Weltmeister Italien scheitert nach dem 2:3 gegen die Slowakei in der Vorrunde. Nationaltrainer Lippi tritt zurück

Johannesburg. Der ältere Herr mit der leuchtend roten Jacke und den silbergrauen Haaren stand da und blickte ins Leere. Nein, damit hatte Marcello Lippi nicht gerechnet. So eine grauenhafte Vorstellung hätte der italienische Trainer seiner Mannschaft niemals zugetraut. Doch der sportliche Tod kam nicht plötzlich. Lippi hatte einige Wochen Zeit, sich darauf einzustellen. Der Titelverteidiger ist ausgeschieden. Nach Unentschieden gegen Paraguay (1:1) und Neuseeland (1:1) verlor die Squadra Azzurra in Johannesburg gegen die Slowakei mit 1:2 (0:1).

Ein italienischer Albtraum.

Während die Spieler nach dem Abpfiff zu Boden sanken und ihre Gesichter in den Händen vergruben, floh Lippi in die Katakomben des Ellis Park. Der 62-Jährige vergaß sogar allen Anstand und verweigerte seinem slowakischen Trainerkollegen den Handschlag. Vladimir Weiss war ein paar Schritte auf ihn zugegangen. Doch Lippi winkte ihm nur zu und drehte Richtung Kabine ab.

"Es ist schwer, es tut weh, aber wir müssen akzeptieren, dass es nicht gereicht hat", sagte der Weltmeistertrainer von 2006. Er könne seiner Mannschaft keinen Vorwurf machen, sie habe bis zum Schluss gekämpft. "Ich übernehme die Verantwortung. Es tut mir furchtbar leid. Ich hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Am Ende hatten die Slowaken einfach auch das Glück auf ihrer Seite."

Doch es war kein glücklicher, sondern ein verdienter Sieg des Außenseiters. "Wir sind unendlich traurig. Es ist hart, so etwas zu erleben. Dafür können wir die Leute in Italien nur um Verzeihung bitten", sagte Gennaro Gattuso, der mit den Tränen kämpfend hinzufügte: "Wir haben unser Land bitter enttäuscht." Zum ersten Mal seit 36 Jahren, damals in Deutschland, ist für Italien nach der Vorrunde Schluss - und das als Titelträger der WM 2006.

Ein Held von einst hatte während des Trauerspiels auf der Ersatzbank gesessen. Torwart Gianluigi Buffon, wegen einer hartnäckigen Rückenverletzung nicht in der Lage, seinen Kollegen zu helfen, hockte auf seinem Plastikstuhl und wirkte dabei so, als müsste er das Leid aller Fußballfans unter den 60 Millionen Italienern verkörpern.

Buffon malträtierte ein Kaugummi nach dem anderen, doch die innere Anspannung vermochte er nicht im hohen Bogen auszuspucken wie die klebrige Masse, wenn sie ihren Geschmack verloren hatte. Der Weltmeister von 2006 ruderte wie wild mit den Armen und brüllte mit weit aufgerissenen Augen Kommandos auf den Platz. Denn es war grausam, was seine Kollegen über weite Strecken der Partie boten. In der Defensive kamen sie in fast jedem Zweikampf einen Schritt zu spät. Allen voran Kapitän Fabio Cannavaro, der sich häufig nur mit Fouls behelfen konnte. Im Mittelfeld fehlte es an Tempo, an Ideen. Und im Sturm stellte sich der Titelverteidiger stümperhaft an.

In der Halbzeit entrollten einige italienische Anhänger ein Transparent. "Kein Del Piero, keine Party", stand dort in schwarzer Schrift auf gelbem Untergrund. Lippi hatte bei der Zusammenstellung seines Kaders auf Alessandro Del Piero von Juventus Turin verzichtet. Ebenso wie auf den Römer Francesco Totti. Eben diese Personalentscheidungen waren durchaus kritisch aufgenommen worden. Doch hätten der 35-jährige Del Piero oder der 33-jährige Totti dieser biederen Truppe mehr Glanz verliehen?

Andrea Pirlo, ein weiterer Held des Titelgewinns in Deutschland, war es ähnlich ergangen wie Buffon. Doch der Mittelfeldstratege, in den Partien gegen Paraguay und Neuseeland wegen einer Wadenverletzung zum Zuschauen verdammt, durfte zumindest nach 56 Minuten versuchen, das Elend zu beenden.

Unter der Regie des 31-Jährigen vom AC Mailand wurden die Italiener zwar stärker, doch es reichte dennoch nicht, den Slowaken zumindest einen Punkt abzuringen. Und dieser hätte ausgereicht, um sich für das Achtelfinale zu qualifizieren. Was für eine Blamage. Wenige Minuten nach dem Spiel prangte die Schlagzeile: "Nach Hause voller Scham" auf der Internetseite der "Gazzetta dello Sport".

Für Lippi, der die italienischen Anhänger zuvor aufgefordert hatte, ihm zu vertrauen ("Keine Panik, dieses Team wird ins Rollen kommen und hervorragenden Fußball spielen"), war es der letzte Auftritt als Nationaltrainer. Er trat nach dem Spiel zurück. Den dringend nötigen Neuaufbau im Fußballland Italien wird Cesare Prandelli (bisher AC Florenz) verantworten.

Slowakei: Mucha - Pekarik, Skrtel, Durica, Zabavnik - Strba (87. Kopunek), Kucka - Hamsik, Vittek (90.+2 Sestak), Stoch - Jendrisek (90.+4 Petras).

Italien: Marchetti - Zambrotta, Cannavaro, Chiellini, Criscito (46. Maggio) - Gattuso (46. Quagliarella), De Rossi, Montolivo (56. Pirlo) - Pepe, Di Natale - Iaquinta.

Tore: 1:0 Vittek (25.), 2:0 Vittek (73.), 2:1 Di Natale (81.), 3:1 Kopunek (89.), 3:2 Quagliarella (90.+2).

Schiedsrichter: Howard Webb (England).

Zuschauer: 53 412.

Gelb: Strba (2), Vittek, Pekarik, Mucha - Cannavaro, Pepe, Chiellini, Quagliarella.