Nach dem 0:1 gegen Spanien muss es im deutschen Team einige personelle Veränderungen geben - die Qualität reicht einfach nicht aus.

Wien. "Die Spanier haben einen technisch hervorragenden Fußball gespielt, sie haben eine hohe Qualität insgesamt bei diesem Turnier erreicht, sie hatten viel mehr Chancen als wir - ihr Sieg ist in Ordnung", lobte Joachim Löw den neuen Europameister. Ein Lob, das der Bundestrainer sicher auch gerne über seine Mannschaft gehört hätte, aber das kam von keiner Seite. Deshalb lobte Löw sein Team selbst: "Wir können mit dieser EM insgesamt sehr zufrieden sein, die Mannschaft hat Großartiges geleistet. Wir hatten sehr viel Spaß, Freude und großen Ehrgeiz, dazu einen sehr respektvollen Umgang miteinander. Das muss man auch mal lobend erwähnen."

Aber: Die deutsche Mannschaft war gegen Spanien chancenlos, obwohl sie nur 0:1 unterlag. Sie war aber spielerisch um Klassen schlechter, und das war - vor allem für die neutralen Beobachter - die eigentliche Überraschung. Deutschland schoss in 90 Minuten viermal auf das Tor der Spanier, aber nur ein Schuss (Thomas Hitzlsperger) musste gehalten werden - fast eine harmlose Rückgabe, zählte aber für diese ernüchternde Statistik.

Vielleicht auch deshalb wagte "Jogi" Löw eine Stunde nach der Final-Niederlage einen ersten Blick in die Zukunft: "Für uns wird diese Niederlage Ansporn sein, in den nächsten zwei Jahren an einigen Dingen zu arbeiten, einige Dinge voranzutreiben, einige Dinge zu verbessern, damit wir auch in der WM-Qualifikation unser Ziel erreichen. Um dann wieder eine ähnlich gute Rolle zu spielen, wie bei der WM 2006."

Ein frommer Wunsch. Die Enttäuschung von Wien offenbarte eigentlich nur eines: Diese deutsche Nationalmannschaft hat sich seit dem dritten WM-Platz vor zwei Jahren nicht weiterentwickelt. Das, obwohl vor dieser EM jeder, auch jeder Trainer, genau das Gegenteil behauptet hatte. Reines Wunschdenken. "Wir werden uns in den nächsten Tagen zusammensetzen und diese EM genau analysieren, aber auch unsere Mannschaft und unsere Spieler nochmals analysieren, und zwar mit allen Erkenntnissen, die wir jetzt haben", versprach Löw. Er will das mit dem nötigen Anstand und mit viel Ruhe über die Bühne bringen.

Und er wird dabei sicher zu jener Erkenntnis gelangen, dass nicht alle seine personellen Entscheidungen aufgegangen sind. Löw hatte vorher stets vom "härtesten Turnier der Welt" gesprochen, ließ aber zwei Spieler immer im Team, obwohl sie nicht fit waren: Torwart Jens Lehmann und Innenverteidiger Christoph Metzelder. Beide waren ein erhöhtes Sicherheitsrisiko. Wobei sich die Fehler Metzelders auch auf die Nebenleute auswirkten, denn die Abwehr insgesamt leistete sich haarsträubende Fehler.

Auch das dürfte ein Ansatzpunkt für Joachim Löw sein. Er wird seine Lehren daraus ziehen und zu dem Schluss kommen müssen, dass es eben nicht mit Spielern geht, die nicht bei 100 Prozent sind (nicht sein können).

"Es ist mir bewusst, in welchen Bereichen wir weiter hart arbeiten müssen, denn in diesem Turnier haben wir nicht immer die ganz obere spielerische Qualität abgerufen, die wir über zwei Jahre von uns kannten."

Das letzte wirklich erstklassige Spiel der deutschen Elf aber gab es am 24. März 2007, beim 2:1-Sieg in Prag über die Tschechische Republik. Dieses Niveau erneut zu erreichen, muss das Ziel sein. Ob es aber richtig ist, dass Löw dann nur lobt, anstatt die Zügel anzuziehen? Der Bundestrainer befand in der Nacht von Wien: "Man hat bei der EM und der Qualifikation gesehen, dass wir in Europa ganz weit vorne sind, wir haben gelernt und uns weiterentwickelt. Wir sind in der Spitze Europas und der Welt vertreten, wir dürfen aber nicht die Energie und Kraft verlieren, um weiter hart zu arbeiten."

Und um personelle Entscheidungen zu treffen, die dem deutschen Fußball helfen. Spieler wie Kevin Kuranyi, Arne Friedrich, Thomas Hitzlsperger, Clemens Fritz, Simon Rolfes, David Odonkor und Oliver Neuville gehören sicher nicht zu jener Spitzenklasse, mit der Deutschland Europameister werden könnte. Spanien hatte da ganz andere Kaliber zu bieten - Spanien könnte das Vorbild für Deutschland sein.