Paris. Der deutsche Fußballmeister erhält vom Titelanwärter eine Lehrstunde. Trainer Ancelotti verteidigt seine Aufstellung.

Eine "Harakiri"-Aufstellung, ein früher Gegentreffer, eine demütigende Lehrstunde: Bayern München hat im Prestigeduell in der Champions League von Paris St. Germain schonungslos seine Grenzen aufgezeigt bekommen. Der phasenweise überforderte deutsche Rekordmeister unterlag im "Kampf der Kulturen" dem französischen Vizemeister um die überragenden Millionen-Männer Neymar und Kylian Mbappé mit 0:3 (0:2).

Den angestrebten Gruppensieg hat der FC Bayern, der mit den Gegentoren von Dani Alves (2.), Edinson Cavani (31.) und Neymar (63.) noch gut bedient war, vorerst aus den Augen verloren. Und Trainer Carlo Ancelotti steht nach einem Spiel, in dem er sich mit seiner Aufstellung glatt verzockte, ein heißer Herbst bevor. "Wir wussten, dass Paris eine super Mannschaft hat, aber dürfen nicht so früh ein Tor bekommen, das war natürlich fatal", sagte Niklas Süle im ZDF.

Dani Alves entblößte früh die Mängel in der Münchner Abwehr, in der Niklas Süle und Javi Martínez anstelle von Mats Hummels und Jérôme Boatng verteidigten. Cavani legte bei einem der rasend schnellen Konter, bei denen PSG auch das Münchner Mittelfeld mit den indisponierten Corentin Tolisso, Thiago und Arturo Vidal förmlich überrannte, eiskalt nach. Und auch Neymar ließ die Bayern aussehen wie eine Schülermannschaft. "Da war heute mehr drin, aber wir haben leider das Tor nicht gefunden", sagte Arjen Robben.

Kein Rezept gegen Neymar und Mbappé

Während die Münchner, bei denen Franck Ribery und bis zur 68. Minute auch Robben lediglich auf der Bank saßen, in ihren Offensivaktionen über James und Thomas Müller zu bieder und statisch waren, setzte PSG die Strategie von Trainer Unai Emery mit Witz und Schnelligkeit um. Dem Tempo der flinken Neymar und Mbappé, die den ersten sowie den zweiten und dritten Treffer vorbereiteten, hatten die Münchner nichts entgegenzusetzen.

Trainer Ancelotti hatte mit seiner Aufstellung offenbar den Plan verfolgt, das Mittelfeld zu verdichten und die "Halbflügel" James und Müller durch David Alaba über die linke und Joshua Kimmich über die rechte Seite zu unterstützen. "Ich habe so aufgestellt, dass wir Kontrolle über das Spiel bekommen", verteidigte er sich nach dem Spiel. Das hat jedenfalls nicht geklappt. Was immer er sich gedacht hatte: Nach nicht einmal eineinhalb Minuten waren seine Pläne schon obsolet: Dani Alves kam in den Strafraum gerauscht, sah dort nur Sven Ulreich vor sich – 1:0. Alaba? Nicht zu sehen.

Süle wirkte überfordert

Kurzzeitig sah es nach dem frühen Gegentreffer so aus, als sollten sich die Bayern noch berappeln. James (11.) und Müller (12.) hatten gute Chancen, den Schuss von Martínez parierte PSG-Torhüter Alphonse Areola (19.). Allerdings: Die Bayern blieben bei aller optischen Überlegenheit durchschaubar in ihren Aktionen – und vor allem anfällig für Konter, bei denen es ihnen dann meist zu schnell ging. 222-Millionen-Mann Neymar und 180-Millionen-Mann Mbappe waren kaum einzubremsen.

"Wir wollen die Voraussetzung schaffen, dass wir am Ende des Tages Gruppenerster werden", hatte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge als Parole ausgegeben – doch dafür fehlte den Münchnern an diesem Abend und in dieser Formation die Klasse. Süle wirkte hölzern und bisweilen überfordert, Vidal und Tolisso waren zweikampfschwach, Thiago zu fehlerhaft.

Kahn kritisiert Taktik

Auch die Wechsel von Ancelotti zur Halbzeit brachten nichts – außer wohl weiteren Unmut bei Ribéry und Robben, denn für James und Vidal kamen Kingsley Coman und Sebastian Rudy. Neymar und Mbappe konnten sich weiter nach Herzenslust austoben.

Robben, der erst beim Stand von 3:0 eingewechselt wurde, wollte Ancelottis Aufstellung aber nicht infrage stellen: "Jedes Wort wäre jetzt eines zu viel", sagte der Niederländer, "was wir jetzt brauchen, ist Ruhe. Wir müssen zusammenhalten." Auch Müller ließ sich keine Kritik entlocken: "Wir dürfen uns damit nicht herausreden. Der FC Bayern hat genügend Spieler mit hoher Qualität."

Kritische Worte fand dafür ZDF-Experte Oliver Kahn: "Bei den Gegentoren war kein Konzept für das Spiel gegen den Ball zu erkennen", sagte der frühere Nationaltorwart.