Bernd Schuster heuert wohl an diesem Freitag als Trainer in Wolfsburg an. Die glamouröse Verpflichtung ist ein Wagnis.

Wolfsburg. Der wegweisende Hinweis kam ausgerechnet vom ausgebooteten Trainer. Lorenz-Günther Köstner hatte treu ergeben zweieinhalb Monate lang die Geschicke des VfL Wolfsburg geleitet, den Klub von einem Abstiegsrang geführt und dank eines 2:1 über Leverkusen das Viertelfinale des Pokals erreicht. Am Ende aber langte all das nicht für einen Verbleib als Übungsleiter der ersten Mannschaft. "Seit heute Morgen herrschen klare Verhältnisse", sagte Köstner Donnerstag nach einem Gespräch mit Geschäftsführer Klaus Allofs. "Ich habe mich von jedem einzelnen Spieler verabschiedet."

Köstner, 60 Jahre alt und in der Branche als ehrlicher Arbeiter mit feinen Umgangsformen bekannt, kehrt nun zurück zu den Amateuren und macht ohne großes Brimborium den Weg frei für einen, der deutlich mehr Glamour in den Klub bringt als der bodenständige Bayer: Bernd Schuster. Der früher als "blonder Engel" verehrte Weltklassespieler ist quasi ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk für den zuletzt vom großen Glanz befreiten VfL und seine Fans.

Freitag schon soll der 52-Jährige als neuer Trainer in Wolfsburg vorgestellt werden, bereits seit einigen Tagen hatte Geschäftsführer Allofs mit Schuster verhandelt, zuletzt waren nur noch Details im bis 2015 befristeten Vertrag zu klären. "Es ist richtig, dass Bernd Schuster ein Kandidat ist, aber es müssen alle Rahmenbedingungen stimmen", erklärte Allofs. "Wir wollen es aber möglichst schnell klarmachen."

Für Allofs, selbst erst seit einem Monat im Amt, dürfte die Verpflichtung von Schuster erster echter Prüfstein seiner Arbeit an neuer Wirkungsstätte sein. In Bremen hatte er sich nie von einem Trainer trennen müssen, 13 Jahre lang hielt die Verbindung zu Thomas Schaaf, ehe Allofs den Verlockungen des Geldes erlag und zum norddeutschen Konkurrenten abwanderte. Nun wird er sich messen lassen müssen an Schuster, dessen Verpflichtung deshalb auch ein großes Wagnis darstellt.

Denn bislang hat der Trainer Schuster trotz eines Meistertitels mit Real Madrid nicht anknüpfen können an die große Karriere des Spielers Schuster. Insbesondere in Deutschland galt er früh als gescheitert und seither als schwer vermittelbar - was er selbst nicht so recht verstehen mag. "Ich vermute, dass es einerseits immer noch mit meinem Image in Deutschland zusammenhängt und andererseits damit, dass ich schon so lange mit Spanien assoziiert werde", vermutete er.

1998 hatte Schuster für ein gemessen an seinem Renommee kleines Gehalt von 40.000 Euro monatlich beim Zweitligaklub Fortuna Köln seine Trainerkarriere gestartet. Das Engagement scheiterte jedoch nach nur einem Jahr. Schuster schloss sich kurzerhand dem 1. FC Köln an, konnte aber den angepeilten Wiederaufstieg mit seinem früheren Klub als Spieler nicht verwirklichen und wurde wiederum nach einem Jahr durch Ewald Lienen ersetzt. Seither ist er in Deutschland nicht mehr als Trainer tätig gewesen.

Dabei war Schuster nach dem Ende seiner aktiven Karriere ohnehin nicht sonderlich scharf auf das Trainerdasein gewesen. "Mein ganzes Profi-Leben habe ich mich über Trainer geärgert. Mit 30 war ich überzeugt, dass ich das niemals machen werde, dann bin ich da irgendwie reingerutscht." Bei Deportivo Xerez und UD Levante sammelte er wichtige Erfahrungen, ehe er sich nach einem Gastspiel in Donezk im Sommer 2005 dem FC Getafe anschloss und mit dem kleinen Klub sogar das Pokalfinale erreichte. Real Madrid wurde auf den wortkargen Deutschen aufmerksam und verpflichtete Schuster als Trainer. Mit den Königlichen wurde er auf Anhieb Meister und Supercup-Sieger, musste aber trotzdem nach eineinhalb Jahren gehen. Auf die Frage, ob er das nächste Spiel gegen Barcelona gewonnen werden müsse, sagte Schuster seinerzeit, dass das Spiel im Camp Nou im Augenblick seine geringste Sorge sei, dort sei für sein Team sowieso nichts zu holen. "Es ist das Jahr des FC Barcelona." Das war zwar typisch Schuster, aber eben auch zuviel der Abgebrühtheit für selbstbewusste Madrilenen.

Es dauerte fast zwei Jahre, ehe der frühere Spielgestalter wieder unterkam. Im Sommer 2010 unterschrieb er bei Besiktas Istanbul, aber nach nur neun Monaten wurde der Vertrag wegen einer Niederlagenserie aufgelöst. Seither hat der stolze Herr Schuster auch Demut gelernt. Als TV-Experte hatte er sich zuletzt fast angebiedert für ein Traineramt: "Ich sitze zu Hause und warte auf einen Anruf." Das Angebot seines früheren Nationalmannschaftskollegen Allofs dürfte er recht dankbar aufgenommen haben, zumal der Geschäftsführer vom Neuen in Gänze überzeugt scheint. "Wir müssen jetzt die Weichen stellen und den Moment nutzen", sagte Allofs.