In nicht einmal 30 Minuten zerstörte die DFB-Auswahl beim 4:4 gegen Schweden alles, was sie sich zuvor so glanzvoll aufgebaut hatte.

Berlin. Eine Stunde war die deutsche Nationalmannschaft auf dem besten Weg, sich endgültig vom Gerede um das Halbfinal-Aus bei der EM zu befreien. Sie zauberte, verzückte Fans und Experten gleichermaßen, zeigte sich als Einheit. Doch was der Gala dann folgte, war nicht zu fassen und einmalig in der nicht gerade ereignisarmen deutschen Fußball-Historie.

+++ Der Spielverlauf im Liveticker +++

In nicht einmal 30 Minuten zerstörte die DFB-Auswahl beim 4:4 gegen Schweden alles, was sie sich zuvor so glanzvoll aufgebaut hatte. Da zeigten Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Co. eindrucksvoll, wie aus Helden Versager werden können. Dass die Diskussionen um eine Wackel-Abwehr, um Luxus-Oase, um flache Hierarchie nun neue Nahrung erhalten, haben sich die Stars ganz alleine zuzuschreiben.

Das sei ihm egal, sagte Schweinsteiger zwar trotzig - damit leben müssen er, seine Kollegen und Joachim Löw aber in den nächsten Monaten allemal. Der Bundestrainer muss sich nach diesem historischen Zusammenbruch zudem die Frage gefallen lassen, warum er bei seinen Spielern in der allgemeinen Hektik kein Gehör mehr fand.

Wirkungslos verpufften seine Versuche, Einfluss auf das Geschehen zu nehmen - wie zuletzt schon bei der Niederlage gegen Italien. Er habe es versucht, sei letztendlich aber machtlos gewesen, äußerte Löw lapidar. Machtlos gegen einen kollektiven Blackout, gegen den sich niemand so recht stemmte.

Wo waren in dieser prekären Situation die Führungsspieler, von denen es angeblich so viele in der DFB-Auswahl gibt? Wo waren die Lahms, Schweinsteigers, Neuers, Özils, Mertesackers, Badstubers dieser Welt? Als es darauf ankam, war keiner von ihnen in der Lage, das Ruder noch einmal herumzureißen und für Ordnung zu sorgen. Da hätte sich Führungsstärke gezeigt. Stattdessen gingen alle unter.

Was nach einem denkwürdigen Abend blieb, war große Fassungslosigkeit und die Erkenntnis, dass die deutsche Elf eine große Chanche verpasst hat. Nicht nur die Chance, auf dem Weg zur WM 2014 bereits frühzeitig eine Vorentscheidung herbeizuführen. Sie hätte vor allem mit einem Schlag für Ruhe sorgen können. So aber zeigte sich in Berlin auf einmalige Art und Weise wie fragil das Gebilde Nationalmannschaft nach wie vor ist.

Auf der einen Seite steht eine DFB-Auswahl, die spielerisch in der DFB-Geschichte keinen Vergleich scheuen muss. Die weltklasse sein kann, wenn sich die Spieler voll auf ihre Aufgabe konzentrieren. Die in solchen Momenten selbst Spanien Paroli bieten könnte.

Auf der anderen Seite zeigt sich aber auch zu oft ein Team, das bei etwas mehr Gegenwind Probleme bekommt, das gewissen Drucksituationen nicht gewachsen ist, dem der Killerinstinkt fehlt. Das zieht sich seit der WM 2006 wie ein roter Faden durch. In den entscheidenden Momenten waren Teams wie Italien oder Spanien eben einfach den Tick besser oder cleverer.

Löw befürchtet dennoch keine Nachwirkungen des ernüchternden 4:4. Er werde das Spiel analysieren und dann werde man den Weg weitergehen. Die Frage ist: welchen Weg? So wird der Titel 2014 wieder nur ein Traum bleiben.

Deutschland: Neuer - Boateng, Mertesacker, Badstuber, Lahm - Kroos, Schweinsteiger - Müller (67. Müller), Özil, Reus (88. Podolski) - Klose.

Schweden: Isaksson - Lustig, Granqvist, J. Olsson, Safari - Wernbloom (46. Källström), Elm - Larsson (78. Sana), Ibrahimovic, Holmen (46. Kacaniklic) - Elmander.

Tore: 1:0 Klose (8.), 2:0 Klose (15.), 3:0 Mertesacker (39.), 4:0 Özil (55.), 4:1 Ibrahimovic (62.), 4:2 Lustig (64.), 4:3 Elmander (76.), 4:4 Elm (90.+3).

Gelb: Reus (2), Lahm, Schweinsteiger / Isaksson.

Schiedsrichter: Pedro Proenca (Portugal).

Zuschauer: 72 369 (ausverkauft).