Bremen. Nach dem historischen Fehlstart ist Werder in einer Trainer-Zwickmühle. Und die Personalsituation verschärft sich weiter.

Rund 18 Stunden nach dem historischen Fehlstart zog Viktor Skripnik die Zügel deutlich an. "Wir haben uns den freien Tag nicht verdient. Ich will die Mannschaft jeden Tag sehen", sagte der nicht unumstrittene Cheftrainer von Werder Bremen am Montagmorgen mit einem bitteren Lächeln im Gesicht. Statt Freizeit steht für Kapitän Clemens Fritz und Co. nach der 1:2-Pleite gegen den FC Augsburg auch am Dienstag Training auf dem Programm - Werder ist schon wieder im Krisenmodus.

Erstmals seit 49 Jahren (1967/68) verloren die Hanseaten die ersten drei Pflichtspiele einer Saison. Wütende Pfiffe begleiteten Skripnik nach dem Schlusspfiff am Sonntag in die Katakomben, der Ukrainer hat bei Teilen des Anhangs offenbar ein gutes Stück seines Kredits verbraucht.

Aus den eigenen Reihen erhält Skripnik aber weiter bedingungslose Rückendeckung. "Viktor hat schon viel schwierigere Situationen gemeistert", sagte Sportdirektor Frank Baumann mit entschlossenem Blick und erinnerte an eine Niederlage mit gleichem Ergebnis gegen den FCA im April: "Damals hat Viktor alle eines Besseren belehrt. Und das wird er diesmal wieder tun."

Skripnik will "auch die guten Dinge zeigen"

Gesprächsbedarf gab es bei Werder aber allemal. Am Montag betraten die Profis der Bremer den Trainingsplatz erst mit 35 Minuten Verspätung und diskutierten dabei wild gestikulierend. Sie kämpfen schon nach zwei Spieltagen der jungen Saison auch gegen eine stetig negativer werdende Atmosphäre im Umfeld des Weserstadions an.

„Wir wollen noch einmal das Spiel analysieren und dabei auch die guten Dinge zeigen“, erklärte Skripnik die Entscheidung, den freien Tag zu streichen. Doch die bisherigen Auftritte taugten auch kaum als Mutmacher.

Nach der 1:2-Pokalblamage gegen die Sportfreunde Lotte und der 0:6-Klatsche beim Bundesliga-Auftakt bei Bayern München zeigte Werder zwar in der ersten Hälfte gegen Augsburg zarte Ansätze einer Steigerung. Vor allem Olympia-Held Serge Gnabry gefiel zunächst mit quirligen Dribblings. "Erwachsen" habe Gnabry gespielt, sagte Skripnik, er war "eine gute Waffe für uns".

Caldirola fehlt monatelang

Doch die Freude über den nicht unverdienten Führungstreffer von Aron Johannsson (45.+2, Foulelfmeter) kurz vor dem Halbzeitpfiff währte nur äußerst kurz. Jeffrey Gouweleeuw per Kopf (52.) und Konstantinos Stafylidis (73.) warfen Skripniks Plan über den Haufen, von Selbstbewusstsein und konstruktivem Offensivspiel im zweiten Durchgang kaum noch etwas zu spüren.

Und es wird nicht einfacher für den Bremer Coach. Skripnik fehlten gegen die Schwaben in Claudio Pizarro, Max Kruse, Santiago Garcia, Philipp Bargfrede, Justin Eilers und Niklas Moisander bereits etliche mögliche Leistungsträger fehlten. Nun muss er auch noch lange auf Luca Caldirola verzichten. Der Italiener erlitt gegen Augsburg einen Außenknöchelbruch, wurde bereits operiert und wird in diesem Jahr nicht mehr spielen können. Der aus Darmstadt zurückgekommene Caldirola stand in den beiden bisherigen Punktspielen in der Startelf.

Schuster stützt Skripnik ungefragt

Werders Cheftrainer gab sich dennoch kämpferisch. "Wir haben alles unter Kontrolle", sagte der 46-Jährige - und erhielt Unterstützung vom Gegner. "Ich wünsche mir, dass er in Ruhe weiterarbeiten kann", sagte FCA-Trainer Dirk Schuster, der mit seinem ungefragt erhobenen Plädoyer für seinen Freund durchaus überraschte.

„Er ist ein großartiger Coach", fügte Schuster an. Das sehen in Bremen nicht alle so. Aber zumindest die entscheidenden Bremer halten zu Skripnik und wollen den selbst postulierten Werder-Weg weitergehen. Der langjährige Spieler soll als Trainer ausreichend Zeit erhalten. Bereits in der Pause des erneut enttäuschenden Spiels nahm Marco Bode als Boss des Aufsichtsrates den ehemaligen Mitspieler in Schutz.

Anschließend stellte sich auch Manager Frank Baumann vor Skripnik. „Wir sind davon überzeugt, dass Viktor da rauskommt“, sagte Baumann im letzten seiner zahlreichen Interviews nach einer bitteren Niederlage. Der neue Manager erinnerte an die schwierigen Situationen der Vorsaison, als Werder erst am letzten Spieltag den Klassenerhalt schaffte: „Alle waren der Überzeugung, dass Viktor die Kraft nicht hat. Er hat alle eines Besseren belehrt – und er wird das auch dieses Mal mit der Mannschaft schaffen.“

Skripnik erstickt Torhüterdiskussion

Doch dafür braucht Skripnik schnell Punkte. Am besten schon im Duell bei Borussia Mönchengladbach am kommenden Sonntag. Dort soll erneut Felix Wiedwald das Tor hüten, der Keeper bleibt trotz der Trefferflut die Nummer eins in Bremen. „Es gibt bei uns keine Torwartdiskussion“, betonte Skripnik am Montag. Der erfahrene Jaroslav Drobny bleibt Ersatzmann der Bremer - und erhält nun aber wie seine Kollegen in dieser Woche eine zusätzliche Einheit. "Vielleicht gehen wir auch ein bisschen laufen", sagte Skripnik über das Programm des Dienstagstrainings.