HSV-Mittelfeldmann Piotr Trochowski spricht über Parallelen zwischen Bundestrainer Löw und Labbadia - und er fordert weitere Verstärkungen.

Abendblatt: Herr Trochowski, das Sommer-Trainingslager des HSV in Österreich ist fast vorbei. Sind Sie froh, bald wieder in Hamburg zu sein?

Piotr Trochowski: Sehr sogar. Das Hotel und die Bedingungen hier in Längenfeld waren zwar optimal, aber nach so einem intensiven Trainingslager freut sich jeder Spieler wieder auf sein eigenes Bett, auf Hamburg und auf die Familie.

Abendblatt: Waren Sie nicht auch überrascht, dass Bruno Labbadia anders als die meisten Bundesliga-Trainer auf schweißtreibende Läufe verzichtete?

Trochowski: Ich war positiv überrascht. Kein Spieler mag gerne stumpf im Wald laufen gehen. Die nötige Kondition holen wir uns trotzdem durch das intensive Training auf dem Platz. Wir machen besonders viel im Intervallbereich, sind pausenlos in Bewegung. Von außen unterschätzt man schnell, wie anstrengend Labbadias Training wirklich ist. Ich bin jedenfalls nach jeder Einheit ausgepowert.

Abendblatt: Hatten Sie zuvor schon mal einen Trainer, der so viel Wert auf taktisches Training wie Labbadia legt?

Trochowski: So extrem nicht. Nur Bundestrainer Joachim Löw ist taktisches Training ähnlich wichtig wie Labbadia. Und ich finde das auch richtig. Er hat das Ziel, offensiven Fußball spielen zu lassen. Deswegen übt er mit uns immer wieder die notwendigen Laufwege ein. Und ich merke immer mehr, dass wir großen Nachholbedarf haben.

Abendblatt: Meinen Sie, dass der HSV kein Konditions-, sondern ein Taktikproblem unter Labbadias Vorgänger Martin Jol hatte?

Trochowski: Wir hatten jedenfalls kein Kraftproblem. Durch eine eingeübte Raumaufteilung kann man im Spiel viel kompensieren. Das sind Automatismen, die man einstudieren muss. Aber ich hatte am Ende das Gefühl, dass bei uns keiner mehr genau wusste, wo er hinzulaufen hatte.

Abendblatt: Sind Sie so gesehen erleichtert, dass Labbadia Jol als Trainer abgelöst hat?

Trochowski: Was heißt erleichtert? Spieler kommen und gehen im heutigen Fußball, und genauso ist das mit Trainern. Ich hatte vier verschiedene Trainer in viereinhalb Jahren beim HSV. Das ist schon ein bisschen zu viel. Wenn man im Verein eine langfristige Philosophie durchsetzen möchte, wäre es von Vorteil, auf eine gewisse Konstanz auf den verantwortlichen Posten zu setzen. Es wäre also schön, wenn Labbadia etwas länger in Hamburg bleiben würde als seine Vorgänger.

Abendblatt: Nach dem Ende der vergangenen Saison haben Sie die fehlende Wertschätzung unter Jol kritisiert ...

Trochowski: Nein. Ich habe generell die fehlende Wertschätzung im Verein kritisiert. Ich bin jetzt seit viereinhalb Jahren beim HSV, bin einer der dienstältesten Spieler. Ich kenne den Verein, bin hier zum Nationalspieler geworden. Daher meine ich, auch mal Kritik ausüben zu dürfen.

Abendblatt: Ihre Kritik hat heftige Reaktionen ausgelöst.

Trochowski: Wenn man sich gerade nicht ganz wohlfühlt, dann sollte man das auch sagen dürfen. Aber es ist doch normal, dass nicht jedem meine Kritik gefallen hat. Manchmal ist es vielleicht ja auch produktiv, wenn man sich ein wenig reibt.

Abendblatt: Ihnen wurde eine empfindliche Geldstrafe angedroht. Mussten Sie schon zahlen?

Trochowski: Nein.

Abendblatt: Sind Sie ein Spieler, der generell viel Zuspruch benötigt?

Trochowski: Ich brauche nicht nur Schulterklopfer. Jeder freut sich natürlich über Komplimente und aufbauende Worte. Aber genauso wichtig ist auch konstruktive Kritik. Die Mischung muss stimmen, wenn man aus einem Spieler die bestmögliche Leistung herauskitzeln will.

Abendblatt: Fühlen Sie sich vom neuen Trainer Bruno Labbadia wieder wertgeschätzt?

Trochowski: Er gibt mir das Gefühl, ein wichtiger Spieler zu sein. Das ist mir wichtig.

Abendblatt: Laut Labbadia sollte Ihr Ziel nicht nur die WM-Teilnahme in Südafrika sein, sondern ein Stammplatz im Nationalteam. Hat er recht?

Trochowski (lacht): Soll ich jetzt mit Nein antworten? Natürlich will ich bei der Weltmeisterschaft eine wichtige Rolle spielen. Ich habe letzte Saison meine Leistung gebracht, und wenn ich diese Leistung auch in diesem Jahr bringe, dann schaue ich der WM recht zuversichtlich entgegen.

Abendblatt: Wie zuversichtlich schauen Sie der Bundesligasaison mit dem HSV entgegen?

Trochowski: Ich bin optimistisch, dass wir in diesem Jahr etwas erreichen. Mit Zé Roberto haben wir einen sehr erfahrenen Spieler dazubekommen, Eljero Elia und Roberto Tesche sind große Talente. Um aber unsere Ziele in der neuen Saison zu erreichen, brauchen wir noch die eine oder andere Verstärkung. Die anderen Vereine schlafen ja schließlich auch nicht.

Abendblatt: Verfolgen Sie eigentlich, was in Ihrem Verein auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung am Montagabend diskutiert wird?

Trochowski: Natürlich interessiert mich das. Es ist einiges in der Sommerpause passiert, und deswegen wollen die Mitglieder nun Antworten auf ihre Fragen haben. Das ist ihr gutes Recht.

Abendblatt: Wie bewerten Sie den turbulenten HSV-Sommer mit Martin Jols Wechsel zu Ajax und dann Dietmar Beiersdorfers Aus als Sportchef?

Trochowski: Für uns Spieler waren das sehr überraschende Entscheidungen. Von Jols Wechsel zu Amsterdam habe ich auf der Asienreise der Nationalmannschaft durch DFB-Mediendirektor Harald Stenger erfahren. Ich konnte es erst gar nicht glauben, als Harald mir sagte, dass Jol zu Ajax geht. Und auch Dietmar Beiersdorfers Aus als Sportchef war überraschend, für mich wie für die Mitglieder. Vielleicht bekommen sie auf der Versammlung ja eine schlüssige Erklärung.

Interview: Kai Schiller