Dortmund. Von wegen Aufholjagd: Der Tabellenführer der Bundesliga verliert auch im Achtelfinalrückspiel. Titelverteidiger scheitert sensationell.

Für einen Moment schien alle Energie aus dem Dortmunder Stadion entwichen. Dort, wo es eben noch gebebt und gebrodelt hatte, herrschte mit einem Schlag Stille. Denn nach 49 Minuten war klar, dass es nichts werden würde mit dem erhofften Wunder. Harry Kane hatte das 1:0 für Tottenham Hotspur erzielt – was bedeutete, dass Borussia Dortmund nach dem 0:3 im Hinspiel nun innerhalb von 40 Minuten fünf Tore schießen musste, um das Aus im Achtelfinale der Champions League abzuwenden.

Wenig überraschend gelang dies nicht, vor 66.099 Zuschauern verlor der BVB 0:1 (0:0) – nachdem er in der ersten Halbzeit allerbeste Chancen auf die Führung vergeben hatte. "Wir haben uns gute Chancen herausgespielt. Was gefehlt hat, war das Tor. Mit dem 1:0 von Harry Kane war der Stecker gezogen", sagte Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc später bei Sky.

Angesichts der Ausgangslage hatte Trainer Lucien Favre voll auf Offensive gesetzt: Im Mittelfeld sicherte nur Axel Witsel ab, davor sollten Marco Reus, Mario Götze, Jadon Sancho und Raphael Guerreiro wirbeln – und ganz vorne Paco Alcácer die Tore machen. Favre bot also fast alles auf, was er an Angreifern zur Verfügung hat. Einzig Jacob Bruun Larsen und Christian Pulisic saßen auf der Bank, Maximilian Philipp musste wegen eines Außenband-Teilrisses passen.

Auch in der Abwehr entschied sich Favre in Person von Julian Weigl anstelle von Dan-Axel Zagadou für die offensivere, spielstärkere Variante, zudem ersetzte Marius Wolf den zuletzt arg fehlerhaften Achraf Hakimi als Rechtsverteidiger. Alles war getan für ein mittleres Fußballwunder und auch die Zuschauer trugen ihren Teil bei, indem sie mit einer beeindruckenden Choreografie an den Champions-League-Sieg von 1997 erinnerten.

Dortmund drängt ohne Erfolg

Und der BVB orientierte sich direkt nach vorne, setzte die Gäste schon an deren Strafraum unter Druck, zwang sie zu Fehlern und eroberte sich früh die Bälle. Tottenham allerdings störte sich nicht groß daran, sondern verlegte sich mit dem Dreitorepolster aus dem Hinspiel erst einmal aufs Verteidigen. So dauerte es 21 Minuten bis zum ersten Schuss aufs Tor: Reus zog nach einem Doppelpass mit Guerreiro aus zwölf Metern ab, doch Torhüter Hugo Lloris hielt den abgefälschten Schuss im Nachfassen (21.).

Wie so oft in den vergangenen Wochen stand sich der BVB mit mangelhafter Chancenverwertung selbst im Weg: Abdou Diallo hatte, nachdem er links frei gespielt wurde, gleich mehrere Anspielstationen, legte aber zurück auf Götze – und dessen Versuch aus 18 Metern wurde geblockt (23.).

Bevor die Aufholjagd aber richtig Fahrt aufnahm, wäre sie fast schon beendet gewesen: Heung-Min Son lief nach einem Konter auf Roman Bürki zu, setzte seinen Abschluss aber – hart bedrängt von Marius Wolf – neben das Tor (30.).

Es folgte die stärkste Dortmunder Phase: Reus flankte, Weigl köpfte, Lloris hielt, und der Nachschuss des Innenverteidigers wurde zur Ecke abgewehrt (33.). Die kam zur Strafraumgrenze geflogen, wo Reus volley abzog – doch Davinson Sanchez blockte den Ball neben das Tor. Wieder Ecke, dieses Mal kurz ausgeführt. Götze tänzelte in den Strafraum, schlenzte, aber Lloris flog und lenkte den Ball um den Pfosten (34.).

Kane zeigt, wie es geht

0:0 zur Pause – das war aus Dortmunder Sicht eigentlich zu wenig, ließ aber noch alle Möglichkeiten offen. Doch dann kam die verhängnisvolle 49. Minute: In der BVB-Hintermannschaft passte die Abstimmung überhaupt nicht, Moussa Sissoko durchschnitt die Viererkette mit einem scharfen, präzisen Pass, und Harry Kane schoss frei vor Bürki sicher ein.

Favre brachte seine verbliebenen Angriffsoptionen Pulisic und Bruun Larsen, stellte um auf Dreierkette (62.). Es folgte ein wütendes Anrennen, die Hausherren setzten sich regelrecht am Strafraum der Spurs fest. Doch die verteidigten ebenso kühl wie geschickt, brachten immer rechtzeitig ein Abwehrbein zwischen Ball und Tor. Und spätestens als Favre nach 74 Minuten seinen Kapitän Reus vom Feld nahm, war klar, dass auch der Trainer nicht mehr an das Wunder glaubte.

Real scheitert an Ajax

Kleiner Trost für die Dortmunder: Auch der Titelverteidiger ist im Achtelfinale schon raus. Das Starensemble von Real Madrid mit dem deutschen Nationalspieler Toni Kroos verlor gegen Ajax Amsterdam mit 1:4 (0:2), kassierte damit die höchste Heim,niederlage im Europacup und schied trotz des 2:1-Hinspielsieges im Achtelfinale aus.

In einer spektakulären Partie unter der Leitung des deutschen Schiedsrichters Felix Brych schossen Hakim Ziyech (7.), David Neres (18.), Dusan Tadic (62.) und Lasse Schöne (72.) den Sieg für die wie entfesselt aufspielenden Gäste aus den Niederlanden heraus. Marco Asensio war nur das zwischenzeitliche 1:3 gelungen (70.). In der Nachspielzeit musste auch noch Nacho nach einem Frustfoul mit Gelb-Rot vom Platz.

Nach dem Scheitern im spanischen Pokal und bei mittlerweile zwölf Punkten Rückstand in der Meisterschaft auf den FC Barcelona ist Real endgültig in eine lange nicht erlebte sportliche Krise geschlittert. Real hatte seit der Spielzeit 2010/2011 jedes Jahr mindestens das Halbfinale erreicht hatte und in den vergangenen drei Jahren die Champions League gewonnen.