. Der HSV hat eine bedeutende Rolle in dieser Stadt, und es ist uns wichtig, Akzente außerhalb des Spielfeldes zu setzen. Deshalb haben wir zum Beispiel auch eine Initiative wie den Hamburger Weg gegründet, weil ein Fußballverein eine gesellschaftliche Verantwortung besitzt.

Abendblatt:

Was soll der HSV den Menschen denn vermitteln?

Kraus:

Verantwortungsbewusstsein, Achtsamkeit im Umgang mit den Menschen und mit den wichtigen Themen dieser Zeit. Immer mehr Menschen kommen zu uns, um den HSV zu unterstützen, auf die gleiche Art und Weise möchte der Verein die Menschen in der Stadt unterstützen. Viele junge Menschen orientieren sich daran, was unsere Spieler tun, was der Verein ausstrahlt. Deshalb haben wir auch eine große Vorbildfunktion. Um dieser Rolle gerecht zu werden, haben wir klare Regeln definiert. Zum Beispiel nehmen wir aktuelle, gesellschaftlich relevante Themen der Zeit wie den Umweltschutz auf. In Zukunft werden wir beispielsweise klimaneutral reisen. Oder wir schauen, wo wir in unserer Arena ökologisch besser agieren können als bislang. Wir wollen uns immer einen hohen Maßstab setzen - und ihn erreichen.

Abendblatt:

Wird bei der Identifikation mit dem Verein der einzelne Spieler immer unwichtiger?

Kraus:

Das glaube ich nicht. Das Bild und das Profil eines Vereins werden sehr stark geprägt von der Spielweise einer Mannschaft, der Philosophie auf dem Spielfeld und darüber hinaus. Aber vor allem auch von den handelnde Personen. Gerade Kinder werden sich weiter sehr stark an Helden orientieren. Für sie ist es häufig nicht mal mehr der Verein, zu dem sie sich bekennen, sondern die Spieler. Deshalb ist es wichtig, Fußballer mit einer gewissen Strahlkraft zu haben. Man braucht aber ebenso ein Gerüst von Spielern, die glaubwürdig für den Verein stehen und länger bleiben, weil sie sich mit dem Klub identifizieren. Auch wenn Uwe Seeler natürlich einzigartig ist und zu einer gänzlich anderen Zeit spielte, bleibt er doch das beste Beispiel dafür.