Der frühere HSV-Profi spricht über die Chancen seines Nationalteams. Das Spiel gegen Russland ist schon “die halbe Miete“, sagt er.

Hamburg. Einer Meinung sind sie nicht allzu oft. Besonders dann nicht, wenn es um ihr Liebstes geht, den Fußball. Diesmal schon. "Wir sind uns alle einig, dass das Spiel gegen Russland die halbe Miete bedeuten kann", sagt David Jarolim. Der Ex-HSV-Profi weilt mit seinem Vater Karel, dem Trainer des tschechischen Erstligisten Slovan Bratislava, in Kroatien im Familienurlaub. Noch vor dem Anpfiff des ersten EM-Spiels ihrer Tschechen wird zudem David Jarolims Bruder Lukas, Profi bei Slavia Prag, samt seiner Familie hinzustoßen. "Für unsere Frauen wird es unmöglich sein, uns vom Thema Fußball zu lösen. Das ist eigentlich immer so bei unseren Familientreffen. Wir diskutieren schon viel, auch wenn alle Fußballexperten aus dem Hause Jarolim mal einer Meinung sind", so Jarolim.

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Skeptisch sind sie. Zu schwach waren die Auftritte der tschechischen Elf in der Qualifikation und vor allem zuletzt im Test gegen Ungarn. Das Spiel wurde in Prag, der Heimat der Jarolims, überraschend mit 1:2 verloren. "Die Fans sind zwar optimistisch, die Medien und wir aber eher skeptisch. Denn ehrlich gesagt hatten wir seit Beginn der EM-Qualifikation nur zwei gute Spiele - die Relegationsspiele gegen Serbien-Montenegro. Ansonsten war nie erkennbar, wie und was die Mannschaft spielen will", kritisiert der ehemalige HSV-Kapitän, der den Erfolg der Tschechen an einer Person festmacht: Tomas Rosicky.

Der ehemalige Dortmund-Profi hatte zuletzt muskuläre Probleme und musste pausieren. "Er ist mit Sicherheit der wichtigste Spieler in unserem Team", sagt Jarolim, "er gibt der Mannschaft die Impulse, er sorgt für Kompaktheit im Mittelfeld und für die entscheidenden Momente im tschechischen Spiel. Er lenkt das Mittelfeld, wo wir unsere Stärken haben." Skeptisch ist Jarolim aber dennoch, weil dem Spielmacher die nötige Praxis fehlt. "Gegen Russland soll er fit sein, habe ich gehört", sagt Jarolim und hofft: "Wenn dem so ist, haben wir eine realistische Chance. Ansonsten wird es hart gegen die Russen, die uns technisch überlegen sind und im Kader die höhere Qualität haben", glaubt er.

Obwohl er durchaus die Qualitäten im eigenen Team sieht. Dass die Tschechen taktisch abgeklärter und insgesamt deutlich disziplinierter sind, sei klar. "Wir sind mannschaftlich geschlossener. Bei uns bekommt sicher niemand vor der Halbzeit eine Rote Karte", sagt der 29-fache tschechische Nationalspieler und setzt neben Rosicky auf zwei Namen, die international eher unbekannt sind, denen er aber den großen Durchbruch bei dieser EM zutraut. "Hinten rechts haben wir einen der besten Verteidiger in Europa", schwärmt Jarolim von Theodor Gebre Selassie. Der 25-jährige Defensivmann von Slovan Liberec sei ebenso wie der 26-jährige Wolfsburg-Profi Petr Jiracek einer der großen Hoffnungsträger bei den Tschechen. "Beide können zu großen Überraschungen im Turnier werden und uns maßgeblich helfen. Denn so sehr ich auf das Viertelfinale hoffe, sehe ich neben den Russen auch Polen in unserer Gruppe vor uns. Ich glaube sogar, dass die Polen der Geheimfavorit des gesamten Turniers sind." Nur gut, dass Tschechien erst im dritten und letzten Gruppenspiel auf den EM-Gastgeber trifft. Jarolims Hoffnung: "So können wir vorher gegen Russland und dann Griechenland alles klar machen." Wer Europameister wird? "Wenn wir es nicht machen von mir aus Deutschland. Auch Spanien, Frankreich, Polen und die Niederlande können es schaffen. Es ist endlich mal wieder ein qualitativ richtig starkes, spannendes Turnier mit vielen Titelkandidaten."