Oslo. Vor dem Spiel gegen Deutschland spricht Trainerlegende Egil Olsen über das Top-Talent und die Bundesliga-Legionäre des Gegners.

Unter Egil "Drillo" Olsen (74) erlebte die norwegische Fußball-Nationalmannschaft goldene 1990er-Jahre. 1994 qualifizierte sich das Land erstmals seit 56 Jahren wieder für die WM, 1998 gelang sogar ein Sieg gegen Titelverteidiger Brasilien und der Achtelfinal-Einzug. 2009 bis 2013 war Olsen, der gerne in Gummistiefeln coachte, erneut für das Landslaget verantwortlich - beim Comeback gewann er gleich gegen Deutschland (1:0). Vor dem Länderspiel der Norweger in der WM-Qualifikation gegen Deutschland am Sonntag (20.45 Uhr/RTL) sprach Olsen über die Chancen seiner Landsmänner und Top-Talent Martin Ødegaard.

Frage: "Egil Olsen, Sie gelten als Sozialist und haben einmal gesagt, der Vormarsch des marktorientierten Liberalismus bereite ihnen größere Sorgen als das kaputte Knie von Rune Bratseth. Aus aktuellem Anlass: Wie groß ist ihre Sorge um Norwegens Nationalmannschaft?"

Egil Olsen: Mir bereitet der marktorientierte Liberalismus noch immer mehr Sorgen. (lacht) Im Ernst: Ich bin wegen der Nationalmannschaft nicht allzu sehr beunruhigt. Wir haben inzwischen wieder viele gute Spieler, die in guter Form sind und bei guten Klubs in Deutschland oder England unter Vertrag stehen. Wir waren lange nicht mehr so gut vorbereitet wie jetzt. Wir haben gute Stürmer wie Joshua King oder Adama Diomandé, die ihre Sache in England gut machen.

Früher hatten Sie Rune Bratseth, Kjetil Rekdal oder Ole Gunnar Solskjær.

Olsen: Aber wir haben auch nach den 90ern noch gute Spiele gemacht. 2009 bis 2011 hatten wir einige fantastische Ergebnisse, und das ist ja noch nicht so lange her. Wir sind damals vom 59. Platz in der Weltrangliste bis auf den elften vorgerückt. Aber ja: Ein Turnier haben wir nicht mehr erreicht, und die größte Enttäuschung war, dass wir die EM 2016 in den Play-offs gegen Ungarn verpasst haben. Das war ein harter Schlag für den norwegischen Fußball. Jetzt sind wir wieder auf dem aufsteigenden Ast - auch wenn ich nicht glaube, dass wir Deutschland schlagen werden. Wenn wir zu unserer Klasse ein bisschen Glück haben, reicht es vielleicht für einen Punkt.

Die Zeitung Verdens Gang regte an, ihr Nachfolger Per-Mathias Høgmo solle Sie anrufen, weil Sie wüssten, wie die DFB-Elf zu schlagen ist. Wissen Sie's?

Olsen: Naja, ich habe nie gegen Deutschland verloren, auch nicht gegen Frankreich oder Brasilien. Und auch nicht gegen Manchester United. Am Sonntag müssen wir in erster Linie defensiv sehr kompakt stehen. Aber das größte Problem liegt ausgerechnet in der Innenverteidigung, da gibt es Zweifel, ob sie gut genug ist, zumal Vegard Forren verletzt fehlt.

Auf das Talent Martin Ødegaard hat Høgmo freiwillig verzichtet - zu Recht?

Olsen: Er wurde in den Himmel gehoben, um ihn gab es viel zu viel Gerede. Das hat wohl etwas dazu beigetragen, dass es nicht wie erhofft lief. Es ist völlig richtig, dass Per-Mathias ihn nicht berufen hat, er ist nicht reif genug, nicht gut genug für die Nationalmannschaft. Er hätte auch früher schon nicht nominiert werden sollen. Mal sehen, ob er wirklich der große Spieler wird, den wir in ihm sehen - ich bin mir da nicht so sicher. Er ist ein Ausnahmetalent, dass er für die zweite Mannschaft von Real Madrid spielt, ist aber keine gute Lösung, da ist das Niveau zu schlecht.

Im Tor wird am Sonntag ein Deutschland-Legionär stehen. Sollte es Ørjan Nyland oder Rune Jarstein sein?

Olsen: Ich habe sehr großes Vertrauen in Jarstein, für mich müsste er spielen. Er ist ein herausragender Torhüter.

Ein Letztes noch: Was ist eigentlich mit Ihren Gummistiefeln passiert?

Olsen: Ich ziehe sie immer noch an, wenn's regnet. (lacht) Nein, die stehen im Fußball-Museum in Oslo.