Als früher im Turnunterricht die Mannschaften zum Ballspiel zusammengestellt wurden, war es der erste Zug, der über den Ausgang des darauffolgenden Spiels entschied. Es gab diese Mitschüler, die ganz zwangsläufig vor allen anderen gewählt wurden und die ihr Team schon vor dem Beginn des Spiels zum Sieger machten.

Birgit Prinz ist eine dieser Sportlerinnen, die durch ihre Anwesenheit die Kräfteverhältnisse zweier Kontrahenten unwiderruflich klarstellt. Mit der man nicht mal ein Trainingsspiel verlieren konnte, weil ihre Klasse und vor allem ihr Wille, selbst beim Üben das Beste von sich zu geben, sie leichterdings über die Mühen der anderen erhob.

Vermutlich gab es noch keine deutsche Fußballerin, auf die sich mediale Kritik so sehr konzentrierte wie derzeit auf die Spielführerin des Nationalteams. Entsprechend hoch ist auch der Druck auf Bundestrainerin Silvia Neid.

Dabei ist Birgit Prinz sich selbst die entscheidende Bewertungsinstanz. Seit Beginn ihrer Karriere hat sie mit einer beeindruckend erwachsenen Ernsthaftigkeit an ihrem Spiel und ihrer Rolle gearbeitet und damit eine Qualität erreicht, die in diesem Sport ihresgleichen sucht. Manchmal hätte ich ihr mehr Leichtigkeit im Spiel gewünscht, unbekümmerte Freude über Spiel entscheidende Akzente, die sie mit ihrer herausragenden Dynamik zu setzen imstande ist, Fröhlichkeit statt Erleichterung im Torjubel. Vor allem aber habe ich sie immer dafür geschätzt, dass mit ihr in meinem Team verlieren sehr viel unwahrscheinlicher war.

Gilt das auch für diese WM? Ist es nicht gerade in dieser Situation, in der die deutschen Frauen mehr mit den Umständen als mit den Gegnerinnen kämpfen, wichtig, eine Spielführerin auf dem Platz zu wissen, mit der sie alle Positiverlebnisse der vergangenen Jahre verbinden? Jedenfalls ist Birgit Prinz keine Belastung für diese Mannschaft, wie an verschiedenen Stellen spekuliert wurde. Zu groß ist der Respekt vor ihrer Leistung und zu zurückhaltend ist ihr Umgang mit ihrer Dominanz gewesen, als dass es Narben im Team gäbe, die nun aufzubrechen drohten.

Auch in ihrem unübersehbaren und für die ein oder andere Ersatzspielerin schmerzhaften Ärger nach der erneut frühen Auswechslung im Spiel gegen Nigeria lag vor allem die Unzufriedenheit mit ihrem eigenen Spiel. Keine Geste von Unverständnis über unpräzise Anspiele, kein unwirsches Gebärden über die fehlende Ordnung im Spielaufbau, der Missmut galt nur ihr selbst.

Und darin liegt nun ihre Aufgabe. Die Anerkenntnis dessen, dass sich der Frauenfußball verändert hat. Dass die Gestaltung des Ergebnisses durch die Erstgewählte schwieriger geworden ist, seit sich Spielsysteme verfeinert und Mannschaften zu höherer Leistungsdichte gefunden haben. Und gleichzeitig muss sie einen Umgang damit finden, dass das Vertrauen in ihre physische Überlegenheit nicht mehr ausreicht, um der zunehmend technischen Spielweise entgegenzutreten.

Dass sie diese Aufgabe am Ende ihrer famosen Karriere gestellt bekommt, hat sie sicher schon lange gewusst. Und doch ist es eine neue Dimension auch für sie, die in den vergangenen Jahren mit Niederlagen in Form von Vizemeisterschaften und olympischen Bronzemedaillen umzugehen hatte, niemals jedoch eine nachhaltige Krise durchleben musste. Umso mehr braucht sie das Vertrauen derer, die von ihrer Mentalität und ihrer Qualität profitierten. Nicht als Reminiszenz, auch der Frauenfußball hat keinen Platz mehr für unangebrachte Sensibilitäten, sondern weil sie die Klasse hat, jederzeit aus einem 0-1 ein 2-1 zu machen.

Und alle auf der Bank wollen in ihrem Team sein.