Nach den sechs Billig-Verpflichtungen im Winter kann der Bundesligist ohne die Einnahmen aus der neuen Europa League nur begrenzt auf dem Transfermarkt tätig werden.

Hamburg. Kaum jemand im Team des HSV ist so ein Sprachkünstler wie Mittelfeldmann Mickael Tavares. Der gebürtige Franzose spricht fließend portugiesisch, englisch und französisch, mit Abstrichen sogar deutsch und tschechisch. Und obwohl der polyglotte Fußballer, der im Januar für 1,5 Millionen Euro von Sparta Prag verpflichtet wurde, die deutsche Sprache noch nicht perfekt beherrscht, hat er die geballte Kritik der letzten Tage, der HSV habe im Winter nur Masse statt Klasse gekauft, durchaus mitbekommen. "Natürlich ist es nicht schön, als Betroffener so etwas zu hören. Wir sind eine Gruppe, da ist nicht einer an der Misere schuld, sondern alle", beantwortet Tavares die Frage, ob es ihn traurig gemacht hätte, dass sogar Kollegen die billigen Wintertransfers kritisierten.

Nach dem verlorenen Heimspiel gegen Köln hatten sowohl Marcel Jansen als auch Ivica Olic angemahnt, dass der HSV mit den sechs Transfer-Schnäppchen (Tavares, Marcel Ndjeng, Albert Streit, Khalid Sinouh, Tomas Rincon und Michael Gravgaard), die zusammen fünf Millionen Euro Ablöse, Leihgebühren, Beraterhonorare und Gehälter gekostet haben, den Kader nur quantitativ, nach den Verkäufen von Nigel de Jong, Thiago Neves, Vincent Kompany und Rafael van der Vaart nicht aber qualitativ ergänzt habe. Olic sprach sogar davon, dass so der Titel verkauft wurde. Eine Aussage, die der bis zum Saisonende aus Nantes ausgeliehene Gravgaard verstehen kann: "Es ist normal, dass nun nach Gründen für das Versagen gesucht wird. Ich fühle mich da persönlich nicht angegriffen."

Dietmar Beiersdorfer darf sich dagegen sehr wohl angesprochen fühlen. Der Sportchef entschied gemeinsam mit Vorstandschef Bernd Hoffmann, nach dem Transfer Nigel de Jongs, für den die Hamburger abzüglich der Provisionszahlungen "nur" 17 Millionen Euro von Manchester City kassierten, aus Kostengründen keinen gleichwertigen Ersatz zu verpflichten, da Spieler im Winter teurer als im Sommer seien. Außerdem, so argumentierten die HSV-Verantwortlichen, habe der Verein diese Saison ohnehin so viel Geld ausgegeben wie nie zuvor. So erfuhr das Abendblatt, dass sich die Transferausgaben in diesem Jahr auf 34,3 Millionen Euro belaufen.

Diese Summe wird so schnell nicht wieder zur Verfügung stehen. Für die kommende Saison können dank der 50,3 Millionen Euro Transfererlöse (abzüglich der Gehaltserhöhungen sowie der Gehälter für die Leihspieler für die Rückrunde) nur elf Millionen Euro für Verstärkungen ausgegeben werden - sollte die Europa League verpasst werden.

Wenige Tage vor dem letzten Spiel gegen Eintracht Frankfurt ist klar, dass der Saisonausgang die Planungen für die kommende Saison maßgeblich beeinflussen wird. Die Hamburger, die sich bis auf den aktuell 21. Rang in der Uefa-Klubrangliste gespielt haben und in der Ausgangswertung für 2010 (das Ergebnis der Saison 2004/05 wird gestrichen) sogar auf den 13. Rang vorrücken werden, müssten etwa fünf Millionen Euro eingeplante Einnahmen anderweitig erwirtschaften. Bei den aktuell nahezu in allen Bereichen am Limit befindlichen Verkaufszahlen ein schwieriges Unterfangen. "Wir sind auf den internationalen Wettbewerb ausgerichtet, aber wir bleiben auf jeden Fall handlungsfähig", versuchte Hoffmann unlängst im Gespräch mit dem Abendblatt trotz der aktuellen Weltuntergangsstimmung positiv in die Zukunft zu schauen. Doch sollte der internationale Wettbewerb wirklich verpasst werden, dürfte der HSV - wie bereits im Winter - auch in der Zukunft auf günstige Spieler setzten. Und um das zu verstehen, muss man kein Sprachgenie sein, sondern muss nur das kleine Einmaleins der Mathematik anwenden können.