Die Bundesliga spielt verrückt - Klubs wie Bayern, Schalke und Stuttgart stecken in der Krise, Klubs wie Mainz, Hannover und Freiburg überraschen.

Hamburg. Das Maß ist voll beim FC Bayern. Deshalb blieb die Maß leer. Nach dem 0:2 der Münchner in Dortmund wurde trainiert, statt das Oktoberfest zu besuchen. "Wenn man verliert, ist es nicht angebracht, dass man sich auf der Wiesn zuprostet", schäumte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge nicht weniger als Uli Hoeneß, der die prekäre Lage beim deutschen Rekordmeister drastisch beschrieb: "Der Zeitpunkt ist gekommen, dass wir den Mantel der Nächstenliebe weglegen und die Dinge deutlich ansprechen", sagte der Bayern-Präsident.

Nur fünf Tore in sieben Spielen - schlechter ist keiner - haben zum miesesten Bundesligastart seit 1965 geführt und den Rückstand auf Tabellenführer Mainz auf 13 Punkte anwachsen lassen.

Schlimm genug aus Bayern-Sicht. Doch dass auch noch der fränkische Nachbar 1. FC Nürnberg als Tabellenelfter einen Platz besser ist als die bayrischen Großkopferten, ist zu viel für Hoeneß, der wie alle Bayern-Bosse jetzt Siege am Fließband fordert. Wie zum Bespiel nach der Länderspielpause beim Heimspiel gegen Hannover 96. Auf den ersten Blick ein Selbstgänger für Zocker. Doch was sich in dieser Saison in der Liga abspielt, wirkt wie ein Ball paradox und bringt jeden Tipper schier zur Verzweiflung. Während neben Meister Bayern (11. Platz) auch Vize-Meister Schalke 04 (17.), der Dritte Werder Bremen (13.) und auch der Sechstplatzierte VfB Stuttgart (18.) in niedere Tabellenregionen abstürzten, stehen Klubs wie Mainz, Freiburg und eben Hannover mit ihren im Vergleich dazu Mini-Etats in der Spitzegruppe - und lassen risikobewusste Tipper vom großen Coup träumen. Wer vor Saisonstart auf Mainz als Meister wettete, bekam eine Quote von 1001:1.

Die Tabelle ist für alle diejenigen Fußballmacher in erste Linie ein zarter Hinweis, dass es nicht reicht, die Kader mit teuren Qualitätsspielern zu bestücken und auf Erfolg zu warten. Was eine Kombination aus Motivation und Leistungsbereitschaft sowie einer gezielten Vorbereitung durch den Trainerstab bewirken kann, zeigen nicht die Erfolge bei Klubs wie Mainz und Dortmund, aber auch St. Pauli, wo Holger Stanislawski aus Spielern eine funktionierende Einheit geformt hat.

Dass ausnahmslos Klubs in den Top Sechs stehen, die nur wenige Spieler zur WM im Sommer abstellen mussten, ist ein anderes, wichtiges Puzzle in der Ursachenforschung. "Die Spieler haben bei der WM Unglaubliches geleistet, da sind viele Kräfte verloren gegangen", erinnert beispielsweise Bundestrainer Joachim Löw an die Strapazen in Südafrika und die darauf folgende kurze Erholungs- und Vorbereitungsphase: "Bei den Bayern fehlten drei Wochen vor dem Ligastart noch acht Spieler, da ist es normal, dass es erst mal nicht so läuft. Aber sie werden kommen."

Die Wutanfälle von Hoeneß und Rummenigge weisen jedoch auch auf andere Defizite hin. Sicher, die Ausfälle von Franck Ribéry und Arjen Robben wiegen schwer und machen aus den Bayern eine kaum überdurchschnittliche Mannschaft mit nicht behobenen Mängeln (Innenverteidigung, linken Abwehrseite). "Der eine oder andere Spieler scheint nach dem Double, dem Finale in der Champions League und der WM mit der Höhenluft nicht zurechtzukommen", kritisierte Hoeneß und stützte damit eine These, mit der auch andere Klubs zu kämpfen haben: Es ist leichter, nach oben zu kommen, als oben zu bleiben. War Felix Magath bei Schalke vergangene Serie noch der gefeierte Star, so verzockte sich der Trainer in der Transferperiode (Metzelder & Co.) so sehr, dass das Schalke-Idol Manuel Neuer jetzt schon Abwanderungsgedanken äußerte.

Auf Schalke kämpft Stuttgarts Christian Gross dagegen im direkten "Abstiegsduell" am übernächsten Wochenende bereits ums Überleben. Geradezu grotesk, erinnert man sich an die Elogen, die über den Schweizer Erfolgstrainer der vergangenen Saison gesungen wurden. Dabei leiden die Schwaben offensichtlich unter den Folgen ihrer Führungskrise im Sommer, als Manager Horst Heldt Richtung Schalke verschwand und sich der VfB mit einer Nachfolger-Lösung viel Zeit ließ. Die Strategie, neben Sami Khedira (Madrid) auch das Eigengewächs Sebastian Rudy nach Hoffenheim zu verkaufen und sich mit Mauro Camoranesi (34) zu verstärken, ging nicht auf. Werder Bremen leidet ebenfalls unter dem Abgang von Mesut Özil, aber genauso unter Verletzungspech (Naldo, Mertesacker). 16 Gegentore sind der zweitschlechteste Ligawert, der aber im Grunde kaum noch verwundern kann. Was ist in dieser Saison schon normal?