Hoeneß wolle nur “aufrütteln“, sagte Beckenbauer über den Angriff des Präsidenten. Der Trainer war dagegen “sehr erstaunt “.

München. Lange wurde der Begriff in den Münchner Medien nicht mehr verwendet. Zu Zeiten, als Spieler wie Mario Basler, Stefan Effenberg, Lothar Matthäus und Trainer wie Giovanni Trapattoni in München noch ihr Unwesen trieben, fand er wöchentlich Platz in den Medien rund um die bayerische Hauptstadt: Der "FC Hollywood". Lange Zeit war er aus dem Umfeld des deutschen Rekordmeisters verschwunden, nun ist er zurückgekehrt. Und wie. „Ich habe es nicht gesehen. Ich habe einen schönen Spielfilm angeschaut und glaube, dass ich da nicht so schlecht gelegen habe“, sagte der Vorstandschef des FC Bayern, Karl-Heinz Rummenigge, auf die Frage, wie er den Auftritt von Uli Hoeneß am Sonntagabend im TV gesehen habe. Rummenigge hatte nur einen kleinen Rüffler übrig für seinen einstigen Mitspieler und langjährigen Wegbegleiter beim FCB. „Das ist wie bei Stuttgart 21. Die Parteien müssen sich aufeinander zubewegen, um eine neue Basis zu finden“, meinte Rummenigge.

Bayern-Trainer van Gaal zeigte sich „sehr enttäuscht“ über die Kritik seines Präsidenten. „Ich bin sehr erstaunt, dass ein Präsident von einem Verein wie dem FC Bayern München in dieser schwierigen Phase mit neun verletzten Spielern das sagt in diesem Moment“, erklärte der Coach des deutschen Fußball-Rekordmeisters am Dienstag in Cluj. Er sei seit etwas über einem Jahr Trainer des FC Bayern und stolz und froh darüber. Daher wolle er einem Mann wie Hoeneß, der so lange im Club sei, „nicht widersprechen“, aber: "Ich finde, dass so ein Mann mit so viel Bedeutung für Bayern München auch die Konsequenzen von seinen Aussagen wissen muss“, sagte van Gaal mit Blick auf das mediale Echo der Hoeneß'schen Schelte.

Als der Bayern-Tross das Abenteuer Transsilvanien in Angriff nahm, hatte Louis van Gaal seinen größten Kritiker im Nacken sitzen. Uli Hoeneß nahm in der Lufthansa-Maschine direkt in der zweiten Reihe hinter dem van Gaal Platz, es dürfte aber vor dem Champions-League-Spiel des deutschen Meisters beim rumänischen Klub CFR Cluj (Mittwoch 20. 45 Uhr/Sat.1/Sky und im Liveticker auf abendblatt.de) die einzige Annäherung der beiden Streithähne gewesen sein. Das Gewitter, das nach der deftigen Kritik von Hoeneß am Sonntag über München aufgezogen war, hatte sich auch zwei Tage später noch nicht verzogen. So ist Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge um Vermittlung bemüht, wenngleich er seinem alten Fahrensmann Hoeneß einen Rüffel erteilte. Auch innerhalb der Mannschaft hatte der Auftritt des Präsidenten für Diskussionen gesorgt. „Wir leben ja nicht auf dem Mond, natürlich wird darüber gesprochen“, sagte Bayern-Torwart Jörg Butt am Dienstag.

Die Stimmung war nicht gerade entspannt, denn am Tag nach seiner Trainer-Schelte hat Hoeneß seine Worte als geplant bezeichnet und eingeräumt, dass es sich um einen Alleingang gehandelt habe. „Im Bauch war ich schon lange vorbereitet, das ist in fünf Monaten in mir entstanden“, sagte Hoeneß der Süddeutschen Zeitung. Weder Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge noch Sportdirektor Christian Nerlinger seien eingeweiht gewesen. „Das ist mir auch wurscht, ich habe eine Position im Verein, wo ich mir das erlauben kann“, sagte Hoeneß. Der Bayern-Präsident bezeichnete die Vorwürfe an van Gaal als „private Meinung“: „Ich habe im Leben gelernt, Streit, wenn er unvermeidlich ist, nicht aus dem Weg zu gehen“, sagte Hoeneß, der auch den Zeitpunkt seiner Kritik rechtfertigte: „Das ist halt jetzt mein Eindruck, und wenn man nun gut damit umgeht, kann es nur positiv sein.“

Rummenigge wollte das so nicht stehen lassen: „Wichtig ist, dass wir miteinander und nicht übereinander reden“, kritisierte er den Bayern-Präsidenten und meinte: „Wir wollen das nicht aussitzen, sondern die Dinge ansprechen. Wir haben uns zeitnah verabredet.“ Nachdem der Vorstandsboss an Allerheiligen schon getrennte Gespräche mit beiden Streithähnen geführt hatte, dürfte es wohl schon in Rumänien zu einem Gipfeltreffen mit dem Vorstand und Sportdirektor Christian Nerlinger kommen. Zuvor sollte van Gaal auf der Pressekonferenz erstmals öffentlich seine Meinung zum Disput äußern.

Bayern-Ehrenpräsident Franz Beckenbauer zeigt Verständnis für die Attacke. „Er will aufrütteln und ein bisschen Feuer in den Laden bringen“, sagte Beckenbauer der Bild-Zeitung: „So gut waren die Spiele in den letzten Wochen nicht. Bevor sich alle gegenseitig auf die Schultern klopfen vor Begeisterung, geht der Uli dazwischen. „ Einen Bruch zwischen van Gaal und dem FC Bayern befürchtet Beckenbauer nicht.

Im Bayern-Team kam die Hoeneß-Attacke offenbar mehrheitlich nicht besonders gut an. „Das große Plus des FC Bayern in der Vergangenheit war immer, dass in allen Reihen Harmonie geherrscht hat“, sagte „Außenminister“ Philipp Lahm. Die Aufgabe der Mannschaft sei es nun, mit einer guten Leistung in Rumänien zur Beruhigung der Situation beizutragen und einen neuen Bayern-Startrekord in der Königsklasse zu holen. Das wäre mit dem vierten Sieg geschafft, bereits ein Remis reicht zum Einzug ins Achtelfinale.

Als die Sondermaschine der Lufthansa am Dienstag mittag in Richtung des siebenbürgischen Klausenburg abhob, waren allerdings nur 13 Feldspieler und zwei Torhüter mit an Bord. Insgesamt acht Leistungsträger fehlten, neben Ivica Olic (sechs Monate Pause wegen einer Knieverletzung) fehlte auch Nationalspieler Holger Badstuber (Schambeinentzündung). Dafür flog der wiedergenesene David Alaba mit nach Rumänien - übrigens ein Zögling von Louis van Gaal.

Was erlauben Hoeneß? Ein Kommentar von Abendblatt-Redakteur Rainer Grünberg

Die Bayern hatten zuletzt regelmäßig gewonnen, die Tabellenspitze ist mit dem Fernglas bereits wieder schemenhaft zu erkennen, und es war dann auch kein Wutausbruch, es war Kalkül, als Uli Hoeneß Trainer Louis van Gaal im Pay-TV-Sender Sky mit erstaunlich ruhiger Stimme verbal zerlegte. In jedem anderen Betrieb hätte der öffentliche Frontalangriff des Chefs auf einen leitenden Angestellten wohl nur eine Konsequenz - die sofortige Trennung in gegenseitigem Einvernehmen samt hoher Abfindung. Hoeneß hatte van Gaal nicht nur Selbstherrlichkeit und Beratungsresistenz vorgehalten, sondern auch dessen fachliche Qualitäten infrage gestellt. Vernichtender kann ein Arbeitszeugnis nicht ausfallen.

Auf den zweiten Blick gerät Hoeneß' Attacke zum Hilfeschrei eines Machtlosen. Seit Hoeneß vor einem Jahr vom Regisseursessel des Managers auf den Repräsentantenthron des Präsidenten rotierte, hat seine Stimme beim FC Bayern an Gewicht verloren. Das scheint nur schwer zu ertragen für einen, der 30 Jahre lang Frontmann eines der erfolgreichsten Fußballklubs der Welt war. Heute hört kaum noch jemand auf ihn, schon gar nicht einer wie van Gaal, den Hoeneß holte, weil der ist, wie er ist: stur, geradlinig, mit dem Kopf durch die Wand. Hoeneß wusste, oder er hätte es wissen müssen, dass er keinen Einfluss auf ihn wird nehmen können, wie er es auf all dessen Vorgänger konnte. Denn der wahre Trainer beim FC Bayern hieß eigentlich immer Hoeneß.

Der hat nun zum letzten Gefecht geblasen - denn van Gaal hatte mit der Degradierung von Demichelis, Gomez und Timoschtschuk auch Hoeneß' Kompetenz attackiert. Die des Managers, der die drei einst für mehr als 50 Millionen Euro Ablöse zum FC Bayern geholt hatte. Bleibt als schlichtende Erkenntnis: Der Uli ist doch nicht so ahnungslos, wie der Louis glaubt. Und damit könnte man wieder zum Fußballspielen übergehen.