Mit seinem 15. WM-Tor rettet Miroslav Klose, 36, den Deutschen einen wichtigen Punkt gegen Ghana und stellt den Rekord von Ronaldo ein

Fortaleza. Im entscheidenden Moment am späten Sonnabendabend musste Miroslav Klose seinem Alter von nun 36 Jahren Tribut zollen. Er war diesen einen berühmten Schritt zu langsam – und Klose versuchte auch gar nicht, nach Ausreden zu suchen. „Jetzt wollte ich mich doch gerade bei euch vorbeischmuggeln“, gab der Torjäger mit einem breiten Grinsen ungeniert zu, als er in den Katakomben des Estádio Castalão in Fortaleza hinter dem gerade von Journalisten umrundeten Philipp Lahm eine Lücke hin zum Ausgang erspäht hatte. Doch so einfach ließen die Medienvertreter den Schützen des so wichtigen 2:2-Endstands gegen Ghana aus der sogenannten Mixed-Zone natürlich nicht davonkommen.

„Eigentlich wollte ich den Salto überhaupt nicht mehr machen“, gab Klose schließlich bereitwillig Auskunft, „aber irgendwie hat es mich dann gepackt, und ich habe das Ding mal versucht.“ Wirklich gelungen war der Salto, in jungen Jahren immerhin sein Markenzeichen, nach seinem Treffer einige Minuten zuvor aber nicht: „Man sieht, dass ich aus der Übung bin.“

Doch Klose ist nicht zur Turn-WM nach Brasilien gereist. Und bei der Fußball-WM hat der Altmeister am Sonnabend nicht nur das entscheidende Tor zum 2:2 im zweiten Gruppenspiel geschossen. Er hat mit seinem 15. WM-Treffer mit dem Brasilianer Ronaldo in der ewigen Torschützenliste gleichgezogen. „Und das“, lobte auch Bundestrainer Joachim Löw, „ist eine unglaubliche Karriereleistung.“

Sage und schreibe 13 Jahre zuvor hatte Kloses großartige Karriere in der Nationalmannschaft begonnen. Natürlich mit einem Salto. In seinem ersten von 133 Länderspielen hatte der eingewechselte Angreifer in der 88. Minute den 2:1-Siegtreffer in der WM-Qualifikation gegen Albanien erzielt. Dass in den folgenden 132 Länderspielen noch weitere 69 Tore dazukommen sollten, hätte im März 2001 aber wohl niemand für möglich gehalten.

„Damals hat auch das Internet noch niemanden interessiert“, erzählte Klose, gerade noch 35 Jahre jung, vor wenigen Wochen der „Welt am Sonntag“, „heute gehst du auf Reisen und hast ein Handy, iPad, Musikplayer und was weiß ich noch dabei.“ Wenn man den Legionär von Lazio Rom so reden hört, könnte man fast meinen, Opa erzählt vom Krieg. „Ich glaube, gerade die jungen Spieler können sich gar nicht vorstellen, wie das früher mal war. Wahnsinn.“

Doch wie wichtig dieser alte Mann auch heute noch für die Nationalmannschaft ist, wurde am Sonnabend mehr als deutlich. Als es in Fortaleza nach 63 Minuten plötzlich 1:2 stand, wusste Bundestrainer Löw, wen er jetzt gut brauchen könnte: Klose muss es machen. Und Klose machte. Einwechslung in der 69. Minute, erste Ballberührung in der 71. Minute, das Tor und der darauffolgende Salto.

„Es war schön für mich, dass ich gleich die richtige Nase hatte“, sagte der ewige Klose, der sein Methusalem-Geheimnis bereits bei der letzten WM in Südafrika hoch und runter beten musste. Er habe eben nie viel Alkohol getrunken, sei immer früh ins Bett gegangen. „Es kommt mir jetzt zugute, wie ich am Anfang meiner Karriere mit meinem Körper umgegangen bin: Jetzt bin ich fit, ich bin schnell. Und ich hoffe, dass ich noch die eine oder andere Chance haben werde zu treffen.“

Keinen Zweifel daran, dass Klose den WM-Rekord brechen wird, hat ausgerechnet ein Landsmann Ronaldos. Der frühere Hamburger Zé Roberto, der mit seinen mittlerweile fast 40 Jahren (!) auch noch nicht Schluss machen will, weiß nur zu gut, dass man auch im hohen Fußballeralter noch Bestleistungen bringen kann. „Ich kenne Miro aus unserer gemeinsamen Bayern-Zeit sehr gut“, sagt Zé Roberto, „und ich wundere mich überhaupt nicht, dass er trotz 36 Jahren noch immer Weltspitze ist.“ Klose sei in München immer einer der Ersten beim Training gewesen, und nach den Einheiten war er der Letzte. „Er hat immer in seinen Körper reingehorcht, hat viel Stretching gemacht und ist sehr bewusst mit seinem Körper umgegangen“, sagt der frühere HSV-Star.

Klose ist allerdings weit davon entfernt, sich bei der WM in Brasilien zum alternden Ersatzspieler degradieren zu lassen. „Wer mich kennt, der weiß, dass mich das juckt. Jeder, der draußen sitzt, will spielen“, sagt der gelernte Zimmermannsgeselle aus dem pfälzischen Kusel, der am liebsten gleich am Donnerstag gegen die USA spielen und den WM-Rekord brechen würde. Darf er aber nicht beginnen, dann eben nicht. „Ich sehe das total entspannt“, beschwichtigt er. Ein typischer Klose-Satz.

Doch kann dieser alternde Mittelstürmer, im deutschen Team der Letzte seiner Art, tatsächlich noch mal einen draufsetzen? Das Wetter. Die Temperaturen. Die Distanzen. Das alles ist dann doch ganz schön viel für einen Torjäger, der eben nicht im Herbst seiner Karriere angekommen ist, sondern im Winter. Eine Fußoperation hatte er in dieser Saison, dann schmerzte die Schulter, der Rücken zwickte und zuletzt auch noch der Oberschenkel.

„Alles kein Problem“, sagt einer, der von allen Bewunderern am wenigsten Zweifel an Klose hat: Klose selbst. „Ich muss mich nicht quälen. Ich kann Gas geben und erhole mich gut. Und bei einer WM gibt es einen Viertagerhythmus“, sagt er, „das reicht mir.“

Deutschland: Neuer – Jerome Boateng (46. Mustafi), Hummels, Mertesacker, Höwedes – Lahm, Khedira (69. Schweinsteiger) – Özil, Kroos, Götze (69. Klose) – Müller. Ghana: Dauda – Afful, Mensah, Boye, Asamoah – Rabiu (78. Badu), Muntari – Atsu (72. Wakaso), Kevin-Prince Boateng (53. Jordan Ayew), Andre Ayew – Gyan. Schiedsrichter: Sandro Ricci (Brasilien). Zuschauer: 59.621. Tore: 1:0 Götze (51.), 1:1 Andre Ayew (54.), 1:2 Gyan (63.), 2:2 Klose (71.). Gelbe Karte: Muntari.