Almog Cohen vom St.-Pauli-Gegner 1. FC Nürnberg ist der einzige jüdische Profi in der Bundesliga

Nürnberg. Almog Cohen hätte gewarnt sein müssen. "Was du hier machst", hatte ihm sein Förderer bei Maccabi Netanya gesagt, "ist nicht mal zehn Prozent von dem, was du in Deutschland machen müsstest." Lothar Matthäus sollte recht behalten, wie Cohen bald nach seiner Ankunft in Nürnberg feststellte. Das Training von Dieter Hecking fand er anfangs unheimlich hart. Und er wunderte sich, dass zu ganz normalen Ligaspielen über 40 000 Menschen in die Stadien strömen - im heimischen Netanya war man froh, wenn ein Zehntel davon kam.

Dabei war der 23-Jährige in seiner Heimat selbst einer, der alles seiner großen Leidenschaft unterordnete. Schon mit zarten 18 Jahren war Cohen Mannschaftskapitän. Als er im Teenageralter ins Jugendinternat von Maccabi kam, zogen die Eltern und die vier Geschwister mit ihm von Beer Scheva an die Küste. Und nun war er in Franken gelandet, weil ihm ausgerechnet Matthäus, der bei den Club-Fans so beliebt ist wie eine 0:5-Klatsche gegen die Bayern, den Verein ans Herz gelegt hatte: "Er hat mir geraten, nach Nürnberg zu gehen, weil Spieler hier auf ein höheres Niveau gebracht werden."

Matthäus sollte recht behalten. Nach einer Anlaufphase, die weit kürzer dauerte, als ihm Hecking und Manager Martin Bader zugestanden hätten, kam Cohen immer besser in Fahrt. Seit dem 17. Spieltag und dem 3:1 gegen Hannover ist er Stammspieler. Zusammen mit Timmy Simons, einem der wenigen Routiniers in dieser blutjungen Mannschaft, bildet er die Doppel-Sechs im 4-2-3-1. Die Spielweise des 1,69 Meter kleinen Irrwischs wird in Nürnberg gerne mit Ausflügen in die Zoologie beschrieben. "Terrier" oder gar "Pitbull" sind häufig verwendete Worte. Aber eigentlich ist er für seinen Gegenspieler das, was ein Schwarm Wespen für das Marmeladenglas ist. Wer es schafft, den Mann auszuspielen, hat ihn fünf Meter später wieder an der Hacke. Mit seiner Handlungsschnelligkeit passt er bestens in diese Mannschaft, die an guten Tagen ausgereiften Kombinationsfußball zeigt, gegen technisch bessere Mannschaften aber auch kratzen kann, wie beim 1:0-Sieg gegen Leverkusen.

"Ich verstehe," schmunzelt Manager Bader, "warum man Almog in Israel mit Gattuso vergleicht." Dabei weiß Cohen im Gegensatz zu seinem nicht sonderlich treffsicheren Idol sogar, wo das Tor steht. Beim 2:0-Sieg gegen den HSV erzielte er Ende Januar seinen ersten Bundesligatreffer - beim 3:0 gegen Eintracht Frankfurt folgte der zweite: ein 25-Meter-Schuss, der in der Heimat den Status des sechsfachen Nationalspielers noch einmal angehoben hat. Dort werden die Club-Spiele neuerdings live im Fernsehen übertragen. Und am Strand von Netanya laufen die ersten Kids in rot-weißen Klub-Jerseys herum. "Seitdem ich hier bin", sagt Cohen nicht ohne Stolz, "wird dort viel über den FCN gesprochen."

Anfangs, berichten sie auf der Nürnberger Pressestelle, hatte Cohen allerdings durchaus ein paar Anpassungsschwierigkeiten. Schnee kannte er aus der Heimat nicht. Heute findet er, dass "es eigentlich hübsch aussieht, wenn alles so weiß ist". Und weil der gläubige Jude nicht wusste, wo man im Fränkischen koschere Lebensmittel bekommt, aß er einen Monat lang Thunfischpizza und -sandwiches. Mittlerweile kümmert sich Arno Hamburger um den 22-Jährigen. Der SPD-Stadtrat ist Vorsitzender der israelitischen Kultusgemeinde und in Nürnberg so bekannt wie der Christkindlmarkt. Wenn es sein muss, lässt der Hamburger Nahrungsmittel aus Frankfurt kommen.

Sonst noch was? Muss man einen Israeli auf den Holocaust ansprechen? Zumal in einer Stadt, in der 200 Meter neben dem Stadion das Zeppelinfeld beginnt, auf dem Hitler seine Reichsparteitage abhalten ließ? Cohen sagt, dass er lieber an die Zukunft denkt als an die Vergangenheit. Und dass er die Gegenwart genießt. "Die Leute sind ungeheuer freundlich zu mir. Ich hatte noch nie ein negatives Erlebnis."