Der Deutsche Tilman Engel hat den Fußballverband in Katar mit aufgebaut. Er glaubt an ein panarabisches Ereignis

Hamburg. Am Tag danach war es in Katar merkwürdig ruhig. Die Scheichs feierten ihren Erfolg hinter geschlossenen Türen, hieß es aus dem Emirat am Persischen Golf, das sich seit Donnerstag Gastgeberland der Fußball-WM 2022 nennen darf. Die Woge der weltweiten Empörung, die der Weltverband Fifa mit seiner Wahl ausgelöst hatte, wird also möglicherweise gar nicht bis zu den Machthabern vorgedrungen sein. Barack Obama, Präsident der unterlegenen USA, nannte die Entscheidung "falsch", ähnlich äußerte sich Bayern Münchens Trainer Louis van Gaal: "Unglaublich, der Fußball müsste immer an erster Stelle stehen." Die norwegische Zeitung "Dagbladet" sprach vom "größten Fußballwitz aller Zeiten". Und der schwedische "Expressen" giftete mit Blick auf den Gastgeber 2018: "Was haben Russland und Katar gemeinsam? Öleinnahmen und Korruption. Das scheint der Fifa zu gefallen."

Ob es nur hehre Ziele waren, die das Exekutivkomitee für Katar hat stimmen lassen, daran hat auch Tilman Engel seine Zweifel. Aber er ist überzeugt: "Es war die richtige Wahl, wenn auch vielleicht aus falschen Beweggründen." Von 2007 bis 2009 hat der Frankfurter für den katarischen Fußballverband an der Entwicklung der Profiliga gearbeitet. Und was die Begeisterungsfähigkeit der Katarer für den Fußball angeht, kann er die Kritiker beruhigen: "Fußball ist extrem populär, es ist die einzige wirklich präsente Sportart." Vor allem die europäischen Topligen würden über das Bezahlfernsehen intensiv verfolgt. Pokalendspiele im eigenen Land würden bis zu 40 000 Zuschauer in die Stadien locken. Einige der zwölf Mannschaften der ersten Profiliga, in der vor allem ausländische Spieler aus der muslimisch-arabischen Welt beschäftigt sind, hätten in normalen Punktspielen allerdings nur einige Hundert Fans.

Engel, Jurist und Historiker, ist den Kampf mit Vorurteilen gewöhnt. 17 Jahre lang hat er das Footballteam Frankfurt Galaxy gemanagt und eine im Grunde fremde Sportart zumindest punktuell in Deutschland heimisch gemacht. Auch den Aufbau der Hamburg Sea Devils, deren Spiele im letzten Jahr 2007 bis zu 30 000 Zuschauer sahen, hat Engel umgesetzt. Er kann die Vorbehalte verstehen gegenüber einem Land, das weniger Einwohner hat, als frei verkäufliche WM-Tickets erhältlich sind: "Wenn man Katar isoliert betrachtet, ist die Entscheidung falsch."

Aber Engel glaubt, dass die WM ein panarabisches Ereignis wird, hinter dem sich die Menschen von Marokko bis Vorderasien vereinen. "In all diesen Ländern wird eine Sprache gesprochen. Und sie sind durch das Fernsehen und religiöse Traditionen ohnehin stark auf die arabische Halbinsel fokussiert." Die Weltmeisterschaft sei daher auch eine Chance, eine Brücke zwischen einem westlichen Kulturgut wie Fußball und der islamischen Welt zu schlagen. Und natürlich gehe es auch um die Erschließung großer Märkte: "Die WM ist die Plattform, um ein Viertel der Menschheit auf ein Thema zu fokussieren. Und es bleibt mehr als ein Jahrzehnt Zeit, das vorzubereiten."

Diese Zeit werde auch nötig sein. Noch fehle es nicht nur an Stadien, auch wichtige Infrastrukturmaßnahmen wie der Bau einer Eisenbahnbrücke nach Bahrain existieren bislang nur auf dem Papier. Dass die Pläne umgesetzt werden, daran hat Engel keinen Zweifel.

Es sei im Übrigen noch gar nicht abzusehen, in welcher Form der Fußball in zwölf Jahren konsumiert werde: "Vielleicht laufen wir alle mit einer Drei-D-Brille herum."