Generalsekretär Wolfgang Niersbach wird Nachfolger des scheidenden DFB-Präsidenten Theo Zwanziger

Frankfurt am Main. Als Wolfgang Niersbach endlich an der Reihe war, wollte ihm nicht mal ein diplomatisches Lächeln gelingen. Mit ernstem Blick, dunklen Augenringen und verkniffenem Mund sprach er seine Sätze in das vor ihm stehende Mikrofon. Und hätte Theo Zwanziger nicht schon vorher verkündet, dass der 61-Jährige künftig als sein Nachfolger das höchste zu vergebende Amt im deutschen Fußball einnehmen soll, hätte der Beobachter leicht meinen können, Niersbach sei gerade für den Parteivorsitz der FDP vorgeschlagen worden. "Das war nicht meine Lebensplanung, das war nicht mein Lebensziel", sagte er. Und: "Das ist ein gewaltiger Schritt, ich habe einen Riesenrespekt vor diesem Amt."

Fünf Tage lang habe er mit sich ringen müssen, verkündete der bisherige Generalsekretär des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). "Die Nächte waren relativ kurz. Mir sind 1001 Gedanken durch den Kopf gegangen." Am Ende des Entscheidungsprozesses kam heraus, was allgemein erwartet worden war: Wolfgang Niersbach wird im Oktober 2012 beim außerordentlichen Verbandstag als einziger Kandidat antreten und dann zum Nachfolger von Theo Zwanziger als neuer DFB-Präsident bestimmt werden. Für den Rheinländer ist das der letzte Schritt vom Journalisten zum höchsten Funktionär des mit 6,75 Millionen Mitgliedern größten Sportfachverbandes der Welt.

Dass das ein freudiges Ereignis und schönes Finale in der Karriereplanung ist, war ihm aber nicht anzumerken. Vielleicht weil er weiß, dass er von Zwanziger zwar einen florierenden Verband mit millionenschweren Umsätzen übernimmt, aber auch jede Menge Probleme. Die leidige Diskussion um der Steuerhinterziehung verdächtige Schiedsrichter, Gewaltexzesse in den Stadien und der Dauerstreit mit Ex-Funktionär Manfred Amerell werden vermutlich erste, hartnäckige Bewährungsproben für Niersbach. Der designierte Chef möchte sie auf seine Weise lösen: "Ich war immer ein Mannschaftsspieler", sagte er. "Der Chef eines so großen Verbandes kann gar kein Solist sein, sondern eher ein Kapitän."

Solche Worte kommen gut an, das weiß ein Kommunikationsexperte wie Niersbach natürlich nur allzu gut. Seit 1988 ist der vormalige Fußballchef des Sport-Informations-Dienstes schon beim DFB angestellt. Zunächst als Pressereferent und Mediendirektor, dann als geschäftsführender Vizepräsident und Pressechef des Organisationskomitees der WM 2006 und aktuell als Generalsekretär. In dieser Zeit hat Niersbach viel über die Befindlichkeiten innerhalb eines Verbandes gelernt und auch gewusst, wann es an der Zeit ist, Informationen gezielt zu streuen. Doch trotz der langen Zugehörigkeit wusste Niersbach offenbar nicht sehr gut über die Strömungen an der Basis - in den Landesverbänden des DFB - Bescheid.

Erst als ihm signalisiert worden war, dass er bei einer Kandidatur breite Zustimmung der 261 stimmberechtigten Mitglieder erhalten würde, erklärte er sich bereit, die neue Aufgabe zu übernehmen. "Unterm Strich bin ich sehr zufrieden", sagte Zwanziger, der sich zunächst für den Stuttgarter Erwin Staudt und den Dortmunder Reinhard Rauball als Nachfolger starkgemacht hatte. Aber nachdem klar geworden war, dass Staudt die nötige Akzeptanz im Verband fehlen würde und Rauball lieber Präsident der Deutschen Fußball-Liga bleiben möchte, schwenkte Zwanziger wieder zu Niersbach um. "Da ich mir nicht sicher war, ob er nun bereit ist, habe ich mich natürlich auch nach Alternativen umgeschaut", sagte Zwanziger. Bereits im Sommer 2010 hatte er mit dem Generalsekretär über dessen Bereitschaft gesprochen, "aber damals war er noch nicht ganz so weit".

Die Suche nach einem Nachfolger für Zwanziger war nötig geworden, weil der bisherige Amtsinhaber am Freitag erklärt hatte, dass er nur noch bis zum Herbst nächsten Jahres weitermachen wolle. "Bis dahin bin ich davon ausgegangen, dass wir die Wahlperiode bis 2013 gemeinsam zu Ende bringen", sagte Niersbach. Erst dann sei er "mit der neuen Situation konfrontiert worden" und habe sich anschließend "aus Respekt vor den Vertretern der Landes- und Regionalverbände erst einmal nicht in der Öffentlichkeit geäußert".

Möglicherweise musste sich Niersbach aber auch zunächst klar darüber werden, dass das neue Amt offensichtlich mit gehörigen Gehaltseinbußen verbunden ist. Er wird seinen noch bis 2016 datierten Vertrag als Generalsekretär auflösen und wie seine zehn Vorgänger die Rolle als DFB-Präsident ehrenamtlich ausführen. Dabei hatte sich ein prominenter Fürsprecher noch für einen hauptamtlichen Chef ausgesprochen. "Aber der kesse Vorschlag von Franz Beckenbauer war mit mir nicht abgesprochen", sagte Niersbach - und lächelte erstmals an diesem Tag.

In der sportlichen Spitze des Verbandes stieß die Kandidatenkür auf Zustimmung. Niersbach sei "ein Teamplayer mit angenehmem Führungsstil", sagte Bundestrainer Joachim Löw. "Ich bin sicher, dass er auch in der neuen Rolle einen engen Draht zur Nationalmannschaft halten und unsere Arbeit optimal unterstützen wird."