Für einen Spion ist es nur von Vorteil, wenn er unterschätzt wird. Und in der Tat wirkt Urs Siegenthaler, 62, mit vollem Haar, Hornbrille und untersetzter Statur eher wie ein liebenswerter Fan, der in breitem Schwyzerdütsch stundenlang über Fußball parliert. Kaum jemand würde ihn mit der Rolle verbinden, die er seit fünf Jahren beim DFB spielt. Im Auftrag des Bundestrainers liefert Siegenthaler die entscheidenden Informationen aus dem gegnerischen Lager. Tagelang hat er auch vor dem heutigen Halbfinal-Duell die Spielzüge der Spanier seziert, Schlüsselszenen auf DVDs gebrannt. In seiner Mission reist der Fußball-007 gern inkognito, zuweilen sogar verkleidet.

Als Profi war sein Erfolg überschaubar. Als Analytiker und Taktik-Guru hat er international einen exzellenten Ruf - entstanden aus der seltenen Kombination von immenser Fußball-Expertise und großer Technik-Leidenschaft. Schon in jungen Jahren hat der studierte Ingenieur in Basel ein Büro für Mess- und Regeltechnik aufgebaut.

Nach der WM wird Siegenthaler zum HSV wechseln, in offizieller Mission als Sportchef. Wer ihn unterschätzen sollte, wird ein Problem haben. Denn Siegenthaler hasst Inkompetenz. Trainer, die sich erst auf der Schwelle zum Vereinsgelände ihr Programm überlegen, nennt er verächtlich "Schwellentrainer". Und ihnen gegenüber kann Siegenthaler so entschlossen reagieren wie sein Film-Kollege 007.