Deutschland verliert 2:4 gegen Argentinien beim Abschied von Kapitän Lahm, Mertesacker, Klose und Co-Trainer Flick. Schürrle und Götze treffen

Düsseldorf. Der Rausch ist vorbei. Im ersten Spiel als Weltmeister erlitt die notgedrungen auf vielen Positionen umbesetzte deutsche Nationalmannschaft gegen WM-Finalgegner Argentinien eine Bauchlandung. Mit nur vier Spielern in der ersten Elf, die auch beim Triumph von Rio im Endspiel-Team gestanden hatten, unterlag der umgebaute Champion zum Start in die neue Saison den engagierten Südamerikanern mit 2:4 (0:2). „Man darf keine Sekunde schläfrig sein. Wir hatten drei große Chancen und machen kein Tor“, klagte Rückkehrer Mario Gomez. „Es hat sich einmal mehr gezeigt, dass Argentinien eine große Mannschaft ist, und gegen diese Mannschaften darf man keine Sekunde nachlassen.“

Ein Hauch von Maracanã war immerhin vor dem Spiel zu spüren, als mit allerlei Tamtam die zurückgetretenen Weltmeister Philipp Lahm, Per Mertesacker, Miroslav Klose und der scheidende Co-Trainer Hans-Dieter Flick offiziell verabschiedet worden. Insgesamt 354-mal war das Trio mit dem Nationaltrikot aufgelaufen und entsprechend frenetisch von den 51.000 Zuschauern gefeiert worden. Gänsehautstimmung pur 52 Tage nach dem Finale.

Mit dem Anpfiff war trotz neun Weltmeistern in der deutschen Startelf erstmals an diesem Abend mehr Zukunft als Vergangenheit in Düsseldorf zu spüren. Mit Matthias Ginter, 20, Erik Durm, 22 und Julian Draxler, 20, durften gleich drei WM-Youngster beginnen, die in Brasilien insgesamt nur 14 Minuten am Ball waren. Doch viel Zeit wollte sich die Zukunft offenbar nicht lassen: Nicht mal sieben Minuten waren gespielt, ehe Gladbachs Christoph Kramer Gomez schickte. Der Wahlitaliener zeigte jedoch mit den freundlich begrüßten Argentiniern Gnade und beließ es dabei, die Torwarthandschuhe von Sergio Romero ein wenig zu prüfen.

Viel konsequenter präsentierte sich der Vizeweltmeister, der ohne Superstar Lionel Messi (Adduktorenprobleme) angetreten war. Nachdem 75-Millionen-Euro-Mann Angel Di Maria, der im WM-Finale verletzt fehlte, den Ball weltmeisterlich in den Fünfmeterraum zwirbelte und Ginter eher auf Kreisliganiveau das Abseits aufhob, hatte Maradona-Schwiegersohn Sergio Agüero keine Probleme, den Stimmungskiller zu mimen. 0:1 nach 20 Minuten – so hatten sich die Drehbuchautoren des Final-Remakes das nicht gedacht.

Wirklich geschockt waren die Deutschen zunächst nicht – weder die Spieler noch die Fans. Als auf den Rängen „Die Nummer eins der Welt sind wir“ ein wenig trotzig angestimmt wurde, waren es erneut Kramer und Gomez, die die Gesänge mit Taten untermauern wollten. Doch wie in der Anfangsphase verstolperte Nicht-Weltmeister Gomez die Torchance erbärmlich. Mehr als erbärmlich war es aber, was sich die im Mittelfeld gefällig spielenden Weltmeister in der Defensive für Aussetzer leisteten. Erneut durfte sich Manchester-United-Neuzugang Di Maria in aller Ruhe im deutschen Strafraum ausgucken, zu welchem freistehenden Kollegen er den Ball nun spielen wolle. Er entschied sich für Erik Lamela, der die Kugel aus zehn Metern ins linke Toreck bugsierte. 2:0 nach 40 Minuten – die WM-Revanche war bereits vor der Halbzeit gelungen.

Einen hatte der unglückliche Gomez vor dem Pausenpfiff dann doch noch: Den Abpraller eines Schusses von Marco Reus konnte er wieder mal alleine vor dem Tor erneut nur meterweit vorbeischießen. Dass Gomez bei seinem Missgeschick sogar im Abseits stand war Nebensache. Spätestens nach diesem Fehlschuss hieß es: Willkommen in der neuen Wirklichkeit.

Wie diese im schlimmsten Fall aussehen könnte, machten die gnadenlosen Südamerikaner in nicht mal fünf Minuten nach dem Wiederanpfiff deutlich. Zunächst war es Federico Fernández, der einen Freistoß Di Marias mit freundlicher Mithilfe Ginters und des gerade eingewechselten Roman Weidenfeller zum 0:3 einköpfte (47.). Dann hatte Di Maria schließlich genug vom Torevorbereiten und entschied sich nach einem 40-Meter-Lauf, selbst unter die Torschützen zu gehen (50.). 0:4 im theoretisch unbedeutenden Rematch des Finales – das war ganz praktisch eine deftige Blamage. Bösartige Stimmung von den Rängen sollte aber auch deswegen nicht aufkommen, weil Finaltorvorbereiter André Schürrle sich unmittelbar im Anschluss an das 0:4 selbst ein Tor auflegte und das Debakel mit dem 1:4 wieder halbwegs in Grenzen hielt (52.). Und dann war es Finaltorschütze Mario Götze vorbehalten, mit seinem etwas glücklichen Treffer zum 2:4 (78.) das Resultat noch ein Stück gnädiger ausfallen zu lassen.

Für die Nationalspieler war der verpatzte sportliche Abend mit dem Abpfiff nicht beendet. Trotz der verlorenen Neuauflage des Finales wurde ein letztes Mal der Titelgewinn im Hyatt Regency Hotel mit einer internen Feier zelebriert. Mit dem Insbettgehen war dann die Weltmeisterschaft 2014 endgültig Geschichte.

Von diesem Donnerstag an wird sich auf das erste EM-Qualifikationsspiel gegen Schottland in Dortmund (So., 20.45 Uhr/RTL) vorbereitet. Trotz der ersten Niederlage nach 18 Länderspielen ist das nächste Ziel für Deutschlands Fußballelite längst bekannt: das EM-Finale in Paris in 674 Tagen.

Deutschland: Neuer (46. Weidenfeller) – Großkreutz, Ginter, Höwedes (77. Rüdiger), Durm – Kramer, Kroos (71. Rudy) – Schürrle (57. Müller), Reus, Draxler (33. Podolski) – Gomez (57. Götze). Argentinien: Romero (79. Andujar) – Zabaleta (77. Campagnaro), Demichelis, F. Fernandez, Rojo – Biglia, Mascherano – Lamela (68. Gago), Perez (46. A. Fernandez), Di Maria (86. Alvarez) – Agüero (83. Gaitan). Schiedsrichter: Kuipers (Niederlande). Tore: 0:1 Agüero (20.), 0:2 Lamlea (40.), 0:3 F. Fernandez (47.), 0:4 Di Maria (50.), 1:4 Schürrle (52.), 2:4 Götze (78.). Zuschauer: 51.132 (ausverkauft).