Die Manager der Fußball-Nationalmannschaften, Doris Fitschen und Oliver Bierhoff, über die Euphorie bei der Frauen-WM im eigenen Land.

Berlin. Doris Fitschen steht bei der am Sonnabend beginnenden Heim-WM vor der größten Herausforderung ihrer jungen Karriere als Managerin der Frauen-Nationalmannschaft. Eine Aufgabe, der sich Oliver Bierhoff schon bei der Organisation von vier großen Turnieren als Manager des Männer-Nationalteams gestellt hat. Das Abendblatt bat die beiden Macher an einen Tisch.

Hamburger Abendblatt: Herr Bierhoff, mit der WM 2006 haben Sie schon einmal ein Turnier in heimischen Gefilden erlebt. Beneiden Sie Ihre Kollegin vom Frauen-Team um die bevorstehende WM?

Oliver Bierhoff: Ich beneide sie nicht, denn es wartet viel Arbeit auf sie. Doris Fitschen wird eine wichtige Funktion während des Turniers haben. Als Managerin wird sie viele Anliegen, Verpflichtungen und vor allem auch Medientermine der Spielerinnen koordinieren müssen. Trotz vieler schwieriger Entscheidungen, die zu treffen sind, weiß ich aber auch, wie schön so eine Heim-WM werden kann.

Frau Fitschen, haben Sie sich in den vergangenen Monaten mal Ratschläge von Oliver Bierhoff geholt?

Doris Fitschen: Selbstverständlich. Es wäre ja fahrlässig, wenn ich bei Oliver nicht nachfragen würde. Ich habe mir zuletzt schon den einen oder anderen Tipp geholt. Die Männer haben damals eine tolle WM erlebt und haben unser Land sehr gut vertreten. Man muss allerdings auch ein bisschen einschränken und sagen, dass der Frauenfußball trotz des Booms der vergangenen Jahre und der Begeisterung um diese WM in Deutschland immer noch auf einer ganz anderen Stufe steht. Bei den Männern herrschte 2006 bei Millionen Fans schon lange im Voraus eine große Begeisterung, die dann im Turnierverlauf noch gestiegen ist. Wir sind ja quasi gerade dabei, diese Euphorie erst einmal zu entfachen.

Herr Bierhoff, als Teammanager muss man bei so einem Turnier auch die Stimmung innerhalb eines Teams und auch in der Öffentlichkeit ausloten ...

Bierhoff: Das ist ein ganz wichtiger Aspekt. Denn gerade bei einer WM oder EM unterliegt man extremen Stimmungsschwankungen. Das betrifft die Trainer, Spieler oder Betreuer. Ein Problem, das ich aus meiner Spieler- und jetzt auch Managerzeit kenne, könnte sein: Wenn die Spannung steigt, tendieren Trainer häufig dazu, manches sehr kritisch zu sehen und auch mal zu meckern. Da muss man als Manager ein Vertrauensverhältnis aufbauen und versuchen, mögliche Konflikte schon im Keim zu ersticken.

Spüren Sie die wachsende Nervosität schon, Frau Fitschen?

Fitschen: Ein bisschen schon. Ich kann mir genau vorstellen, was Oliver meint, und kann das nur bestätigen.

Bierhoff: Dabei geht es manchmal um ganz harmlose Dinge. Da fragt dann der Trainer mal etwas aufgeregter, warum da hinten plötzlich ein Interview geführt wird. Das würde ihn sonst normalerweise gar nicht interessieren. Aber bei so einem Turnier wird man durch den Druck von außen zunehmend empfindlicher.

Die Frauen erleben derzeit einen für sie in diesem Umfang noch nie da gewesenen Medienrummel. Wie gehen sie damit um?

Fitschen: Bis jetzt kommen sie ganz gut damit klar. Aber sie spüren natürlich, wie groß die Erwartungen sind. Diesbezüglich ist es ein Vorteil, dass ich die Trainerin fast 25 Jahre kenne und weiß, wie sie in bestimmten Situationen tickt. Wir Teammanager sind auch eine Art Puffer. Aber das ist okay. Trainer und Spielerinnen sollen ruhig auch mal bei uns den Dampf ablassen, wenn sie verärgert sind, weil irgendetwas nicht so nach ihren Vorstellungen läuft. Das kann im Hinblick auf das große Ganze am Ende sehr wichtig sein.

In der öffentlichen Wahrnehmung ist die Frauen-WM lange kein Thema gewesen. Sponsoren beginnen erst jetzt mit Werbeauftritten.

Bierhoff: Das ging bei den Männern 2006 natürlich nicht. Da wollten und konnten einige Sponsoren mit ihrer Werbung nicht warten. Weil sie Angst hatten, als Werbepartner nicht wahrgenommen zu werden, wenn erst einmal die große Welle am Rollen ist. Bei den Frauen starten die Aktionen der Sponsoren jetzt erst allmählich. Grundsätzlich bin ich sicher: Wenn die Frauen erfolgreich sind, wird das der Startschuss für eine große Offensive sein. Dann wird Deutschland bereit sein, dieses Team zu feiern.

Aber der Erfolg ist unabdingbar?

Bierhoff: Ja. Es wird zwar nicht passieren, aber stellen Sie sich mal vor, die deutsche Mannschaft scheidet in der Vorrunde aus. Das würde die ganze Luft aus so einem Turnier nehmen, gerade wenn die Erwartungshaltung so groß ist.

Wie groß wird die Nachhaltigkeit dieser WM sein?

Fitschen: Wir haben jetzt eine einmalige Chance. Während der WM wird kaum jemand in Deutschland an dem Ereignis vorbeikommen. Alle werden registrieren, wie gut Frauenfußball sein kann. Ich denke, wir werden neue Fans dazugewinnen. Fans, die danach nicht nur zu unseren Länderspielen kommen werden, sondern sich vielleicht auch mal ein Bundesligaspiel anschauen. Ich bin davon überzeugt, dass es nach der WM einen Aufschwung in der Frauen-Bundesliga geben wird.

Bierhoff: Auf jeden Fall wird es einen weiteren Schritt nach vorn geben. Man sieht es ja allein an den Planungen beim DFB. Nach der WM wird es eine Frauendirektion geben, die von der momentanen OK-Chefin Steffi Jones geführt wird. Das zeigt, dass sich der Stellenwert verändert hat. Die WM wird jungen Mädchen Mut machen, sich in Fußballvereinen anzumelden.

Hätten Sie eigentlich Lust, mal für einen Tag Ihre Teams zu tauschen?

Bierhoff Warum nicht? Ich glaube, das wäre ganz spannend. Das könnte man mal planen.

Fitschen: Gut, lass uns das mal angehen.