Dortmunder Kevin Großkreutz randalierte nach Pokalniederlage. Zudem weiter große Verletzungssorgen im DFB-Quartier

Er wirkte in sich gekehrt. Und hätte er die Chance gehabt, sich auf seinem Zimmer zu verkriechen, Kevin Großkreutz hätte sie wohl genutzt. Doch wie es der Zufall nun mal wollte, bekamen die angereisten deutschen Medienvertreter am Sonntag Einlass ins Quartier der deutschen Nationalmannschaft in Südtirol. Ausgerechnet an dem Tag, an dem in großen Lettern zu lesen war: „Nationalspieler randaliert in Hotellobby“.

Die „BamS“ hatte über einen Partyskandal berichtet. Der Dortmunder Mittelfeldspieler soll am Morgen nach der Niederlage im DFB-Pokalfinale gegen den FC Bayern vor einer Woche in einem Berliner Hotel uriniert und einen Zwist mit einem Hotelgast gehabt haben. Sogar die Polizei musste kommen. Es war eine Geschichte, die die Stimmung im Trainingslager trübte. Großkreutz musste zum Rapport bei Bundestrainer Joachim Löw und Teammanager Oliver Bierhoff. Beide sprachen eindringlich auf ihn ein und erinnerten ihn daran, dass er als Nationalspieler in besonderem Maße eine Vorbildfunktion habe. Großkreutz bekam quasi die Gelbe Karte. Der 25-Jährige, der von seinem Arbeitgeber eine Geldstrafe bekommen hat, darf vorerst im Nationalteam bleiben. Aber er darf sich keinen Vorfall dieser Art mehr leisten.

Reumütig saß er am Sonntag im Garten des Hotels Andreus. Er mochte den fragenden Journalisten kaum in die Augen schauen, so peinlich ist ihm die Geschichte ganz offensichtlich. „Es tut mir leid“, sagte Großkreutz kleinlaut und erzählte, wie frustriert er nach der Finalniederlage gewesen sei. Er berichtete von einem Blackout, den er gehabt habe. „Aber das Thema ist jetzt durch. Ich habe mit dem Bundestrainer und dem Teammanager gesprochen. Ich will und werde mich jetzt voll auf die Nationalmannschaft konzentrieren“, sagte Großkreutz: „Mehr gibt es dazu von mir nicht zu sagen.“ Bierhoff berichtete von einem ernsten Gespräch mit Großkreutz. „Das sind junge Kerle“, sagte der Teammanager: „Kevin ist sehr emotional, er hat viel Leidenschaft, nach dem Endspiel aber auch viel Frust. Das kann mal passieren.“

Trotz des unrühmlichen Fauxpas durfte sich der Dortmunder Mittelfeldspieler der Unterstützung seiner Mitspieler sicher sein. Kaum einer wollte am Sonntag darauf eingehen. „Das ist kein Thema für mich“, sagte Mario Götze, der bis vor einem Jahr noch mit ihm in Dortmund zusammengespielt hat und nun beim FC Bayern ist. „Die Sache ist nicht bei der Nationalmannschaft passiert“, ergänzte Götze. Ein Fakt, der Großkreutz wohl vor dem sofortigen Rausschmiss aus dem Nationalteam bewahrt hat. Auch Philipp Lahm mochte den Partyskandal nicht kommentieren. Etwas sagte der Kapitän der Mannschaft dann aber doch noch an die Adresse von Großkreutz: „Es ist wichtig, dass er jetzt alles für seine Kameraden gibt. Das sollte jedem Spieler bewusst sein.“

Die kommenden Tage in der Vorbereitung werden zeigen, inwieweit Großkreutz daraus gelernt hat. Im Lager der deutschen Elf können sie Geschichten wie diese nicht gebrauchen. Gibt es doch schon genug Sorgen um verletzte Stammspieler. Nicht einmal drei Wochen sind es noch zur WM. Doch noch immer muss Löw auf arrivierte Kräfte wie Lahm, Manuel Neuer und Bastian Schweinsteiger verzichten.

Lahm laboriert noch an einer Verletzung im linken Sprunggelenk. Es würde ihm von Tag zu Tag besser gehen, berichtete der Spieler des FC Bayern. Einen Zeitpunkt, wann er denn wieder vollends einsatzfähig sei, wollte er nicht nennen. Er hält es aber für realistisch, dass er zum ersten WM-Vorrundenspiel gegen Portugal am 16. Juni wieder fit ist. „Im Moment ist es wichtig, dass ich mich nicht unter Druck setze, sondern alles Schritt für Schritt mache“, sagte Lahm: „Die Geduld habe ich. Denn ich bin keine 18, 19 Jahre mehr und weiß, was ich drauf habe.“ Neuer wird jeden Tag wegen seiner Verletzung an der rechten Schulter behandelt. „Ich bin jedenfalls voll im Zeitplan und fühle mich so weit ganz gut“, sagte Neuer.

Auch wenn Lahm und Neuer noch nicht mittrainieren und der Mannschaft in der Vorbereitung helfen können, verbreiten sie, was ihre Rückkehr ins Teamtraining betrifft, zumindest Optimismus. Selbst der Dritte im Bunde, Bastian Schweinsteiger, gab sich voller Hoffnung. Doch auch der Mittelfeldspieler des FC Bayern wollte keinen Zeitpunkt für seine vollständige Genesung nach der Reizung an der linken Patellasehne nennen. „Ich weiß nicht, wann es so weit sein wird“, sagte Schweinsteiger. Zuletzt konnte er nur Runden um den Trainingsplatz drehen, Fahrradfahren und nur vorsichtig mit dem Ball arbeiten. Schweinsteiger will kein Risiko eingehen – wohl eine Lehre aus der EM 2012. Ein schlecht verheilter Außenbandriss hatte ihm zu schaffen gemacht, weshalb Schweinsteiger nicht wirklich eine Stütze war.