„Grüß Gott!“: Bayerns neuer Startrainer Pep Guardiola spricht bei seiner Vorstellung in München Deutsch und gibt sich zurückhaltend und bescheiden.

München. Und dann war er wieder weg. Nach nicht einmal 90 Minuten war er wieder verschwunden in den Katakomben der Münchner Arena und hatte seinen ersten Auftritt beim FC Bayern hinter sich gebracht.

Davor lagen knapp eineinhalb bemerkenswerte Stunden, bei einem Einstand, in dem der als monatelanges Phantom umherschwirrende Pep Guardiola endlich menschliche Züge angenommen hatte. Ein Debüt als neuer Trainer der Bayern, bei dem er sich als höflicher und bescheidener Mann zeigte, manchmal fast ein wenig demütig. Eine Vorstellung, bei der er viel redete, aber noch nicht wirklich viel sagte. Eine Vorstellung, die aber vor allem eine Frage aufwarf: Wie will Guardiola seine Spieler erreichen?

Die Spannung in der Stadt war in den Tagen vor seinem Antritt ins Unerträgliche gestiegen. Eine Aufregung, die nicht größer hätte sein können, hätten Ludwig II. und Franz Josef Strauß auf einmal ihre Rückkehr auf die Erde angekündigt. Schon dreieinhalb Stunden vor Beginn der Pressekonferenz hatte der Medienraum für die 250 akkreditierten Reporter geöffnet, die aus aller Welt gekommen waren – selbst aus Brasilien oder Katar. Stilecht wurden spanische und bayerische Tapas kredenzt, von Oliven und der Käsespezialität Obatzda bis zur Crema Catalana und der Bayrisch Creme. Unterdessen gab es schon längst im Internet Liveticker, in denen zu erfahren war, wie sich Guardiola auf dem Sonntagsflug nach München einen Apfelstrudel bestellt, wie er mit Frau Cristina und Tochter Maria, 9, am Abend das Hotel bezogen, wie er Montagmorgen mit Sportdirektor Matthias Sammer gefrühstückt hatte. Da noch im blauen Polohemd.

Später trug er einen grauen Zweireiher. Es war fünf nach zwölf, als die neue Zeitrechnung begann, als er mit Sammer, Präsident Uli Hoeneß, Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und Medienchef Markus Hörwick den Presseraum betrat. Und als Hörwick seine Einleitung beendet hatte, sagte der Katalane seine ersten Worte. Auf Deutsch. „Guten Tag und Grüß Gott!“

Es steht zu erwarten, dass diese Begrüßung in all den Jahresrückblicksendungen so häufig zu sehen sein wird wie das „Buona Sera“ von Papst Franziskus Mitte März auf dem Balkon des Vatikan. Peps Pontifikat konnte beginnen.

+++ Guardiolas Vorstellung im Ticker +++

Und es begann gleich mit einer Entschuldigung. „Verzeihen Sie mir mein Deutsch, ich habe ein Jahr in New York gelebt, das ist nicht der optimale Ort, Deutsch zu lernen.“ Und gleich weiter: „Es ist ein Geschenk und ein Glück für mich, dass Bayern München daran gedacht hat, mich zu holen.“

Guardiola wirkte ein wenig verschüchtert, und zumindest am Montag wollte er nicht gleich den Eindruck erwecken, sich als allwissender Heilsbringer aufzuspielen, der den Fußball neu erfinden möchte, geschweige denn den FC Bayern. Dass er nicht daran denkt, sein Tiki-Taka aus Barcelona auch auf München zu übertragen. „Ich muss mich zu 100 Prozent anpassen. Der Fußball gehört den Spielern, nicht den Trainern. Die Zuschauer kommen, um die Spieler zu sehen, nicht den Trainer.“ Zu verkünden, jetzt das ganze System umzukrempeln, wenige Wochen nach dem Triple wäre das auch nicht besonders klug gewesen.

Beeindruckende Deutsch-Kenntnisse

Guardiola präsentierte sich als nahbarer Mann, sympathisch und authentisch, und bemühte sich, jede Frage spontan zu beantworten. Wie er mit dem Druck umgehen könne, sich an der grandiosen Saison messen zu müssen? „Ich muss in der Lage sein, damit zu leben, ich bin glücklich.“ Ob er schon Kontakt zu seinem Vorgänger Jupp Heynckes hatte, um mehr über die Mannschaft zu erfahren? „Noch nicht, aber ich hoffe, in nächster Zeit, für mich wäre das super. Es ist eine große Ehre, sein Nachfolger zu sein.“ Und ob er als Kulturliebhaber wie in New York, als er mit Woody Allen zum Essen ging, auch die Münchner Kunstszene näher kennenlernen wolle? „Dann müssen die Künstler an die Säbener Straße kommen. Ich werde die nächsten sechs Monate nur dort anzutreffen sein.“ Das sorgte dann sogar für Heiterkeit.

Launig auch der Moment, als er über seine Motivation sprach und grammatikalisch ins Stocken kam: „Bayern ist einer der wenigen großen Vereine in der Welt, und wenn Bayern ruft dir … - oder ruft dich?“ – woraufhin ihn Medienmann Hörwick aufklärte, dass „rufen“ den Akkusativ nach sich zieht.

Es war zweifellos beeindruckend, dass es sich Guardiola nach nur einem halben Jahr Unterricht zutraute, die Fragen der einheimischen Journalisten auf Deutsch zu beantworten. Dabei offenbarte er natürlich noch verständliche Defizite. Die Suche nach den richtigen Worten, der klare und bestimmte Ausdruck, die Selbstsicherheit bei seinen Erklärungen, es stockte recht oft.

Evident wurden diese Mängel, als er Journalisten aus der Heimat Spanien und sogar aus Italien in deren Landessprachen antwortete. Da sprudelte es aus Guardiola nur so heraus, er sprach viel lauter, war ganz in seinem Element. In diesem Moment konnte sich der neutrale Betrachter nur schwer vorstellen, wie er gedenkt, in knapp zwei Monaten bei einem möglichen Halbzeitrückstand in der Bundesliga auf Deutsch eine Ruckrede wie einst Heynckes zu halten, um seine Mannschaft aufzurütteln. „Ich hoffe, in nächster Zeit meine Deutsch-Kenntnisse noch zu verbessern“, sagte er. Das muss er auch.

Viele Höflichkeiten gab es natürlich noch vom Bayern-Triumvirat ringsherum. Rummenigge sprach über Guardiolas Verpflichtung von einer „wunderbaren Geschichte, die den deutschen Fußball befruchten wird“. Sammer erwies sich als Integrationsbeauftragter des Vereins, als er sagte: „Mein größter Wunsch ist es im Moment, dass sich die Familie Guardiola so schnell wie möglich in München wohlfühlt, dass sie das Gefühl hat, in der Heimat zu sein.“ Und Präsident Uli Hoeneß, den im Juli möglicherweise noch eine Anklageschrift wegen seiner Steueraffäre erreichen wird, sagte, dass er bei einem Besuch in New York nach fünf Minuten das Gefühl hatte, dass es passen würde.

Dieser richtige Mann ging nach den 60 Minuten Presserunde auf den Rasen der Arena. Da warteten zwei Kinder und das Bayern-Maskottchen „Berni“, mit denen Guardiola fröhlich herumkickte. Da wartete aber auch Audi-Chef Rupert Stadler, der ihm aus Ingolstadt das neue Dienstfahrzeug, einen schwarzen S8, mitgebracht hatte. Vor etlichen Dutzend Fotografen setzte sich Guardiola auf die Trainerbank, zum Schluss schaute er sich auf der Videowand kurze Clips an. Willkommensbotschaften von Einheimischen und Touristen aus der Münchner Innenstadt, Wünsche an Pep Guardiola. Ganz am Ende sagte einer in tiefstem Heimatdialekt: „Jetzt packt’s o, Burschn. Auf geht’s, packmas, greift’s o.“ Da schaute Guardiola ein wenig entgeistert, dann ging er zurück Richtung Kabine. Es braucht noch seine Zeit, bis er das Bairische versteht, und wohl auch, bis er den Verein versteht.

Guardiola ist endlich in München. Bis er ganz angekommen ist beim FC Bayern, wird es wohl noch dauern.