Amsterdam. An diesem Abend gab es nur eine Farbe. Selbst viele deutsche Touristen zogen nach dem Einzug der Holländer ins WM-Halbfinale aus Sympathie T-Shirts in Orange über und setzten eine der unvermeidlichen Plastik-Kronen in der Farbe des niederländischen Königshauses auf. "Oranje boven" und "Nederland Finale!", riefen die Fans nach dem 2:1-Sieg der "Elftal" gegen Brasilien bei Bier-Polonaisen entlang der Grachten oder an den sonnigen Stränden der Nordsee.

Ein kollektives Glücksgefühl wogte durch die Menge auf der größten Fanmeile in Amsterdam, als Arjen Robben per Videobotschaft verkündete: "Nun sind wir unter den ersten vier, aber das macht uns noch nicht zufrieden." Fast hätte man im allgemeinen Freudentaumel erwartet, dass jeden Moment auch die altertümlichen Herren auf Rembrandts weltberühmten Gemälde "Die Nachtwache" gleich um die Ecke heraussteigen, um auf dem Platz vor dem Reichsmuseum mitzufeiern.

"Wir haben in Holland zwar viele Alte Meister", sagte ein "Meisje" mit Zöpfen im knappen orangenfarbenen Bikini, "aber wir haben auch ganz frische und neue wie Arjan oder Wesley - und die werden Weltmeister!" Als Brasilien das erste Tor schoss, ließen aber die Tausenden auf dem Amsterdamer Museumspein ein tiefes Raunen hören - und verfielen in kollektives Schweigen.

Mit dem 1:1 kehrte der Glaube zurück. "Wir schaffen es, wir schaffen es!", war immer wieder zu hören. Mit dieser Gewissheit ging es am Abend ans Feiern. Tröstlich immerhin, dass Holländer vielleicht nicht die besten Verlierer, dafür aber großartige Gewinner sind: Überall, wo in der international geprägten Grachtenstadt Amsterdam mit Einwohnern aus 178 Nationen, Brasilianer auftauchten, gab es Schulterklopfen und Einladungen zum "Biertje". "Macht Euch nichts draus", frotzelten Oranje-Fans. "Gegen den Weltmeister zu verlieren, ist keine Schande."