Uli Hoeneß wird auf der Jahreshauptversammlung derbe beschimpft. Auf seine Reaktion hagelt es noch lautere Pfiffe.

München. Uli Hoeneß war gekränkt, daraus machte der mächtige Präsident von Bayern München keinen Hehl. „Das trifft mich sehr, sehr“, sagte Hoeneß nach der Jahreshauptversammlung. Er müsse, ergänzte der 66-Jährige, erstmal über die Vorkommnisse nachdenken und schlafen, denn er wolle sich ja künftig sachlich äußern. Es war Hoeneß anzusehen, dass er mit solch heftiger Kritik nicht gerechnet hatte.

„Heute gibt es hier Ansätze, wie ich mir den FC Bayern nicht vorstelle“, entgegnete Hoeneß den 1682 anwesenden Mitgliedern gegen Ende der Veranstaltung, nachdem es während der Wortmeldungen der Mitglieder teils massive Attacken in seine Richtung gegeben hatte.

Es ging in der berechtigten, aber teilweise auch unsachlich vorgetragenen Kritik um die inzwischen legendäre Bosse-Pressekonferenz im Oktober, einen katarischen Sponsor des FC Bayern, den Umgang mit Ehrenspielführer Paul Breitner, Hoeneß’ Wortwahl und einiges mehr. „Der FC Bayern ist keine One-Man-Show“, wurde dem Macher vorgeworfen.

Laute Pfiffe gegen Hoeneß

Der Unmut wurde nur noch größer, als Hoeneß eine inhaltliche Antwort verweigerte. „Wenn du jetzt geschwiegen hättest, wärst du ein Philosoph geblieben. Da waren so viele Unwahrheiten drin, das würde drei Stunden dauern. Ich lehne eine Diskussion auf diesem Niveau ab“, wiegelte Hoeneß ab. Er erntete laute Buhrufe, Pfiffe und Beschimpfungen. Zwischendurch stimmte die Halle einen Hit von Schlagerbarde Jürgen Drews an: „Wieder alles im Griff. Auf dem sinkenden Schiff. Keine Panik, auf der Titanic. Land in Sicht, wir sterben nicht.“

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Der Wind scheint sich beim FC Bayern gerade etwas zu drehen, hemmungslose Huldigungen und Ehrerbietungen sind nicht mehr zwangsläufig in der manchmal sehr eigentümlichen Welt des deutschen Fußball-Rekordmeisters. Ein Teil des Anhangs akzeptiert Vereinspolitik nach Gutsherrenart offenkundig nicht mehr, wie sie Hoeneß nach deren Ansicht praktiziert.

Wer erlebte, wie Hoeneß vor zwei Jahren bei seiner Rückkehr ähnlich einer Krönungsmesse auf den Thron der Bayern-Familie begleitet wurde, wie ihm nach seiner Zeit im Gefängnis die Bayern-Herzen zuflogen, der muss sich fragen: Was ist in den zwei Jahren geschehen? Und was passiert 2019, wenn die Wiederwahl von Hoeneß ansteht?

Fans wünschen sich Abtritt von Hoeneß

Der Kurs des FC Bayern wird offenbar stärker hinterfragt als zuvor, Hoeneß stellte am Freitagabend eine „Grundunzufriedenheit“ fest, die für ihn aber vor allem mit der mäßigen sportlichen Situation in der Bundesliga zusammenhänge. Ob aber allein besserer Fußball die Mitglieder wieder besänftigt?

Eher wird das die Laune der Fans davon abhängen, wie der Umbau des FC Bayern gelingt, nicht nur der in der Mannschaft, sondern auch der auf oberster Ebene. Kurz: Es geht um Hoeneß’ und auch Karl-Heinz Rummenigges Erbe.

Die Mannschaft erhält im kommenden Sommer durch Transfers eine Frischzellenkur, Hoeneß bekräftigte im Audi Dome den Willen zu Investitionen „im größeren Stile“. Diese wären vor der laufenden Spielzeit seiner Meinung nach „unklug“ gewesen, weil es seine Pflicht sei, „das Geld so anzulegen, dass es langfristig und nachhaltig funktioniert“ und man Trainer Niko Kovac mit vielen neuen Spielern keinen Gefallen getan hätte.

Bayern will sich Kahn „warmhalten“

Noch entscheidender allerdings ist wohl die Übergabe der Macht an einen Nachfolger. Oliver Kahn, das verdeutlichte Hoeneß, „spielt in unseren Überlegungen eine Rolle“. Wenngleich ein Einstieg des langjährigen Kapitäns vor 2021 unwahrscheinlicher geworden ist. Denn Vorstandschef Rummenigge wird seinen Vertrag wahrscheinlich bis dahin verlängern – und einen Sportvorstand Kahn als Zwischenlösung kann sich Hoeneß nicht vorstellen.

„Oliver Kahn kommt dann infrage, wenn Karl-Heinz aufhören sollte. Bis dahin werden wir uns in Ruhe gedulden und ihn warmhalten“, merkte Hoeneß an. Und vielleicht auch mal überlegen, ob manche Dinge nicht nur „verbesserungswürdig“, sondern womöglich auch total falsch gelaufen sind.