Nur drei Nationalspieler haben Weltklasse-Format. Gomez ist plötzlich unverzichtbar, Götze braucht einen Neuanfang.

Der Titeltraum ist geplatzt: Deutschland schafft es nach dem Triumph bei der WM in Brasilien nicht, sich auch als König von Europa zu krönen. Dabei dominierte DFL-Elf Gastgeber Frankreich im Halbfinale, verpasste es aber für ausreichend Torgefahr zu sorgen und würde für zwei Leichtsinnsfehler in der Defensive gnadenlos bestraft. In der Qualifikation für die WM 2018 in Russland wird sich Joachim Löws Mannschaft leicht verändern. Abendblatt.de zeigt auf, wer die Gewinner und Verlierer nach der EM sind:

Gewinner

Mario Gomez: Erst von der Nation nicht gewollt, dann schmerzlich vermisst: Mario Gomez ist zweifellos der große Gewinner dieses Turniers im deutschen Kader. Zunächst wurde ihm Mario Götze vorgezogen. Dann kam er doch zum Einsatz – und überzeugte. Gomez traf als einziger Deutscher zweimal. Wie wichtig er geworden ist, zeigte sich ganz besonders, als er nicht mehr dabei war.

Das Foto der EM: Boateng klärt spektakulär auf der Linie gegen die Ukraine
Das Foto der EM: Boateng klärt spektakulär auf der Linie gegen die Ukraine © dpa | Shawn Thew

Jérôme Boateng: Bis auf ein, zwei kleine Wackler war er Mr. Zuverlässig in der Abwehr. Boateng hat sich zu einer Führungspersönlichkeit entwickelt und ist jetzt das Sprachrohr der Mannschaft. Als er im Halbfinale vom Platz musste, war die deutsche Mannschaft nur noch bedingt abwehrbereit. Unvergessen bleibt seine spektakuläre Rettungsaktion auf der Torlinie im ersten Gruppenspiel gegen die Ukraine.

Manuel Neuer: Auf ihn ist einfach Verlass. Neuer untermauerte in jedem Spiel, dass er die unumstrittene Nummer eins im deutschen Tor ist. Beim 0:2 gegen Frankreich sah er beim zweiten Gegentreffer allerdings nicht gut aus – sein einziger Schönheitsfehler im gesamten Turnier. Im Elfmeterschießen gegen Italien war Neuer dagegen mit zwei Paraden einer der Helden.

Joshua Kimmich: Sicherlich der Gewinner im deutschen Team, auch wenn Vergleiche mit Philipp Lahm noch völlig unangebracht sind. Bei seinem EM-Debüt gegen Nordirland überragend, zahlte Kimmich anschließend auch Lehrgeld. Es wird sich zeigen, ob Joachim Löw in der zweijährigen Vorbereitungsphase auf die WM das Risiko eingeht, auf einen Mittelfeldspieler als Rechtsverteidiger zu setzen.

Benedikt Höwedes: Wie schon vor der WM 2014, als er keine Minute verpasste, hatte ihn im Vorfeld der EM keiner auf dem Zettel. Doch am Ende kam auch Höwedes wieder auf seine Spiele und lieferte im Finale als Arbeitsnachweis die Grätsche des Jahrhunderts. Die Allzweckwaffe in der Defensive ist trotz auffälliger Schwächen im Halbfinale auch in Zukunft unverzichtbar. Offensiv ist Höwedes zwar wirkungslos, dafür ein überdurchschnittlicher Zweikämpfer.

Toni Kroos: Der Taktgeber im deutschen Spiel mit einer überragenden Passquote. Im Halbfinale gegen die Franzosen tauchte er aber ab. Trotzdem einer der Aktivposten und neben Neuer und Boateng der Einzige mit Weltklasse-Format.

Verlierer

Thomas Müller: Rannte. Kämpfte. Motivierte. Rieb sich auf. Versuchte immer, gute Stimmung zu verbreiten. Kurzum: Thomas Müller war in vielerlei Hinsicht ein Vorbild, er ist aus der Nationalmannschaft nicht wegzudenken. Allerdings: Er wird auch daran gemessen, ob er Tore erzielt. In Frankreich erzielte er keines und wirkte überspielt.

Mario Götze zählte bei der EM zweifellos zu den Verlierern
Mario Götze zählte bei der EM zweifellos zu den Verlierern © Imago/Matthias Koch

Mario Götze: Der WM-Torschütze braucht dringend einen Neuanfang und sollte vielleicht auch über eine vorübergehende Auszeit in der Nationalelf nachdenken. Inzwischen vertraut ihm nicht mal mehr der Bundestrainer. Götze durfte erst spielen, wurde gelobt, flog dann aber aus der Mannschaft und durfte nur noch als Einwechselspieler ran. In dieser Form ist der 24-Jährige kein Anwärter auf einen Stammplatz. Götze konnte der Welt nicht zeigen, dass er besser ist als Lionel Messi.

Mesut Özil: Zwei gute Spiele sind zu wenig für einen Mann seiner Klasse. Der Spielmacher lässt seine Genialität immer wieder aufblitzen, ist aber keiner, der mal die Zügel in die Hand nimmt und die anderen mitreißt. Phasenweise hatte man den Eindruck, Özil versteckt sich und Deutschland spielt nur zu zehnt.

Bastian Schweinsteiger: Der Kapitän spielte nur gegen Frankreich von Beginn an. Im Halbfinale wurde er durch sein Handspiel zur tragischen Figur, obwohl er vorher ein bärenstarker Anführer war. Schweinsteigers Körper spielt nicht mehr mit, seine Zeit in der Nationalelf ist abgelaufen. Das wird er wohl auch einsehen und in Kürze zurücktreten.

Deutschland kassiert bitteres Halbfinal-Aus gegen Frankreich

Jérôme Boateng muss ausgewechselt werden
Jérôme Boateng muss ausgewechselt werden © REUTERS | Michael Dalder
Antoine Griezmann feiert seinen Treffer per Elfmeter
Antoine Griezmann feiert seinen Treffer per Elfmeter © REUTERS | Kai Pfaffenbach
Julian Draxler foult Moussa Sissoko
Julian Draxler foult Moussa Sissoko © REUTERS | ERIC GAILLARD
Manuel Neuer (v.l.), Jérôme Boateng und Benedikt Höwedes
Manuel Neuer (v.l.), Jérôme Boateng und Benedikt Höwedes © dpa | Federico Gambarini
Den Elfmeter hatte Bastian Schweinsteiger durch ein Handspiel verschuldet
Den Elfmeter hatte Bastian Schweinsteiger durch ein Handspiel verschuldet © REUTERS | Michael Dalder
Und war sich keiner Schuld bewusst
Und war sich keiner Schuld bewusst © Getty Images | Matthias Hangst
Verbissen: Joshua Kimmich und Dimitri Payet
Verbissen: Joshua Kimmich und Dimitri Payet © dpa | Christian Charisius
Olivier Giroud und Bastian Schweinsteiger
Olivier Giroud und Bastian Schweinsteiger © Getty Images | Lars Baron
Frankreichs Trainer Didier Deschamps
Frankreichs Trainer Didier Deschamps © Getty Images | Alex Livesey
Das Stadion in Marseille
Das Stadion in Marseille © Getty Images | Laurence Griffiths
Olivier Giroud und Bastian Schweinsteiger
Olivier Giroud und Bastian Schweinsteiger © WITTERS | TimGroothuis
Klein, aber fein: Antoine Griezmann und Mesut Özil
Klein, aber fein: Antoine Griezmann und Mesut Özil © WITTERS | TimGroothuis
Ein Überbleibsel von Island. Ein
Ein Überbleibsel von Island. Ein "Huh" geht durch das Stadion © dpa | Oliver Weiken
Ein entspannter Joachim Löw vor dem Spiel
Ein entspannter Joachim Löw vor dem Spiel © dpa | Federico Gambarini
Das ist eine Ansage:
Das ist eine Ansage: "Unser Land - Unser Pokal" © dpa | Arne Dedert
Deutscher Fan am Strand, sonnenbaden vor dem Frankreich-Spiel
Deutscher Fan am Strand, sonnenbaden vor dem Frankreich-Spiel © dpa | Federico Gambarini
So war es 2014 bei der WM in Brasilien: Deutschland gewann durch ein Kopfballtor von Mats Hummels, der diesmal gesperrt ist
So war es 2014 bei der WM in Brasilien: Deutschland gewann durch ein Kopfballtor von Mats Hummels, der diesmal gesperrt ist © WITTERS | NiklasLarsson
Deutsche Fans in Frankreich
Deutsche Fans in Frankreich © dpa | Caroline Blumberg
Sehnsuchtsort Paris, wo das Finale der EM 2016 stattfindet: Bundestrainer Joachim Löw, fotografiert vor einem Paris-Schild
Sehnsuchtsort Paris, wo das Finale der EM 2016 stattfindet: Bundestrainer Joachim Löw, fotografiert vor einem Paris-Schild © dpa | Arne Dedert
Ein französischer Fan bereitet sich auf das Deutschland-Spiel vor
Ein französischer Fan bereitet sich auf das Deutschland-Spiel vor © Getty Images | Tullio M. Puglia
Thomas Müller vor dem Spiel beim Rasen-Check: Er blieb erneut ohne EM-Tor
Thomas Müller vor dem Spiel beim Rasen-Check: Er blieb erneut ohne EM-Tor © dpa | Federico Gambarini
Ein deutscher Fan in Marseille
Ein deutscher Fan in Marseille © Getty Images | Tullio M. Puglia
Neue Aufgabe? Bundestrainer Joachim Löw versucht sich als Dirigent
Neue Aufgabe? Bundestrainer Joachim Löw versucht sich als Dirigent © WITTERS | TimGroothuis
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Sami Khedira: Er war mal ein dynamischer Leader im Mittelfeld der Nationalmannschaft. Doch davon war bei der EM nicht viel zu sehen. Khedira konnte nicht an seine starke Leistung aus Brasilien anknüpfen, er fiel in einem starken Zentrum deutlich ab.

Lukas Podolski: Vor dem Turnier wehrte er sich gegen sein Image als Maskottchen. Der Stürmer bestätigte diese Rolle aber durch sein gesamtes Erscheinungsbild in Frankreich. Der Kurzeinsatz gegen die Slowakei dürfte sein letzter im DFB-Team gewesen sein. Auch wenn Podolski bereits betonte, weitermachen zu wollen.

André Schürrle: Der Wolfsburger kommt über seine Rolle als Edeljoker nicht hinaus. Auch wenn er Gomez’ Vertreter hätte geben können, um Müller seine Stärke aus der Tiefe nicht zu nehmen, sah Löw von ihm ab. Schürrle wird angesichts der Konkurrenz auch in Zukunft einen schweren Stand haben – spätestens, wenn Marco Reus zurückkommt.

Weltmeister abgereist: Bleibt Löw Bundestrainer?

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