Im DFB-Pokalhalbfinale zwischen München und Schalke stehen sich heute Thomas Kraft und Manuel Neuer gegenüber

Gelsenkirchen. Manuel Neuer versuchte, gelassen seiner Arbeit nachzugehen. So gut es eben ging. Die Objektive der Fotografen und die Kameras der Fernsehteams waren fast ausschließlich auf den Torhüter der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gerichtet, als Felix Magath die Profis des FC Schalke 04 am Montagnachmittag zum Training auf den Platz bat. Doch Neuer wirkte so wie immer: ruhig, fast schon gelangweilt.

Der derzeit möglicherweise "beste Torwart der Welt" (Franz Beckenbauer über den 24-Jährigen) ist vor dem Halbfinale im DFB-Pokal heute Abend beim FC Bayern München (20.30 Uhr, ZDF und Sky) bis in die Haarspitzen konzentriert. "Es ist ein sehr wichtiges Spiel für uns", sagt er und verweist auf die Möglichkeiten, die die Partie in der ausverkauften Arena (69 000 Plätze) für den Verein bietet, dem er in diesem Monat genau 20 Jahre angehört. "Wir haben die Chance, uns im Pokal für die Europa League zu qualifizieren", erklärt Manuel Neuer, der heute Abend selbst im Blickpunkt stehen wird. Auf eine Art und Weise, die ihm nicht unbedingt angenehm zu sein scheint.

Die Diskussionen darüber, ob Neuer nach der laufenden Saison zu den Bayern wechseln wird oder nicht, sind zwar nicht neu, aber sie haben seit dem vergangenen Wochenende noch einmal eine zusätzliche Brisanz erhalten. "Ich denke, wir können Manuel Neuer gut gebrauchen. Ein Spitzenverein braucht auf jeder Position zwei Spitzenspieler, auch im Tor", hatte Bayern-Trainer Louis van Gaal bereits am Freitag vergangener Woche gesagt, unmittelbar vor dem Bundesliga-Spitzenspiel gegen Borussia Dortmund. Daraufhin sorgten weitere Amts- und Würdenträger aus dem Dunstkreis des Rekordmeisters, dessen Worte in der deutschen Medienlandschaft Gewicht haben, dafür, dass sich das Thema weiter verselbstständigte.

"Wenn Neuer zu haben ist, musst du ihn nehmen", verkündete Franz Beckenbauer. Selbst Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender des FC Bayern, dessen Mannschaft nach der Niederlage gegen Dortmund (1:3) sogar um die Qualifikation für die Champions League bangen muss, bekam den Geist nicht mehr zurück in die Flasche.

"Das Thema haben die Medien aufgebracht", behauptete er und wirkte recht zerknirscht dabei.

Denn die Personalie Neuer beschäftigt die Bayern - und spaltet sie zugleich. Er habe keine Lust, sich als Nummer zwei auf die Bank zu setzen, soll Münchens 22 Jahre alter Schlussmann Thomas Kraft ungehalten darauf reagiert haben, im Sommer möglicherweise prominente Konkurrenz aus dem Ruhrgebiet zu bekommen.

Van Gaals verbaler Konter war ungewöhnlich schroff. "Dann muss er weggehen. Dann ist er nicht geeignet für eine Spitzenmannschaft", sagte der niederländische Trainer. Mit anderen Worten: Wenn Kraft, der beim Auswärtssieg im Hinspiel des Achtelfinals der Champions League über Inter Mailand so stark gehalten hat, den Druck nicht aushalte, sei er auch nicht reif genug für den FC Bayern.

Durch das verbale Vorpreschen hat Cheftrainer Louis van Gaal der eigenen Vereinsführung möglicherweise einen Bärendienst erwiesen. Denn ob Kraft, der erst in der Winterpause den 36 Jahre alten Routinier Hans-Jörg Butt als Nummer eins abgelöst hatte, nun das ihm angeblich vorliegende Angebot zur Verlängerung seines zum Saisonende auslaufenden Vertrags bis zur Saison 2012/2013 annehmen wird, bleibt dahingestellt.

Gleichzeitig wird durch das eindeutig formulierte Interesse der Bayern die Verhandlungsposition der Schalker besser. "Zum einen ist es zurzeit kein Thema für mich, wer in der kommenden Saison vielleicht woanders spielt. Zum anderen habe ich keine Anfrage wegen Manuel Neuer erhalten", sagte Trainer und Sportdirektor Felix Magath und deklarierte den Nationalspieler erneut als "unverkäuflich".

Andererseits hat Neuer auf Schalke nur noch einen Vertrag für eine weitere Saison. Für den Ruhrgebietsverein aus Gelsenkirchen wäre es deshalb wohl nur noch im kommenden Sommer möglich, eine stattliche Ablöse für das Vereinsidol zu erzielen. Neuer selbst möchte das Thema derzeit überhaupt nicht kommentieren. "Das ist ein kleiner Trick vor dem Spiel", sagte er zu den aufgeregten Diskussionen in München über seine Person.

München ist für ihn ohnehin ein besonderes Pflaster. Im April 2009, als er mit den Schalkern in der Bundesliga zuletzt in München gewinnen konnte, jubelte er anschließend mit einer von ihm zuvor herausgerissen Eckfahne in der Arena. Eine Provokation, mit der Neuer den Meisterjubel von Oliver Kahn 2001 persiflieren wollte, als die Münchner durch ein Unentschieden in letzter Sekunde beim Hamburger SV dem FC Schalke 04 die sicher geglaubte Meisterschaft entrissen hatten. Diese Aktion tragen ihm die Bayern-Fans bis heute heftig nach. "Wir brauchan koan NEUER Torwart, wir ham schon KRAFT", hieß es im bayerischen Dialekt bereits im Dezember auf einem Transparent im Block der des Münchner Stadions.

Heute Abend dürfte es selbst bei einem Schalker Erfolg nicht zu einer Wiederholung der Geste kommen. Es sieht so aus, als könnte derzeit auch Manuel Neuer nicht ausschließen, dass er zukünftig möglicherweise auf den guten Willen der Bayern-Anhänger angewiesen sein könnte.