Der 60-Jährige kritisiert eine schwache portugiesische Mannschaft und lobt Instinktfußballer Thomas Müller. Anstelle einer Roten Karte für Pepe schlägt Magath Sozialdienst im Kindergarten vor.

Wer noch unsicher gewesen sein sollte, welche Rolle die deutsche Mannschaft bei dieser Weltmeisterschaft spielen könnte, der dürfte nach diesem Auftakt nicht mehr umhinkommen, sie in die Reihe der Favoriten einzuordnen. Das war – sicherlich begünstigt durch den frühen Führungstreffer und das alsbald folgende 2:0 – eine überzeugende, kompakte und taktisch kluge Mannschaftsleistung gegen eine zugegebenermaßen an diesem Tag schwache portugiesische Elf. Ganz so problemlos hatte ich mir das zuvor nicht vorgestellt. Bis auf zwei halbwegs gefährliche Schüsse von Cristiano Ronaldo hatte Manuel Neuer nichts zu parieren. Diese Aufgaben hat er dann gewohnt zuverlässig erledigt.

Warum Portugal als Weltranglistenvierter einmal mehr bei einem großen Turnier die hohen Erwartungen zu enttäuschen droht, hat wohl mit ebendiesem Ronaldo zu tun. Es gab mehrere Szenen, in denen seine Mitspieler ihm den Ball zupassten und glaubten, damit ihren Job erledigt zu haben, sich danach nicht mehr anboten und alle Verantwortung an ihren Superstar abgaben. Der konnte seine Kräfte aber kaum entfalten, weil allen voran Jérôme Boateng, jedoch im Verbund mit seinen gut gestaffelten Nebenleuten, die Kreise von „CR7“ entscheidend störte. Boateng hatte diesmal sogar die Freiräume, mit seinen Vorstößen auf der rechten Seite in der Offensive Akzente zu setzen.

Die stabile deutsche Defensive, zuletzt oft hart kritisiert, war diesmal die Basis des Erfolges. Abstimmung und Zusammenarbeit mit den anderen Mannschaftsteilen stimmten. Jeder half mit, wenn es galt, Räume zuzustellen oder einen Zweikampf seines Nebenmanns abzusichern. Dieses verlässliche Miteinander durfte nach der intensiven Vorbereitung allerdings erwartet werden.

Auch deshalb klappte der schnelle Wechsel von Abwehr auf Angriff ausgesprochen gut. Dieses Umschaltspiel ist eine, wenn nicht die Waffe dieser Mannschaft. Und vorne haben wir ja wieder einen Müller. Thomas Müller, wie einst Gerd Müller trägt er die Nummer 13, ist kein grandioser Techniker wie Mario Götze oder Mesut Özil, seine Aktionen wirken manchmal nicht gerade elegant. Er ist jedoch ungemein effektiv, im Strafraum aggressiv und durchsetzungsfähig. Seine Chancen erarbeitet er sich mit hohem Laufpensum und großem Einsatz. Wenn Joachim Löw ihm weiter das Vertrauen schenkt, kann er wie 2010 in Südafrika Torschützenkönig auch dieser WM werden.

Noch ein Gedanke zur Roten Karte für den Portugiesen Pepe. Ich bin grundsätzlich gegen Platzverweise, wenn die strittige Aktion – wie in diesem Fall – die Gesundheit des Gegners nicht gefährdet. Nach der Hinausstellung hatte das Spiel für mich schon von der 37. Minute an jede Spannung verloren. Das ist nicht im Sinne der Zuschauer im Stadion und an den Bildschirmen. Mein Vorschlag wäre: Gelbe Karte plus zusätzlicher Geldstrafe. Oder besser noch: Sozialdienst im Krankenhaus oder Kindergarten. Davon haben am Ende alle etwas, und der Fußballfan wird nicht um die erhoffte und meist teuer bezahlte Unterhaltung gebracht.

Abendblatt-Kolumnist Felix Magath, 60, hat 43-mal für die deutsche Nationalelf gespielt