Gegen den Fußballzwerg kam das deutsche Nationalteam nur zu einem enttäuschenden 4:0. Hector durfte debütieren

Nürnberg. Für die zwei Gibraltar-Fans gab es schon vor dem Anpfiff kein Halten mehr. Als die ersten Klänge der Nationalhymne des nur 950 Fußballfelder großen Landes erklang, schwenkten sie die rot-weiße Fahne und nahmen sich in den Arm. Danach setzten sie sich wieder auf ihre Presseplätze, um den Artikel für ihr Onlineportal zu verfassen.

Deutschland gegen Gibraltar – der Weltmeister gegen den erst 2013 zum 54. Uefa-Mitglied ernannten Zwergstaat, einen krasseren Unterschied gab es wohl nie. Es war klar, dass es vor den 44.000 Zuschauern – 13.000 mehr als Gibraltar Einwohner zählt – nur um die Höhe des Ergebnisses des EM-Qualifikationsspiels ging. „Wenn der Lukas Podolski heute Abend 24 Tore schießt, hat er Miroslav Klose eingeholt“, ulkte ein Deutschland-Anhänger an der Einlasskontrolle der Nürnberger Arena. Immerhin: 2006, beim 13:0 in San Marino, dem bislang höchsten Sieg in der Ära Löw, hatte Podolski vier Treffer erzielt.

Ganz so schlimm wurde es am Ende für die Gibraltarer nicht: Mit 0:4 gingen sie hoch erhobenen Hauptes vom Platz. Besser als Brasilien (1:7 im WM-Halbfinale) sein, das war der Wunsch von Torhüter Jordan Perez gewesen. Nur zu gerne hätte der Feuerwehrmann dabei sein Können gezeigt, im Tor stand aber schließlich Jamie Robba, eine gute Wahl von Nationaltrainer Allen Bula.

Dass sein Team nur mit einem Rückstand von 0:3 in die Pause ging, durfte durchaus als Achtungserfolg verbucht werden. Der Argentinier Helenio Herrera, der einst mit Inter Mailand mit großem Erfolg den Catenaccio praktizierte, hätte seine wahre Freude gehabt – allerdings interpretierte Gibraltars Nationalteam das System noch um einiges defensiver.

Wie beim Kinderfußball sah die überwiegende Spieldauer aus: alle auf einem Haufen. Während Gibraltar fast alle Spieler rund um den Strafraum postierte, versuchte die DFB-Auswahl den Abwehrriegel über die Flügel zu überwinden. Vor allem über die rechte Seite mit Karim Bellarabi und Shkodran Mustafi gelang dies häufig. So ergaben sich zwar eine Vielzahl an Torchancen, deren nähere Beschreibung aus Platzgründen ausfallen muss, aber bis zur Halbzeit nur zwei Treffer durch Thomas Müller (12., 29.) sowie ein Tor von Mario Götze (38.). 3:0 – etwas dünn für einen Weltmeister, der seine Angriffe häufig zu unkonzentriert abschloss.

Und Gibraltars Offensive? Bis zur 44. Minute dauerte es bis zur ersten Ecke, ernsthaft geprüft wurde Manuel Neuer erst kurz vor der Pause, als Liam Walker den DFB-Keeper mit einem überraschend gefährlichen Distanzschuss überwinden wollte (45.).

Teilweise ungestüm und ungeduldig berannten die Deutschen auch in der zweiten Hälfte das gegnerische Tor, in vielen Szenen fehlte die Präzision. So dauerte es bis zur 67. Minute, ehe das 4:0 fiel. Es war allerdings Gibraltars Yogan Santos, der offenbar Mitleid mit dem strauchelnden Weltmeister hatte und den Ball nach Podolski-Vorlage trocken aus drei Metern ins eigene Netz beförderte. Ein weiterer Treffer sollte nicht mehr fallen. So war es am Ende nur Jonas Hector, der diesen Auftritt Deutschlands für immer in Erinnerung behalten wird. 20 Minuten vor Schluss durfte der Kölner für Erik Durm auf den Platz und war damit der 74. Debütant in der Ära von Bundestrainer Löw.

Mit nun sieben Punkten belegt Deutschland in der Qualifikationsgruppe den dritten Platz, drei Punkte hinter Spitzenreiter Polen. Weiter geht’s in der Qualifikation am 29. März mit der Partie in Georgien. Vor der Winterpause folgt aber bekanntlich noch am Dienstag im spanischen Vigo das Kräftemessen zwischen dem ehemaligen und dem aktuellen Weltmeister. Ein Spiel, in dem es nicht um Punkte geht, aber ums Image – und da gibt es spätestens seit Freitagabend Nachholbedarf.

DFB: Neuer – Mustafi, Boateng, Durm (72. Hector) – Kroos (79. L. Bender), Khedira (60. Volland), Götze, Bellarabi, Podolski – Müller, Kruse. – Zuschauer: 43.520 (ausverkauft). – Tore: 1:0 Müller (12.), 2:0 Müller (29.), 3:0 Götze (38.), 4:0 Santos (Eigentor). – SR: Alexandru Tudor (Rumänien).