Beim 6:1 gegen Irland deutet die Nationalelf wieder ihr großes Potenzial an. Khedira-Einsatz wegen Verletzung in Berlin fraglich.

Dublin. Bundestrainer Joachim Löw war arg verschnupft. Er blieb im Hotel und übertrug seinem Assistenten Hansi Flick die Aufgabe, die kleine Gruppe deutscher Nationalspieler am Vormittag nach dem 6:1 (2:0) im WM-Qualifikationsspiel gegen Irland noch einmal auf dem Platz des Aviva-Stadions zu beschäftigen. Eine Erlaubnis beim irischen Fußball-Verband für die Trainingseinheit der Spieler zu erwirken, die am Vortag ausgesetzt hatten, war nicht einfach zu erhalten. Die DFB-Verantwortlichen mussten ihren ganzen Charme in die Waagschale werfen, um das Spielfeld inmitten der Aufräumarbeiten für einige Übungen zu nutzen. Keine Pressegespräche mehr, keine Termine bis zur Rückkehr nach Berlin, gab Löw als Motto aus. „Wir fokussieren uns ganz auf das Spiel gegen Schweden am Dienstag“, sagte Löw.

In Manuel Neuer, Ron-Robert Zieler, Marc-Andre ter Stegen, Lukas Podolski, Benedikt Höwedes, Heiko Westermann, Andre Schürrle sowie den gegen Irland gesperrten Kapitän Philipp Lahm trainierte nur eine Teil, während die anderen im Fitnessraum des Hotels einige Regenerationsübungen absolvierten. Die Stimmung im Tross des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) war vor dem Abflug nach Hause gut. Nur kurz war es am Vorabend, praktisch mit dem Schlusspfiff, im nur noch halbgefüllten Aviva-Stadion noch einmal richtig ungemütlich geworden. Tausende Iren befanden sich schon auf der Flucht, als Neuer einen Wutausbruch bekam und auf seine Vorderleute schimpfte.

Das Ehrentor des Iren Andy Keogh in der zweiten Minute des Nachspielzeit zum 6:1 brachte den ehrgeizigen Torwart mächtig auf die Palme. Die Mitspieler hörten sich die Kritik kurz an, doch dann wurde gejubelt und gefeiert. Die Happy Hour von Dublin war beendet, die deutsche Nationalmannschaft hatte im dritten Qualifikationsspiel zu ihrer Leichtigkeit zurückgefunden. „Es war eine sehr konzentrierte Leistung unserer Mannschaft. Sie hat sehr gut gespielt“, sagte Löw, nachdem der Weltrekord in der WM-Qualifikation ohne jede Auswärtsniederlage seit 1934 bestätigt worden war.

Löw reagierte dennoch recht zurückhaltend. Die Diskussionen um Störungen des Teamgeists, die durch einen einzigen Satz von Bastian Schweinsteiger aufgekommen waren, und die Kritik an seinem Arbeitsstil, vor allem von Bayern-Präsident Uli Hoeneß brachial vorgetragen, haben den sensiblen Badener beeindruckt. Doch sein Trainerwerk auf dem Spielfeld funktionierte gut.

Und am Dienstag gegen Schweden soll auch dem deutschen Publikum wieder eine überzeugende Performance geboten werden. „Wir müssen in der Defensive wieder konzentriert sein. Wenn wir wieder unser gutes Passspiel bringen, dann werden wir unsere Torchancen herausspielen“, sagte Löw. „Wenn wir dieses Spiel gewinnen, dann können wir mit dem Abschluss des Pflichtspieljahres und der WM-Qualifikation in diesem Jahr sehr zufrieden sein.“

Die Begegnung gegen die Iren wurde auch von den Spielern als Wende empfunden. Nach drei holprigen Vorstellungen im Anschluss an den Halbfinal-Aus gegen Italien bei der EM war zuletzt die alte Klasse vermisst worden. Bei der Niederlage gegen Argentinien und auch bei den Siegen gegen die Faröer und Österreich war das frühere Niveau mit Andeutungen von Weltklasse verschüttet gewesen. „Wir haben versucht, uns ein bisschen zu schonen und läuferisch nicht das gebracht, was wir können. Deswegen bin ich sehr zufrieden, dass es nun anders gelaufen ist“, sagte Miroslav Klose. In Dublin flackerte das große Potenzial des Teams wieder auf.

Fünf wunderbare Tore, je zwei durch perfekte Schüsse von Marco Reus und des eingewechselten Toni Kroos, eines durch Gerd-Müller-Jäger Klose und ein Elfmetertor von Mesut Özil führten zum nie infrage gestellten Sieg. Deutschland könnte so souverän durch die Qualifikation zur WM Brasilien marschieren wie vor der EM 2012, als zehn Siege in zehn Spielen erzielt wurden.

Doch am Dienstag stößt die DFB-Auswahl auf einen Gegner besseren Zuschnitts. Die Iren unter der Regie ihres Trainers Giovanni Trapattoni agierten sehr schwach, natürlich auch deswegen, weil die deutsche Mannschaft ihnen keine Spielanteile ließ. Dass die irischen Zuschauer, die normal wie ein Mann hinter allen Teams wie von ihrer grünen Insel stehen, buhen und pfeifen, war eine Sensation. Dass ihr ersatzgeschwächtes Team, das zudem wegen Rücktritten erfahrener Spieler nach der EM neu formiert werden muss, nicht ausreichend kämpfte, empörte das Publikum regelrecht.

Aus dem Stadion, das beim Anstoß mit über 50.000 Besuchern randvoll gefüllt war, liefen über die Hälfte der Fans in der zweiten Halbzeit davon – und verpassten, wie die deutsche Mannschaft sehr ansprechenden Fußball bot. Die Rückkehr von Schweinsteiger als Organisator des Mittelfelds machte sich positiv bemerkbar. Sami Khedira zog sich eine Muskelverletzung zu und wird am Dienstag wohl ausfallen. Reus zeigte mit seinem Tempo und seiner Technik eine überragende Vorstellung. Marcel Schmelzer gelang nach der ungewöhnlich harten Kritik des Bundestrainers am Vortag eine Art Wiederauferstehung. Dienstag soll es weitergehen mit dem Aufwärtstrend.

Irland: Westwood - Coleman, O'Shea, O'Dea, Ward - McCarthy, Andrews, Fahey (52. Long) - McGeady (69. Keogh), Walters, Cox. Deutschland: Neuer - Boateng, Mertesacker, Baststuber, Schmelzer - Schweinsteiger, Khedira (46. Kroos) - Müller, Özil, Reus (65. Podolski) - Klose (72. Schürrle). Tore: 0:1, 0:2 Reus (32., 40), 0:3 Özil (55./Foulelfmeter), 0:4 Klose (58.), 0:5, 0:6 Kroos (61., 83.), 1:6 Keogh (90. +2). SR: Nicola Rizzoli (Italien). Z.: 51 700. Gelb: O'Dea - Reus, Badstuber.