So unterschiedlich Dortmunds Jürgen Klopp und Münchens Jupp Heynckes als Typen auch sind, als Trainer haben sie viel gemeinsam.

Hamburg . Popstar, was auch sonst? Trainer wäre viel zu profan und würde es sowieso nicht treffen. Der neue Popstar des Fußballs, schrieb also die "Daily Mail", die zweitgrößte englische Zeitung. Es ging um Jürgen Klopp, 45. Popstar, das war mal David Beckham, "The Special One" Mourinho hat einen ähnlichen Rang. Und nun also Klopp. Der Mann, der Borussia Dortmund dieses Jahr ins Endspiel der Champions League geführt hat und in den Jahren zuvor zur Meisterschaft (2011) und zum Doublegewinn (2012). Der aus dem Klub, der noch vor fünf Jahren in den Niederungen der Bundesliga spielte, ein europäisches Schwergewicht gemacht hat. Mögen noch so viele Lewandowskis oder Gündogans auf dem Platz brillieren, der Star der Borussia steht an der Seitenlinie. "Für uns gibt es weltweit keinen besseren Trainer", sagt Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. "Er hat über die Jahre hier sehr viel bewegt. Unser Spiel hat sich dramatisch verändert", sagt Kapitän Sebastian Kehl.

"Die jungen Wilden erobern Europa", so lobte die italienische "Gazzetta dello Sport" Trainer Klopp, er mache aus Talenten Stars, aus 20-Jährigen Überflieger. Weil er ihnen hübsch anzuschauenden Offensivfußball verordnet hat. Äußerst erfolgreich ist er noch dazu, mitunter gar dramatisch. Doch die sportlichen Meriten sind nur die Basis für Klopps internationale Reputation. Klopp ist ein Charismatiker, gar Entertainer, wenn er abseits des Platzes über die Launen des Lebens plaudert. Sportdirektor Michael Zorc sprach mal als "Menschenfänger im positiven Sinne" über ihn. Einer, der authentisch und um keinen Spruch verlegen ist. Jüngst erst, er sollte über seine Vorliebe für Karaoke reden, da sagte Klopp, der große Sänger sei er nun wahrlich nicht. Aber 8000 Punkte auf der Playstation, das habe er mal mit "Country Roads" geschafft, allerdings nur, weil man da so laut singen könne. Die Lacher hatte er auf seiner Seite. Mal wieder.

Natürlich weiß Klopp, wie Imagebildung funktioniert, und natürlich setzt er das auch gezielt ein. Mitunter schießt er dabei auch über das Ziel hinaus. Im "Guardian" gab er vor ein paar Tagen ein Interview, er sprach über die Underdog-Stellung der Dortmunder im Finale in Wembley und über die unterschiedliche Ausrichtung der beiden Klubs. Einen Arbeiterverein nannte er seinen börsennotierten Klub. Er weiß eben, was englische Fans schätzen, auch wenn es nur noch dem Mythos und nicht mehr der Realität entspricht. In England aber lieben sie Klopp, internationale Angebote hat er viele. Und Trainer-Guru Ottmar Hitzfeld rückte ihn jüngst mal wieder in die Nähe der Bayern, weil "die meistens nur die besten Trainer verpflichten". Momentan keine Chance, sagt Klopp, wenn es um Abwerbeversuche geht. "Wenn mich in drei, vier Jahren jemand will, können wir reden." So lange bleibe er definitiv beim BVB, als Trainer, und wer ihn als Popstar bezeichnen will, bitte schön.

Seinen bayerischen Pendanten im Finale, Jupp Heynckes, 68, nennt keiner einen Popstar, das wäre ja auch noch schöner. Heynckes, sagt Franck Ribéry, ist "ein großer Herr", ein Senor, so hat ihn Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge mal genannt, weil Heynckes dem Spanischen sehr zugeneigt ist, seine Jahre in Bilbao, der Champions-League-Sieg mit Real Madrid 1998, als er im Anschluss gehen musste. Das alles gehört zur Vita des Altmeisters.

Seit zwei Jahren ist Heynckes nun wieder in München, im Sommer endet sein Engagement, in der Bundesliga ist dann Schluss. Ob er im Ausland weitermacht? Wohl eher nicht, Real aber hat angefragt. Erst nach dem Pokalfinale will sich Heynckes erklären. Am vergangenen Sonnabend, dem letzten Spieltag, die Bayern mussten ausgerechnet bei seinem Heimatverein Mönchengladbach ran, da weinte er auf der abschließenden Pressekonferenz. Es waren ungewohnte Gefühlsregungen von Heynckes, zumindest in der Öffentlichkeit. In München hatte er stets etwas Kontrolliertes, mitunter Unnahbares, aber immer auch Altersmildes an sich. Als etwa der Disput zwischen Bayern-Sportvorstand Matthias Sammer und Klopp vor ein paar Wochen in der Liga eskalierte, da stand Heynckes ein paar Meter daneben und schaute fast schon amüsiert auf die Zankenden.

Doch mögen Heynckes und Klopp auch noch so unterschiedliche Typen sein, in ihrer Profession als Trainer eint sie mehr, als es auf den ersten Blick erscheint. Ob das Finale auch ein Trainerduell sei, wurde Heynckes jüngst gefragt. Ihm leuchtete die Logik nicht ganz ein. "Warum ich gegen Jürgen?", sagte er. Er schätze seinen Kollegen. "Beide Mannschaften tragen die Handschrift ihrer Trainer", sagt Heynckes. Beide sind akribische Arbeiter, exzellente Taktiker sowieso. Vor allem aber erreichen sie die Mannschaft, der eine (Klopp) noch mehr als Motivator, der andere (Heynckes), weil er auch all die Befindlichkeiten seine Stars und Diven zu moderieren weiß.

Die "menschliche Seite" loben Spieler wie Ribéry und Arjen Robben an Heynckes. Dass er den Van-Gaal'schen-Dominanzfußball noch einmal weiterentwickelt habe, sagt Kapitän Philipp Lahm. Vor allem aber habe er aus den dreifachen Vize-Bayern der Vorsaison eine Mannschaft geformt, die eine Balance zwischen Offensive und Defensive gefunden hat. Im Sommer wird ihn nun Pep Guardiola beerben, als der beste Trainer der Welt wurde er von den Münchner Oberen angepriesen. Heynckes war nicht sonderlich amüsiert, dass sie auch gleichzeitig sein Amtsende verkündeten. Aber dann spielten seine Bayern ein Rekord nach dem nächsten ein. Eine Rückrunde in der Liga ganz ohne Niederlage, das Viertel- und Halbfinale in der Champions League gar ohne Gegentor. Heynckes möglicher Abgang mit Meisterschaft, Champions-League-Sieg und DFB-Pokal wäre jedenfalls eine Ironie des Schicksals.

Heynckes, so sagten seine Spieler vor dem Spiel in London, sei extrem fokussiert. Mitunter hat er asketische Züge an sich. Wie sonst lässt sich diese Aktion einordnen: Ausschweifende Feiern bei einem möglichen Champions-League-Triumph? Nicht mit Heynckes. Die Fans wurden gar gebeten, am Sonntag nicht zum Münchner Flughafen zu kommen. Die Mannschaft werde nicht groß zu sehen sein, hieß es in einer Pressemitteilung. Eine unverzügliche Vorbereitung auf das Endspiel im DFB-Pokal am 1. Juni hat Heynckes angemahnt. Das mögen viele als spießig einstufen. Doch Heynckes will alles, Meisterschaft, Champions League und den Pokal. Erst dann will er feiern.