Der frühere Nationaltorhüter attackierte das Löw-Team nach der 1:3-Niederlage gegen Argentinien scharf. Andreas Brehme weist die Kritik zurück.

Frankfurt am Main. Das Gewitter kam zu spät. Erst drei Stunden nach Abpfiff ging ein gewaltiger Guss über Frankfurt nieder und kühlte die Stadt ab, die zuvor bei 35 Grad gedampft und geschwitzt hatte. Immerhin waren die tropischen Temperaturen von den deutschen Fußball-Nationalspielern nicht als Erklärung für das 1:3 gegen Argentinien angebracht worden. Es war von Pech die Rede und von einem unglücklichen Spielverlauf. Und dafür setzte es ein Donnerwetter.

Nicht von Bundestrainer Joachim Löw. Der hatte seine Spieler in bewährter Manier in Schutz genommen, hatte die Rote Karte hervorgehoben, die Torwart Ron-Robert Zieler nach einer halben Stunde gesehen hatte.

Nein, es war Oliver Kahn, der am ZDF-Mikrofon lospolterte. "Soll ich jetzt auch noch in den Tenor einstimmen: alles toll, alles gut? 1:3 verloren, wo ist das Problem?", fragte er Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein.

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Es war eine rhetorische Frage, natürlich. Denn Kahn stand unter Dampf, das war offensichtlich, und Müller-Hohenstein brauchte ihn nur anzupieksen, schon ging er hoch. Die Defensive, die habe ihm nicht gefallen, schimpfte er. Löw müsse sich langsam mal Gedanken machen, ob seine Spielphilosophie, die ja auf offensives, schnelles Spiel setzt, wirklich sinnvoll sei.

Doch es ging dem einstigen Welttorhüter gar nicht um die Abwehr. Es ging Kahn ums Prinzip. "Wir verlieren blutleer gegen Italien. Kriegen nun wieder drei Stück von Argentinien. Und dann stellen sich die Jungs hin und sagen: ,Pffft, morgen geht's weiter'", sagte Kahn. Er jedenfalls würde sich ärgern bei solch einer Niederlage.

Aber hat Kahn überhaupt recht mit seiner Generalkritik? Haben die deutschen Nationalspieler bei all ihrer Begabtheit die wohl wichtigste Sporttugend nicht verinnerlicht: das Gewinnenwollen - koste es, was es wolle?

Das Argentinien-Spiel allein taugt nur begrenzt, diese Frage zu beantworten. Der Sinn des Termins anderthalb Wochen vor dem Ligastart ist hinreichend diskutiert worden, das Fehlen von sechs deutschen Stammkräften tat ein Übriges - und in der Tat ist es gegen die spielstarken Argentinier nahezu unmöglich, eine Stunde in Unterzahl unbeschadet zu überstehen.

Doch gibt es da tatsächlich ein grundsätzliches Problem? "Nein", sagt Andreas Brehme, der 1990 die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit seinem Elfmeter im Finale gegen Argentinien zum Weltmeistertitel schoss. Gegen Italien habe die Nationalmannschaft einen schlechten Tag erwischt, "so etwas kommt vor und ist leider nicht immer zu erklären". Dass aber Löws Männern prinzipiell der Biss fehlen würde, sieht Brehme nicht.

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Auch nicht Hansi Müller, der bis 1983 in 42 Länderspielen das Trikot mit dem Adler trug. "Ich halte es für Unfug, solch ein Spiel als Maßstab für eine Kritik zu nehmen, wie sie Kahn geübt hat", sagte Müller, "ein paar Sachen von denen, die Kahn im Fernsehen genannt hat, kann ich ja nachvollziehen. Aber es bringt doch jetzt nichts, unter den gegebenen Umständen derart hart mit der Mannschaft ins Gericht zu gehen."

Natürlich hat auch Löw Kahns Kritik zur Kenntnis genommen, zum Teil stand er nach dem Spielende im ZDF-Studio ja sogar neben seinem ehemaligen Torwart. "Ich teile seine Meinung bedingt", sagte der Bundestrainer diplomatisch: "Gegen Argentinien haben wir es im Zentrum schwergehabt. Einige Situationen hätten wir besser lösen können." Ein grundlegendes Einstellungsproblem sieht er aber nicht. Löw sieht sich und seine Mannschaft weiter auf dem richtigen Weg. Und auf diesem Weg steht als Nächstes die Qualifikationsrunde für Brasilien 2014 an. Am 7. September sind die Färöer in Hannover der Gegner. Dort muss dann gelingen, was gegen Argentinien versagt blieb: der 500. Sieg einer deutschen Fußball-Nationalmannschaft.