Beim 4:0-Auftaktsieg gegen Portugal überragt Thomas Müller mit drei Treffern und wird zum Opfer einer spielentscheidenden Tätlichkeit.

Salvador. Es waren exakt 81 Minuten in Salvadors Arena Fonte Nova gespielt, als sich die 51.081 Zuschauer begeistert von ihren Sitzen erhoben. Thomas Müller, der gerade eines der besten Spiele seiner Karriere absolviert hatte, riss die Arme nach oben, klatschte den applaudierenden Fans aus Deutschland, Brasilien und auch aus Portugal seinerseits Beifall und genoss sichtlich den Moment. Gleich dreimal hatte der „Man of the Match“ zuvor im 100. WM-Spiel Deutschlands getroffen. Es waren seine WM-Tore sechs, sieben und acht in seinem siebten Spiel, damit hat er mit Rudi Völler gleichgezogen.

„Das 1:0 hat uns Rückendeckung gegeben, und nach dem 2:0 war bei der Hitze das Spiel im Grunde bereits gelaufen“, sagte der Münchner wenige Minuten nachdem der verdiente 4:0-Sieg Deutschlands gegen Portugal feststand. „Drei Tore im Auftaktspiel einer Weltmeisterschaft gegen so einen Gegner, das ist natürlich etwas Herrliches.“

Was für ein WM-Auftakt! Natürlich war auch Müllers Edelfan Angela Merkel, roter Blazer, weiße Hose, ihrer Rolle als Glücksbringer der deutschen Auswahl auf der Tribüne treu geblieben. Nach ihrem Abendessen am Sonntag mit Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff hatte die Kanzlerin am Montagvormittag das Benediktinerkloster São Bento in Salvador besucht, mittags stand dann natürlich eher Paulo Bento auf Merkels Agenda.

Im Gegensatz zu Bundestrainer Joachim Löw hatte Portugals Chefcoach Bento in der Schwüle von Salvador bei Temperaturen von 27 Grad Celsius und 70 Prozent Luftfeuchtigkeit auf große Veränderungen verzichtet. Lediglich der ehemalige Bremer Hugo Almeida durfte statt des erwarteten Hélder Postiga im lusitanischen 4-3-3-System von Beginn an stürmen. Sehr viel überraschender war da schon auf der Gegenseite Mario Götzes Startelfnominierung, mit der sicherlich nicht einmal die Kanzlerin gerechnet hatte.

Müller, Götze und Özil als dynamisches Dreieck


Und es dauerte auch nicht lange, ehe sich Löws unerwartete Überlegungen rund um den Salvador-Kreisel (siehe Seite 20) auszahlten. Der offizielle Spielberichtsbogen wies zwar Mesut Özil als Sturmspitze sowie Müller (rechts) und Götze (links) als Flügelstürmer aus. Doch tatsächlich rotierte das dynamische Dreieck permanent, was bereits nach elf Minuten erstmals belohnt wurde. Pass Müller, Hacke Özil, Foul an Götze. Initiator Müller nahm das Geschenk João Pereiras dankbar an und vollstreckte vom Elfmeterpunkt aus zum frühen 1:0 (12. Minute).

Die Portugiesen, die vor dem Anpfiff zuversichtlicher und direkt nach dem Anpfiff spritziger wirkten, waren geschockt. Lediglich ein Schuss von Nani über das Tor (25.) sorgte für ein wenig Gefahr, ansonsten wurde Manuel Neuers Schulter der Nation genauso wenig beansprucht wie Ronaldo-Gegenspieler Jérôme Boateng. Der frühere Hamburger nahm Real Madrids Superstar nahezu 90 Minuten lang aus dem Spiel, was die zunächst euphorischen Ronaldo-Fans in Salvador von der zweiten Halbzeit an mit wütenden Pfiffen gegen ihren unglücklich agierenden Liebling quittierten. In Portugals so hochgelobter Offensive lief nichts zusammen.

Ganz anders sah die Sache bei Löws Mannschaft aus. Trotz Saunabedingungen – Kapitän Philipp Lahm: „In der Sonne war es unglaublich“ – spielte sich die DFB-Elf, die seit 1990 alle WM-Auftaktspiele gewinnen konnte, eine Reihe von Chancen heraus.

So war es wenig überraschend, dass sich Deutschland ein zweites Mal belohnte. Überraschend war nur, dass es Mats Hummels war, der eine Ecke von Toni Kroos aus sechs Metern zum 2:0 einköpfte (32.). Im 31. Länderspiel war es der dritte Treffer des Dortmunders, der aber später nach einem Schlag auf den rechten Oberschenkel ausgewechselt werden musste (73.). Später gab er Entwarnung: „Nicht so schlimm.“

Für die vorzeitige Entscheidung sorgte allerdings ein Portugiese. Abwehrrambo Pepe, der bekannt dafür ist, seine Nerven nicht immer im Griff zu haben, machte seinem Ruf alle Ehre. Nach einem Schlag ins Gesicht beim Zweikampf verpasste er dem am Boden liegenden Müller auch noch einen leichten Kopfstoß. Schiedsrichter Milorad Mazic schickte Real Madrids Innenverteidiger vorzeitig zum Duschen (37.). „Ich wollte nichts schinden“, beteuerte Müller. „Ich habe einen Schlag mit der Faust verspürt, was danach passiert ist, kann ich nicht mehr so genau sagen.“

In Überzahl dauerte es gerade mal neun Minuten, ehe der beste Spieler der Partie für die Entscheidung sorgte. Eine Kroos-Flanke reichte Thomas Müller, um gedankenschnell mit links zum 3:0 einzuschießen. Müllers Treffer war die frühzeitige Krönung einer herausragenden Partie – doch es war nicht der Schlusspunkt einer denkwürdigen Leistung. Einen hatte Müller noch. Eine abgewehrte Hereingabe des eingewechselten André Schürrle müllerte der Münchner in seiner typischen Art und Weise zum 4:0 ins Netz. So war es bereits der fünfte WM-Auftakt seit 1990, bei dem Deutschland mindestens vier Treffer erzielte. Müller sei Dank.

Bei der Feier in der Kabine bekam die Mannschaft Besuch von der Bundeskanzlerin. „Wir haben kurz überlegt, sie ins Eisbad zu schmeißen“, erzählte Mustafi grinsend, „haben wir dann aber doch nicht gemacht.“ Stattdessen wurden reichlich Erinnerungsfotos an diesen denkwürdigen Tag erstellt. Aber keines wird so im Gedächtnis bleiben wie dieses Foto, das Angela Merkel mit 23 glücklichen Fußballern zeigt.

Die Statistik

Deutschland: Neuer – Boateng, Hummels (73. Mustafi), Mertesacker, Höwedes (26/22) – Lahm, Khedira – Özil (63. Schürrle), Kroos, Götze – Müller (82. Podolski)

Portugal: Rui Patrício – Alves, Pepe, Pereira, Coentrão (65. Andre Almeida – Veloso (46. Costa) – Mereiles, Moutinho – C. Ronaldo – Hugo Almeida (28. Eder), Nani

Tore: 1:0 Müller (12., Foulelfmeter), 2:0 Hummels (32.), 3:0 Müller (45.+1), 4:0 Müller (79.)

Schiedsrichter: Milorad Mazic (Serbien)

Zuschauer: 51.081

Gelbe Karte: Pereira

Rote Karte: Pepe nach einer Tätlichkeit (37.)