Supporters-Führung kritisiert die Vorstandsstrukturen und fehlende sportliche Kompetenz

Hamburg. Für einige VIPs hatte sich der HSV in dieser Saison einen ganz besonderen Titel verdient: "HSV - Meister der Schmerzen", stand über der Loge 45 geschrieben, verbunden mit Wünschen nach guter Besserung für 2010/11. Nach den verpassten Saisonzielen der Hamburger war dieses feinsinnige Plakat noch die harmloseste Verlautbarung an diesem Nachmittag. Der Zorn vieler Fans richtete sich vor allem gegen eine einzelne Person: den HSV-Vorsitzenden Bernd Hoffmann.

"Stets die Schuld bei anderen suchen, um eigene zu vertuschen - Hoffmann raus" und "Hoffe, die Richtigen werden gehen", war auf Transparenten zu lesen. Bereits handgestoppte 15 Sekunden nach dem Anpfiff hallten zudem "Hoffmann-raus"-Rufe durch das Stadion, initiiert von der Ultra-Gruppierung "Chosen Few", die zusammen mit den Ultras von "Poptown" seit Jahren für die lautstarke Unterstützung der Mannschaft sorgt.

Wie geteilt die Fans - auch auf den Stehplätzen - in der Beurteilung der Arbeit des HSV-Chefs sind, zeigte sich, als zunehmend Pfiffe auf die immer wiederkehrenden "Hoffmann-raus"-Rufe folgten. In der zweiten Halbzeit kam es sogar zu einer kurzen Schlägerei zwischen HSV-Anhängern - das gab es zuletzt nach dem Saisonfinale 1997 in Düsseldorf. So gereizt war die Atmosphäre bei einem 4:0 wohl noch nie.

"Es herrscht eine große Unzufriedenheit über die aktuellen Strukturen des Vorstands. Mir persönlich geht es nicht darum, eine Personaldiskussion über Bernd Hoffmann zu eröffnen, es fehlt an sportlicher Kompetenz. Wir brauchen einen Sportdirektor im Vorstand", analysierte Ralf Bednarek, der Vorsitzende der Supporters, den Hintergrund der Fanproteste.

Wie sehr die Ereignisse in der Vergangenheit die Vorbehalte von Teilen der Fans geprägt haben, beweist eine andere Aussage Bednareks: "Wer Macht an sich reißt, muss auch Kritik abkönnen." Eine Anspielung auf den freiwilligen Rückzug von Dietmar Beiersdorfer und Christian Reichert aus dem Vorstand sowie den Führungsanspruch Hoffmanns auch in sportlichen Dingen.

Zudem treibt die Fans die Sorge um, dass mit Urs Siegenthaler die Lücke, die Beiersdorfer als Sportchef hinterlassen habe, auch in der neuen Saison nicht geschlossen werde, da der Schweizer vor allem mit konzeptionellen Dingen (Nachwuchs, Scouting) beschäftigt sein werde und ohne Sitz im Vorstand keinen sportlichen "Gegenpol" (Bednarek) zu Hoffmann bilden könne.

"Die Raus-Rufe tun weh, aber die Emotionen sind nachvollziehbar nach dieser verkorksten Rückrunde", sagte Hoffmann, "außerdem trage ich die Verantwortung für die Entscheidung, die einige Gruppen nicht nachvollziehen möchten, die mir grundsätzlich kritisch gegenüberstehen."

Sich in sportlichen Belangen künftig wieder etwas zurückzunehmen ist für Hoffmann allerdings keine Option, schließlich trage er die Gesamtverantwortung: "Die Diskussion ist auch schon im Sommer geführt worden, als Dietmar Beiersdorfer ging. Davon wird sie auch nicht wahrer."