Madrid. Bayern-Boss Rummenigge verneigt sich nach dem Halbfinal-Aus bei Real Madrid vor Trainer Heynckes und gibt neue Ziele aus.

Torwart Sven Ulreich von Fußballmeister Bayern München hat tief betroffen auf seinen schweren Fauxpas, der zum 1:2 im Rückspiel im Champions-League-Halbfinale bei Real Madrid (Endstand 2:2) führte, reagiert. "Worte können nicht beschreiben, wie enttäuscht ich über das Ausscheiden in der CL bin. Wir wollten unbedingt ins Finale und wir haben unser Bestes gegeben und dann passiert mir dieser unnötige Fehler. Ich kann es mir nicht erklären. Es tut mir leid... für mein Team und für euch Fans", schrieb der Ex-Stuttgarter bei Instagram.

Eine Reaktion aus der Mannschaft ließ nicht nicht lange auf sich warten. Javi Martínez nahm seinen Keeper in Schutz und antwortete bei Instagram: "Du hast uns viele Male den Arsch gerettet."

Spanische Presse. "Bayern in allen Belangen überlegen"

Nach dem knapp verpassten Champions-League-Endspiel konnten auch Lobeshymnen auf die große Moral und die Leistung die Profis des FC Bayern zunächst nicht aufrichten. Auch Trainer Jupp Heynckes rang nach seinem letzten Königsklassenspiel um Fassung. „Leider sind wir nicht im Endspiel. Das bedeutet für meine Spieler und für mich eine große Enttäuschung“, sagte der 72-Jährige. Heynckes lobte seine Mannschaft für die „großartige Moral“ und „Fußball vom Feinsten“, wie man ihn selten auf den Plätzen in Europa sehe.

Die spanischen Medien waren sich einig: Bayern war die überlegene Mannschaft, Real hatte Glück mit dem Schiedsrichter und in Keylor Navas den besseren Torwart.

Pressestimmen zum Spiel Real Madrid gegen Bayern München

Marca (Spanien)

"Holt euch den 13.! Die Meister leiden und widerstehen gegen ein bewundernswertes Bayern. Zwei Tore von Benzema und die Riesenparaden von Keylor waren entscheidend. Real stirbt nie. Leidend zogen die Weißen in ihr drittes Finale in Folge ein. Nach den Schlusspfiff musste sich das Bernabeu-Stadion zunächst mal von dem Schrecken erholen. Bayern zeigte einen außergewöhnlichen Glauben daran, das Wunder zu schaffen. Real behält weiter seine Residenz im Himmel."

AS (Spanien)

"Ein Finale für einen Helden: Keylor. Kimmich reklamierte zu Recht einen Handelfmeter von Marcelo. Real wurde von seinem eigenen Nervenkostüm aufgefressen. Ulreich wurde zur tragischen Figur des Spiels. Heynckes tat Real einen Gefallen mit der Auswechslung von James, damit gingen bei Bayern die Lichter aus, und Real wurde die Tür nach Kiew geöffnet."

Sport (Spanien)

"Der Fußball bleibt jenes Spiel, in dem Elf gegen Elf antreten und der Schiedsrichter sich immer zum Vorteil von Madrid vertut. Verdient haben sie es nicht. Weder im Hin- noch im Rückspiel. Sie waren weder besser als die Bayern noch besser als Juventus. Zidanes Mannschaft spielte mit dem Feuer, Bayern war in allen Belangen überlegen."

El Mundo Deportivo (Spanien)

„In der Mannschaft mus sich noch vieles bessern, wenn sie die Trophäe in den Händen halten wollen. Die letzten drei Spiele in Europa des Teams von Zidane waren wirklich schlecht und nur ihre Willenskraft sowie das Glück und einige Schiedsrichterentscheidungen haben ihm das Leben gerettet.“

El Mundo (Spanien)

"Madrid fährt nach Kiew, wir danken Dir, Herr. Wenn es kein höheres Wesen geben sollte, dann muss es das Schicksal sein, das in diese Mannschaft verliebt ist.“

The Independent (Großbritannien)

"Bayern-Fans werden zur Schmerzbewältigung auf ihre Krankenliste am Tag des Spiels verweisen: Manuel Neuer, Arjen Robben, Jérôme Boateng, Kingsley Coman, Arturo Vidal, Javi Martínez. Der Kontrapunkt ist aber, dass es in ihren Händen lag. Obwohl es nur ein schwacher Trost sein wird, es war ihr elektrisierender Ansatz über 180 Minuten, der als elektrisierendes Spektakel in Erinnerung bleiben wird.“

The Guardian (Großbritannien)

„Für Bayern waren 39 Torschüsse in zwei Spielen weniger ausschlaggebend als drei Geschenke [für Real Madrid], eines größer als das andere. Dieses Mal war es Corentin Tolissos Rückpass und Sven Ulreichs Panikmoment, die ihnen teuer zu stehen kamen. Ein Fehler, der Franz Beckenbauers Vermutung Glaubwürdigkeit verleiht, dass die Bayern einen Komplex haben, wenn es gegen Real geht. Dabei schien es lange so, als würden sie darüber wegkommen.“

The Telegraph (Großbritannien)

„Die Sorte von Torhüter-Patzer von Sven Ulreich, die einen Amateurfußballer erschaudern ließe, hatte Karim Benzema eines seiner beiden Tore eingebracht. Aber ansonsten war das alles der Gewieftheit Reals geschuldet. Ronaldo hätte nicht unauffälliger sein können.“

La Repubblica (Italien)

„Madrid ist mächtig. Aber wenn der Video-Assistent auch in der Champions League eingesetzt würde, wäre Real jetzt nicht im Finale in Kiew.“

Corriere dello Sport (Italien)

„Die Deutschen haben es auf jedmögliche Art probiert, sie haben zeitweise auch die Gegner dominiert. Am Ende gab es das einzige Lamentieren über die fragwürdigen Entscheidungen des Schiedsrichters.“

1/10

Beim Bankett im Teamhotel rühmte auch Karl-Heinz Rummenigge die mit enttäuschten Mienen zuhörenden Spieler in seiner Rede. „Wenn ich einen Hut aufhätte, würde ich ihn ziehen und mich vor der Mannschaft verneigen“, sagte der Vorstandschef unter dem Applaus der Edelfans.

Vor über 80.000 Zuschauern hatten am Dienstagabend die Tore von Joshua Kimmich und James Rodríguez nicht gereicht. Karim Benzema traf zweimal für Real. Die Schlüsselszene war im Nachhinein das selbst verschuldete Gegentor zum 1:2 direkt nach der Pause. Sven Ulreich patzte nach einem unnötigen Rückpass von Corentin Tolisso. Heynckes musste dem Manuel-Neuer-Vertreter einen „Blackout“ ankreiden.

Zu viele Fehler

„Wir machen einfach zu viele deutliche individuelle Fehler“, sagte Kapitän Thomas Müller. Es liege aber nicht an etwas Grundsätzlichem, dass es seit Jahren nicht ganz reiche in Europa. „Die Enttäuschung ist riesig, da muss man nicht drumherum reden. Wir waren verdammt nah dran, ins Finale einzuziehen“, sagte Teamkollege Mats Hummels.

„Wir sind alle ein Stück traurig, weil es heute einfach möglich war, das große Real in den Abgrund zu stoßen“, haderte auch Rummenigge. „Wir haben heute Abend das beste Spiel in der Champions League gesehen, das ich in den letzten fünf Jahren mit Bayern München erlebt habe“, erklärte der 62-Jährige aber auch. „Ich glaube, nicht nur Bayern, sondern Deutschland und die ganze Fußballwelt wird unserer Mannschaft und unserem Cheftrainer Jupp Heynckes mit seinem Gespann höchsten Respekt und höchstes Lob zollen.“

Heynckes machte auch das Fehlen mehrerer verletzter Leistungsträger sowie die in beiden Halbfinalspielen mangelhafte Chancenverwertung mitverantwortlich für das erneute Bayern-Scheitern gegen eine spanische Mannschaft kurz vor dem Endspiel. Trotzdem habe er den Spielern in der Umkleidekabine gesagt: „Ich habe den FC Bayern in der Verfassung, in der Form schon viele Jahre nicht mehr gesehen.“

Rummenigge gibt neues Ziel aus

Für ihn selbst war es das letzte internationale Spiel. „Natürlich ist das jetzt eine Situation, wo ich weiß, es ist endgültig, dass ich nie mehr auf die Trainerbank zurückkehre bei einem Champions-League- Spiel. Und ich finde, das ist auch gut so“, sagte Heynckes, der im vergangenen Oktober nach der Trennung von Carlo Ancelotti noch einmal zum FC Bayern zurückgekehrt war: „Ich denke, nicht viele gehen mit 72 Jahren noch solche Abenteuer ein.“

Rummenigge richtete den Blick aber auch schon wieder nach vorne auf das letzte Saisonspiel am 19. Mai gegen Eintracht Frankfurt: „Jupp hat sich eben in der Kabine bei den Spielern bedankt. Das war sehr emotional. Und er hat dann noch etwas Wichtiges gesagt: Wir haben zwar nicht das Champions-League-Finale erreicht, aber wir haben noch ein Finale im DFB-Pokal in knapp zweieinhalb Wochen in Berlin. Und ich glaube, es ist jetzt in unserer Verantwortung und das Ziel, dass wir zumindest das Double gewinnen und mit diesem Halbfinale heute eine Saison abrunden, die ihresgleichen sucht.“

Bayern macht Kasse

Immerhin: Der FC Bayern kann trotz des verpassten Endspiels auf eine finanziell lukrative Saison in der Königsklasse zurückblicken. Der Rekordmeister spielte allein an Uefa-Prämien 40,2 Millionen Euro ein. Im Falle einer Endspielteilnahme am 26. Mai in Kiew hätten die Münchner mindestens weitere elf Millionen kassiert, bei einem Titelgewinn sogar 15,5 Millionen Euro.

Zu den 40,2 Millionen Euro an Prämien durch die Europäische Fußball-Union kommen noch die variablen Einnahmen aus dem Uefa-Marktpool von etwa 30 Millionen sowie die Zuschauereinnahmen aus insgesamt sechs Bayern-Heimspielen.

Die Uefa schüttet in dieser Spielzeit mehr als eine Milliarde Euro an die Königsklassen-Teilnehmer aus. Die Prämien ergeben einen festen Betrag von 761,9 Millionen Euro. Hinzu kommen etwas mehr als 500 Millionen Euro an variablen Zahlungen aus dem Marktpool.

Topquote fürs ZDF

Dem ZDF bescherte das Spiel die höchste Einschaltquote in der Champions League seit dem Mai 2015 beschert. Im Schnitt 13,12 Millionen Zuschauer schalteten am Dienstag von 20.45 Uhr an ein. Der Marktanteil betrug 38,3 Prozent. Vor drei Jahren wurden beim Halbfinalhinspiel der Bayern beim FC Barcelona 13,46 Millionen Zuschauer gemessen.