Gestern bezog die Frauennationalmannschaft in Berlin ihr erstes WM-Quartier. Vertrag der Bundestrainerin vorzeitig bis 2016 verlängert.

Berlin. Sie hatte sich eigentlich nur eine Sache vorgenommen. Neun Loch zu gehen, auf einem Golfplatz in der Nähe ihres Heimatortes Wilnsdorf. Silvia Neid braucht diese Momente manchmal. Ein paar Stunden, in denen sie ungestört ist. Den Kopf frei bekommt und abschaltet. Doch am vergangenen Wochenende wollte es der Bundestrainerin nicht recht gelingen. Das war hauptsächlich dem schlechten Wetter geschuldet, der bevorstehenden Weltmeisterschaft - und nicht zuletzt einer Offerte. Um drei weitere Jahre sollte ihr laufender Vertrag mit dem DFB vorzeitig verlängert werden. So wollte es Präsident Theo Zwanziger, so wollte es auch Silvia Neid.

"Ich habe schon 'Ja' gesagt, da musste ich nicht lange überlegen. Schließlich darf ich den schönsten Job ausüben", teilte die Bundestrainerin gestern auf einer ersten Pressekonferenz in Berlin mit. Kurz und knapp bestätigte sie damit ein Angebot, das vor Beginn der Frauen-Weltmeisterschaft am Sonntag als besondere Form der Anerkennung ihrer Arbeit verstanden werden darf. Weitaus umfassender, ebenfalls dem Naturell entsprechend, äußerte sich derweil Theo Zwanziger. "Silvia Neid hat in den vergangenen Jahren Ausgezeichnetes geleistet und genießt von Beginn an unser absolutes Vertrauen", lobte er. Mit der Vertragsverlängerung wolle der DFB ihr und dem Team bereits vor der WM signalisieren, wie überzeugt man von der 47-Jährigen sei - unabhängig vom Ausgang des Turniers. Vorschusslorbeeren, die sich die Bundestrainerin nicht erst seit ihrem Amtsantritt 2005 verdient hat.

Bei allen deutschen Titelgewinnen der Frauen, den sieben EM-Siegen und den zwei WM-Triumphen, war Neid entweder als Spielerin, als Co-, oder Cheftrainerin beteiligt. Eine eindrucksvolle, eine makellose Bilanz, die sie selbst gern mit einem dritten Weltmeistertitel krönen möchte. Noch, sagte sie gestern, sei sie "ganz relaxed". Das Kribbeln aber komme sicherlich noch. Hier, in der Hauptstadt, in die sie gestern Mittag per Flieger mit ihren 21 Spielerinnen reiste. Wo ihnen der letzte Feinschliff verpasst werden soll. Im Grand Hotel Esplanade, nahe am Tiergarten gelegen, bezog das Team seine Zimmer. Im Stadion am Wurfplatz auf dem Olympiagelände, in dem sonst die Amateure des Bundesligaaufsteigers Hertha BSC ihre Heimspiele bestreiten, sollen laut der Trainerin täglich rund eine Stunde "Schnelligkeit, Angriffsspiel und Standards" im Fokus stehen. Am gestrigen Nachmittag, wenige Stunden nach der Ankunft und einem gemeinsamen Kaffeetrinken mit Theo Zwanziger, konnten sich die Fans bei einem öffentlichen Training ein eigenes Bild über den Fitnesszustand der Nationalspielerinnen nach der viertägigen Pause machen. Rund 1000 Zuschauer kamen vorbei, spendeten reichlich Applaus und versprühten vereinzelt mit ihren Nationaltrikots und Schwarz-Rot-Goldenen-Fähnchen eine erste Prise WM-Atmosphäre, von der die Hauptstadt ansonsten weit entfernt scheint.

Die folgenden, vor Publikum abgeschirmten Einheiten sollen nur der Trainerin Aufschluss geben - über die Startformation für die Auftaktpartie gegen Kanada. Erst am Sonntag wolle sie diese ihren Spielerinnen endgültig bekannt geben. Im Vertrauen auf "Bauch-, und Taktikgefühl".

Während die Defensive um Linda Bresonik und Annike Krahn weitgehend gesetzt sein dürfte, müssen besonders die Offensivkräfte wie Fanliebling Fatmire Bajramaj oder Melanie Behringer, und selbst Spielführerin Birgit Prinz, die zuletzt vom treffsicheren Nachwuchs unter Druck gesetzt worden ist, um die Gunst ihrer Trainerin buhlen, ein letztes Mal, nach zehn intensiven Wochen mit Lehrgängen und Testspielen. Leichtfertig, sagt Neid, gingen sie nicht in das Turnier. Ohne Frage, etwas Lampenfieber gehöre dazu. Wie bei einer jeden Premiere. Ansonsten sei von flatternden Nerven weder bei ihr, noch bei ihren Spielerinnen etwas zu spüren. Der Teampsychologe, ließ sie wissen, werde in den nächsten Tagen nicht verstärkt zum Einsatz kommen. "Wir haben durchaus Respekt vor unseren Gegnern", sagt Neid. "Aber bestimmt keine Angst."

Die müssen sie nach Meinung von Theo Zwanziger ohnehin nicht haben. "Ihr seid gut vorbereitet. Doch ein bisschen Glück gehört ja meist trotzdem dazu", sagte der Präsident. Er selbst will seinen Teil dazu beitragen, dass es nicht an der nötigen Fortune mangelt - mit einem Talisman, den er bei der WM 2007 von einem chinesischen Taxifahrer geschenkt bekommen habe. Und mit seiner Anwesenheit im Stadion. "Ich bin ein großer Fan dieser Mannschaft." Die Huldigungen des DFB-Oberen wollten an diesem Tag nicht enden.

Nur bei der Anreise wurde Zwanziger seinem Ruf als Gentleman nicht gerecht. "Von wegen Frauenversteher", sagte Silvia Neid mit genussvollem Grinsen über den leicht errötenden DFB-Präsidenten. Am Gepäckband habe er gestanden und sein Warten auf die Bundestrainerin genervt mit den Worten "Ihr Frauen immer mit euren Koffern" kommentiert. Allerdings kann es auch ihr nicht schnell genug gehen. "Am liebsten würde ich die Zeit vordrehen." Aber nur bis Sonntag. Danach genieße sie jede einzelne Sekunde.