Tuchel geht auf Kuschelkurs, doch die BVB-Clubführung scheint sich von ihrem Trainer abzuwenden. Gibt es im Sommer das große Beben?

Dortmund. Was hat BVB-Boss Hans-Joachim Watzke mit seinem Interview bezweckt, in dem er von einem „Dissens“ mit Trainer Thomas Tuchel sprach? Es halten sich die Spekulationen, dass der Geschäftsführer von Borussia Dortmund den Abgang des mit einem Punkteschnitt von 2,1 erfolgreichsten Trainers der Vereinsgeschichte vorbereitet.

Wie die „Bild“ erfahren haben will, soll die Dortmunder Vereinsführung bereits Ex-Bundesliga-Trainer Lucien Favre kontaktiert haben, der soeben in Frankreich mit dem OGC Nizza die Champions-League-Qualifikation erreicht hat. Sowohl Favres Management als auch der BVB hätten dies zwar dementiert, doch die Zeitung hält an ihrer Theorie fest: Der 59 Jahre alte Schweizer könnte Tuchel im Sommer beerben.

Offenbar scheinen die Risse zwischen Tuchel und der Clubführung beim BVB zu tief für eine fortführende Zusammenarbeit. Zuvor war bei der Borussia nur hinter vorgehaltener Hand über interne Probleme gesprochen worden. Tuchel selbst wollte die Watzke-Aussagen nicht kommentieren, machte allerdings keinen Hehl daraus, dass er den Zeitpunkt für dieses Interview in der Schlussphase der Saison als höchst deplatziert einschätzte.

Tuchel will beim BVB bleiben

Ungeachtet der jüngsten Entwicklungen hat Tuchel aber offenbar nicht vor, den BVB vorzeitig zu verlassen. „Unser Ziel ist es, dass Thomas beim BVB bleibt und dass sich alles wieder beruhigt“, erklärte sein Berater Olaf Meinking am Montag bei Sport1.

Ob dies aber auch der BVB möchte, ist fraglicher den je. Es war bezeichnend, wie Club-Präsident Reinhard Rauball (70) in einer groß angelegten Medien-Offensive klar Position für Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke (57) und damit gegen Tuchel ergriff. „Hans-Joachim Watzke hat jahrelang bewiesen, dass er in schwierigen Situationen nicht an sich, sondern nur an den BVB denkt“, sagte Rauball verschiedenen Medien: „Dieses Vertrauen in ihn sollte man schon haben.“

Das heißt wohl im Umkehrschluss, dass der aktuelle BVB-Coach offensichtlich nicht immer das Wohlergehen des Traditionsclubs im Auge hat. Bei den Folgen des Attentats auf die BVB-Profis vor dem Champions-League-Spiel gegen AS Monaco gehen die Meinungen der Club-Spitze und von Tuchel diametral auseinander.

BVB-Profis sollen Dissonanzen mit Tuchel haben

Rauball stellte nochmals klar, das Watzke die Entscheidung, das Nachholspiel schon einen Tag nach dem Sprengstoff-Anschlag auf den Bus auszutragen, „nicht alleine getroffen“, sagte der Präsident der Deutschen Fußball Liga (DFL): „Ich habe alles mitgetragen.“ Stattdessen hätten alle Beteiligten - auch Tuchel - die Möglichkeit gehabt, sich gegen den Spieltermin auszusprechen. „Ein solcher Wunsch ist aber nicht an uns herangetragen worden“, stellte das Borussia-Urgestein Rauball klar.

Die Süddeutsche berichtete detailliert von Problemen des BVB-Umfeldes mit dem eigenbrötlerischen Fußballlehrer. Der Rückhalt Tuchels und seines Trainerteams in der Mannschaft soll sich in sehr überschaubaren Grenzen halten. „Wenn du besonders gelobt wirst vom Trainer, richtest du dich am besten darauf ein, dass du demnächst nicht mal im Kader bist“, wurde ein nicht namentlich genannter BVB-Spieler von der SZ zitiert. Von einer besonders engen, menschelnden Beziehung seit dem Attentat „kann keine Rede sein, das ist eine reine Mediensache“, betonte ein anderer Akteur.

Dass Watzke den Tag des Hoffenheim-Spiels wählte, dürfte kein Zufall gewesen sein. Einiges spricht dafür, dass er alle Konsequenzen des Interviews genau abgewägt hat. Drei Jahre Tuchel scheint für den BVB-Boss eines zuviel zu sein. Eine Trennung nach Saisonende, ein Jahr vor Ablauf des Vertrages mit Tuchel, möglicherweise als DFB-Pokalsieger und Champions-League-Teilnehmer, erscheint immer wahrscheinlicher. Vielleicht steht Favre ja schon in den Startlöchern...