Die Fans im Gastgeberland trauen ihrem Team um die Dortmunder Lewandowski, Blaszczykowski und Piszczek den Viertelfinaleinzug zu.

Warschau. Ausnahmsweise wird mit Griechenland mal was Gutes verbunden, die EM macht es möglich. In der Mannschaft des polnischen Mit-Gastgebers malen sie sich jedenfalls aus, es den Hellenen gleichtun zu können. Wie 2004 in Portugal also, als die Griechen erst als großer Außenseiter ins Turnier gestartet waren und am Ende als großer Überraschungssieger dastanden. "Wir können es wie sie schaffen. Das ist mein großer Traum", sagt Stürmer Jakub Blaszczykowski vom deutschen Meister Borussia Dortmund.

Nun trifft es sich, dass just die Griechen der polnischen Mannschaft am heutigen Freitag (18 Uhr, ARD und im Liveticker auf abendblatt.de) zum Auftakt dieser Europameisterschaft als Gegner gegenüberstehen. In Warschau steigt die große Eröffnungszeremonie. Nicht so gut ist zwar, dass sich die Griechen als Partyschreck aufspielen wollen. "Wir haben es 2004 schon mal einem Gastgeber versaut. Ich denke, dass wir es wieder tun werden", sagte etwa Verteidiger Giorgos Tzavellas. Portugal verlor damals das Eröffnungsspiel wie auch das Finale gegen die von Otto Rehhagel trainierten Griechen.

BVB-Star Lewandowski: "Das ist die Chance unseres Lebens"

Doch in Polen glaubt kaum einer, dass es gleich zu Beginn schon schiefgehen könnte. So gab Ministerpräsident Donald Tusk der Mannschaft bei seiner Stippvisite sogar mit auf den Weg, er glaube an ein 4:0 oder 5:0: "Sicher ist für mich aber, dass wir 1:0 gewinnen." Das spiegelt ganz gut die Erwartungshaltung wider, die das Land seiner Nationalmannschaft aufbürdet. Seit 1986 hat Polen bei Welt- oder Europameisterschaften zwar nicht mehr die Gruppenphase überstanden. In der Weltrangliste steht das Team sogar 47 Plätze (Rang 62) schlechter da als Griechenland (15). Keine Mannschaft bei dieser EM ist weiter hinten gelistet.

Dennoch setzt laut einer Umfrage die Hälfte aller Polen darauf, dass ihre Mannschaft mühelos ins Viertelfinale vordringt. Bei einer Erhebung der polnischen Zeitung "Fakt" kam gar heraus, dass 28 Prozent fest mit dem Titelgewinn rechnen. Das vermeintliche Losglück, dass die vergleichsweise leichten Gruppengegner Russland, Tschechien und eben Griechenland bescherte, schürt trotz chronischer Erfolglosigkeit die Euphorie. "Seit der Auslosung ist sie quasi grenzenlos, das spüren wir", sagt Blaszczykowski.

Die Hoffnungen ruhen dabei auf dem polnischen Trio von Meister Dortmund. Neben Blaszczykowski sind das Torjäger Robert Lewandowski und Defensivspieler Lukasz Piszczek. "Sie sind das Skelett unserer Mannschaft", sagt Trainer Franciszek Smuda. Lewandowski merkte bereits vorsichtig an, dass er "großen Druck" verspüre, dennoch halte er sein Team "für so etwas wie einen gefährlichen Außenseiter. Das Turnier ist für uns alle die Chance unseres Lebens. Ganz Polen wird davon profitieren."

Piszczek bremste die Erwartungen. Der BVB sei eine ganz andere Hausnummer als die polnische Mannschaft, sagte er. Dennoch wird von den dreien Großes erwartet, die Stars in Bringschuld sind klar ausgemacht. Das Foto von Nationalmannschaftskapitän Blaszczykowski, natürlich jubelnd in Siegerpose, ist wie zur Mahnung auf der kompletten Front eines etwa 60 Meter hohen Bürohauses im Zentrum von Warschau zu sehen.

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Ohnehin hat Trainer Smuda einen Hang zu Legionären, insbesondere aus der Bundesliga. So wird er aller Voraussicht nach Sebastian Boenisch von Werder Bremen links in der Abwehr gegen die Griechen beginnen lassen, obwohl der sich seit zwei Jahren mit Verletzungen herumplagt und in der vergangenen Saison nur auf 122 Minuten Spielzeit kam. Auch der Mainzer Eugen Polanski wird wohl im Mittelfeld zum Zuge kommen und Routinier Dariusz Dudka verdrängen. In Polen elf gute Spieler zu finden, sei nicht leicht, verteidigte sich Smuda. Nicht einmal von Meister Slask Breslau hat er einen Spieler berufen.

Weil Boenisch und Polanski bereits für deutsche Junioren-Nationalmannschaften gespielt haben und es noch einige andere im Team gibt, die zunächst bei anderen Nationen den Durchbruch in die Nationalelf schaffen wollten, hat eine hitzig geführte Diskussion über die Qualität des Teams die bis dahin reibungslos verlaufene EM-Vorbereitung kurz vor dem Turnierauftakt gestört. "Das ist keine typische polnische Mannschaft mehr, sondern der Mülleimer Europas", schlägt die polnische Torwartlegende Jan Tomaszewski, 64, arg nationalistische Töne an. Polanski und Boenisch nannte er "gefärbte Füchse", weil sie einst das deutsche Trikot trugen. Aus Verärgerung darüber will es Tomaszewski bei dieser EM mit den Deutschen halten. Die hätten mit Lukas Podolski und Miroslav Klose "wenigstens richtige Polen statt eingefärbte in ihren Reihen".

Die größte Sorge der Organisatoren ist, dass sich die berüchtigten Hooligans auf ihrer Heimatbühne danebenbenehmen werden. Dass sie das Eröffnungsspiel stören könnten, ist wegen der scharfen Sicherheitsvorkehrungen rund um die Arena fast ausgeschlossen. "Was uns am meisten besorgt, ist das Verhalten der Fans auf öffentlichen Plätzen und in den Fan-Zonen", sagte Jacek Zalewski, Sprecher des Innenministeriums.