Der neue HSV-Trainer Labbadia spricht über ein prägendes Erlebnis, seine Bewunderung für den FC Barcelona und fanfreundliche Übungseinheiten.

Abendblatt: Herr Labbadia, wie lautet Ihr Fazit nach dem Trainingslager in Längenfeld?

Bruno Labbadia: Man merkt schon, dass die Spieler von den intensiven Einheiten ganz schön geschafft sind. Aber alles, was wir uns vorgenommen haben, konnten wir auch umsetzen. Und obwohl es für alle sehr anstrengend war, hat es trotzdem auch Spaß gemacht. Ich bin auf jeden Fall zufrieden.

Abendblatt: Auch die meisten Ihrer Profis scheinen sehr zufrieden. Sind Sie nach dem turbulenten Sommer nicht über die neue "HSV-Glückseligkeit" überrascht?

Labbadia: Eigentlich nicht. Entscheidend ist doch, dass wir uns in den etwas hektischen Phasen nur auf das Wesentliche konzentrieren. Wir haben von Anfang an versucht, alle Nebengeräusche von der Mannschaft fernzuhalten. Und ich glaube, das ist uns ganz gut gelungen.

Abendblatt: Haben Sie sich bereits auf ein taktisches System festgelegt?

Labbadia: Ich will mich nicht auf ein einziges Spielsystem festlegen. Aber unsere taktischen Überlegungen basieren auf einem 4-4-2, aus dem dann wahlweise ein 4-3-3 oder ein 4-1-3-2 werden kann. Wir müssen taktisch variabel bleiben.

Abendblatt: Viele Spieler waren von den vielen taktischen Einheiten überrascht. Sind Sie ein Taktik-Fuchs?

Labbadia: Es stimmt, dass mir taktisches Training wichtig ist. Das ist ein laufender Prozess. Ich kann den Jungs ja nicht während des Trainingslagers die ganze Welt in zwei oder drei Einheiten erklären und danach nichts mehr machen. Wir werden also permanent an unseren verschiedenen Spielsystemen feilen.

Abendblatt: Piotr Trochowski hat im Abendblatt-Interview kritisiert, dass taktisches Training in der vergangenen Saison zu kurz gekommen sei.

Labbadia: Da muss ich meinen Vorgänger Martin Jol ein wenig in Schutz nehmen. Der HSV hatte im vergangenen halben Jahr ja fast nur englische Wochen.

Abendblatt: Aber auch Sie wollen mit dem HSV möglichst viele englische Wochen bestreiten. Werden Sie Ihr Systemtraining dann trotzdem durchziehen?

Labbadia: Das habe ich zumindest vor. Wir müssen uns als Team permanent weiterentwickeln. Mir ist das sehr wichtig.

Abendblatt: Woher kommt ihre Taktik-Begeisterung?

Labbadia: Es gab eine prägende Partie, an die ich mich sehr gerne erinnere: Olympique Marseille gegen den AC Mailand im Europapokalfinale 1993 in München. Das Finale endete 1:0 für Marseille durch ein Tor von Boli, und die meisten im Stadion fanden das Spiel ziemlich langweilig. Ich dagegen war begeistert von der taktischen Disziplin, mit der beide Mannschaften zu Werke gingen. Ich hatte einen tollen Platz auf der Tribüne, konnte das gesamte Spielfeld gut überblicken. Und diese Disziplin, die beide Teams auszeichnete, war schon beeindruckend.

Abendblatt: Haben Sie Ähnliches später noch mal erlebt?

Labbadia: Ich bin auch fasziniert von Barcelonas taktischer Disziplin. Alle schwärmen immer davon, wie stark das Team in der Offensive ist. Dabei vergessen die meisten, dass Barcelonas Erfolg nur deswegen möglich ist, weil auch die Stürmer sich ganz genau an die taktischen Vorgaben des Trainers halten.

Abendblatt: Barcelona hat in der vergangenen Saison das Triple geholt. Was ist mit Ihren Spielern im kommenden Jahr möglich?

Labbadia: Auch wir haben jede Menge Qualität in der Mannschaft. Die Achse mit Rost, Mathijsen, Jarolim, Trochowski und Petric steht, dazu wird wohl auch Zé Roberto noch stoßen. Außerdem haben wir starke junge Spieler in der Hinterhand. Jetzt wollen wir noch etwas breiter aufgestellt sein, so dass sich der Konkurrenzkampf im Team noch weiter verstärkt. Ich bin jedenfalls sehr zuversichtlich.

Abendblatt: Dürfen auch die Fans zuversichtlich sein, dass das Training weiterhin offen zugänglich sein wird?

Labbadia: Ich habe nicht vor, daran etwas zu ändern. Natürlich kann es mal die Situation geben, dass wir geheime Standards einstudieren wollen. Dann werden wir in Ausnahmefällen im Stadion trainieren. Aber generell sollen die Fans selbstverständlich gerne weiter zum Training kommen.

Abendblatt: Selbst in Längenfeld waren durchschnittlich 200 Fans dabei. Stören Sie die Massen gar nicht?

Labbadia: Nein. Wir wollen unseren Anhängern einen Service bieten. Solange uns die Zuschauer konzentriert arbeiten lassen, sehe ich keinen Grund, hinter verschlossenen Türen zu trainieren. Ich glaube, dass sich alle Fans auf die kommende Saison freuen. Und ich freue mich auch.

Interview: Kai Schiller

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