Depressionen sind die Ursache für den Suizidversuch von Schiedsrichter Babak Rafati im Vorfeld der Bundesligapartie 1. FC Köln gegen FSV Mainz 05.

Berlin/Frankfurt. Depressionen sind offenbar der Grund für den Suizidversuch von Bundesliga-Schiedsrichter Babak Rafati. Wie sein Anwalt mitteilte, diagnostizierten die behandelnden Ärzte die Krankheit bei Rafati. Der Unparteiische hatte am vergangenen Sonnabend vor dem Spiel 1. FC Köln - Mainz 05 versucht, sich in einem Kölner Hotel das Leben zu nehmen. Nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus hatte sich Rafati, 41, am Montag in stationäre Behandlung begeben.

Rafatis Anwalt Sven Menke erklärte, die mit der Depression einhergehenden Symptome seien nach Einschätzung seines Mandanten vor etwa eineinhalb Jahren das erste Mal aufgetreten und hätten sich seither immer weiter verstärkt.

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"Im persönlichen Empfinden von Herrn Rafati wurde vor allem ein wachsender Leistungsdruck für ihn als Schiedsrichter und der damit verbundene mediale Druck in Kombination mit der ständigen Angst, Fehler zu machen, zu einer immer größeren Belastung. Eine Belastung, die irgendwann selbst Alltagsprobleme unlösbar erscheinen ließ und der er sich am Ende nicht mehr gewachsen fühlte", hieß es in der Erklärung. Rafati habe sich dafür entschieden, "offen mit der Krankheit umzugehen und sich ihr zu stellen". Er wolle damit auch dem durch Medienberichte möglicherweise fälschlich entstandenen Eindruck entgegentreten, private Gründe beziehungsweise familiäre Probleme seien die Ursache für den Suizidversuch.

Rafati, der aus dem Iran stammt, pfiff seit 2005 in der Fußball-Bundesliga 84 Spiele. Der Bankkaufmann aus Hannover gehört zum festen Kreis Deutschlands Elite-Referees. 2008 nahm er den frei werdenden Platz von Markus Merk als Fifa-Schiedsrichter ein, brachte es auf zwei Länder- und zwei Europacupspiele. Im September 2011 gab der Deutsche Fußball-Bund (DFB) jedoch bekannt, dass Rafati nicht mehr als FIFA-Referee gelistet werde. Eine „altersbedingte Umstrukturierung“, begründete der DFB den Schritt.

Die Erklärung im Wortlaut:

"Auf ausdrücklichen Wunsch und im Namen von Babak Rafati nimmt der von ihm beauftragte Rechtsanwalt Dr. Sven Menke wie folgt Stellung:

In Teilen der Öffentlichkeit ist aufgrund verschiedener Spekulationen der Eindruck entstanden, dass private Gründe bzw. familiäre Probleme die Ursache für den Suizidversuch von Babak Rafati gewesen sein könnten. Es ist ein dringendes Anliegen von Herrn Rafati, diesen falschen Eindruck zu korrigieren. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin und seiner Familie hat er sich dazu entschlossen, die Öffentlichkeit über die tatsächlichen Beweggründe zu informieren.

Von den behandelnden Ärzten wurde bei Herrn Rafati in den vergangenen Tagen eine Depressions-Erkrankung diagnostiziert. Die damit einhergehenden Symptome traten nach seiner persönlichen Einschätzung vor etwa eineinhalb Jahren das erste Mal auf und haben sich seither in ihrer Intensität immer weiter verstärkt. Im persönlichen Empfinden von Herrn Rafati wurde vor allem ein wachsender Leistungsdruck für ihn als Schiedsrichter und der damit verbundene mediale Druck in Kombination mit der ständigen Angst, Fehler zu machen, zu einer immer größeren Belastung. Eine Belastung, die irgendwann selbst Alltagsprobleme unlösbar erscheinen ließ und der er sich am Ende nicht mehr gewachsen fühlte.

Herr Rafati hat für sich dafür entschieden, offen mit der Krankheit umzugehen und sich ihr zu stellen. Er hat sich in fachärztliche Behandlung begeben, um die Ursachen therapieren zu lassen. Wie lange dies dauern wird, ist derzeit nicht absehbar. Babak Rafati wünscht sich, am Ende dieser Therapie in sein normales Leben zurückkehren zu können, auch als Schiedsrichter. Und er bittet darum, ihm die Ruhe und Zeit zu geben, die er jetzt für seinen Genesungsprozess benötigt."

Fälle psychischer Erkrankungen im deutschen Fußball

– September 2003: Jan Simak vom Bundesligisten Hannover 96 wird wegen eines „Erschöpfungssyndroms“ auf unbestimmte Zeit krankgeschrieben. Im Sommer 2005 muss der Tscheche, dessen psychische Probleme auch bei Sparta Prag andauern, auf Geheiß seines Vereins einen Alkohol-Entzug machen.

– November 2003: Sebastian Deisler, für viele einer der hoffnungsvollsten deutschen Fußballer, setzt mit 23 Jahren wegen Depressionen aus, wird stationär behandelt und kehrt erst nach vier Monaten wieder in den Kader des FC Bayern München zurück. Seine Karriere beendet er wegen seiner psychischen Probleme infolge des hohen Erwartungsdrucks und wegen zahlreicher Verletzungen schon mit 29 Jahren. Im Oktober 2009 veröffentlicht er ein Buch über seine Erkrankung.

– 10. November 2009: Nationaltorwart Robert Enke nimmt sich das Leben. Es wird bekannt, dass er unter schweren Depressionen litt. In seiner Trauerrede im Stadion von Hannover 96 mahnt DFB-Präsident Theo Zwanziger vor den Auswüchsen des Profi-Geschäfts: „Fußball darf nicht alles sein“, sagt er, und fordert „ein Stück mehr Menschlichkeit“.

– 20. November: 2009: Zehn Tage nach Enkes Tod sagt Andreas Biermann, Profi von Zweitligist FC St. Pauli, dass er an Depression leidet und einen Selbstmordversuch hinter sich hat. Nachdem sein Vertrag im Sommer 2010 nicht verlängert wird, rät er anderen Profis vom Gang an die Öffentlichkeit ab. Seine Befürchtungen vor dem Outing hätten sich bestätigt.

– 5. September 2011: Markus Miller, Torwart von Hannover 96, kündigt an, sich wegen „mentaler Erschöpfung“ in Behandlung zu begeben. Sein Klub unterstützt ihn bei seiner Auszeit. Unter denen, die sich anerkennend zu Millers öffentlichem Bekenntnis äußern, gehört auch Teresa Enke, die Witwe von Robert Enke. Ende November steigt Miller wieder ins Mannschaftstraining ein.

– 22. September 2011: Ralf Rangnick legt seinen Trainerposten bei Bundesligist Schalke 04 nieder. Der Schalker Mannschaftsarzt hat ein „vegetatives Erschöpfungssyndrom“ bei ihm diagnostiziert, allgemein ist von „Burnout“ die Rede. Rangnick, der sich selbst nicht zu seinem Rücktritt äußert, erntet durchgehend Anerkennung für seine Entscheidung. Sein Vorgänger Felix Magath zollt ihm „höchsten Respekt“.

– 18. Oktober 2011: Der Cottbuser Profi Martin Fenin bittet seinen Verein um eine Pause. Der 24-Jährige sagt, er habe seit Monaten ein Gefühl der „Resignation und Einsamkeit“ sowie „Depressionsschübe“. Zuvor war er wegen einer Hirnblutung im Krankenhaus behandelt worden.

– 19. November 2011: Schiedsrichter Babak Rafati versucht sich vor dem Bundesligaspiel des 1. FC Köln gegen Mainz 05, das er leiten sollte, in seinem Hotelzimmer das Leben zu nehmen. Seine Assistenten entdecken ihn und alarmieren die Rettungskräfte. Das Spiel wird abgesagt. Auf einer Pressekonferenz am Abend spricht DFB-Präsident Theo Zwanziger vom Druck auf die Schiedsrichter, der „ungeheuer hoch“ sei.

Mit Material von sid, dpa und dapd